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Lage in Burkina Faso
"Keiner weiß so richtig, wie es weitergeht"

Nach dem Rücktritt von Präsident Blaise Compaoré ist die Lage in Burkina Faso unklar, sagte Bernhard Alberti von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Deutschlandfunk. Es sei schwer abzuschätzen, wie sich die Armee nun verhalten werde oder auch, ob es Konflikte innerhalb des Militärs gebe.

Bernhard Alberti im Gespräch mit Christiane Kaess | 01.11.2014
    Christiane Kaess: Bernhard Alberti von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Burkina Faso, und wir erreichen ihn in Ouagadougou. Guten Morgen!
    Bernhard Alberti: Ja, schönen guten Morgen!
    Kaess: Herr Alberti, wie ist die Situation bei Ihnen im Moment?
    Alberti: Ich kann es Ihnen kurz beschreiben. Im Moment – wir haben ja jetzt 6:38 Uhr, die Situation ist ruhig. Wir hatten eine Ausgangssperre, die von gestern 19:00 Uhr bis heute Morgen um 6:00 Uhr ging. Vielleicht ganz kurz zu den Ereignissen, die sich ja immer wieder überschlagen. Das heißt, nach dem Rücktritt des Präsidenten gestern hat sich die Lage wieder beruhigt. Nur es kam dann dazu, dass der Armeechef sich sozusagen als Chef des Staates ausgerufen hat und auch gleichzeitig Chef der Übergangsregierung sein wollte. Gleichzeitig hat sich aber jemand anders auch noch gemeldet aus der Armee, das ist der zweite Mann der Präsidialgarde, der auch gesagt hat, wir haben jetzt die Macht, wir möchten mit der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten und wir wollen eine Übergangsregierung einsetzen.
    Kaess: Ja, Herr Alberti, diese Meldung ist hier angekommen, dass Oberstleutnant Zida sich zum Staatschef erklärt hat und sich eben damit gegen den Militärchef Traoré gestellt hat. Wie wird das jetzt im Land wahrgenommen und wie könnte es weitergehen?
    Alberti: Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich denke, zunächst ist mal wieder so was wie eine Konfusion zu spüren. Keiner weiß so richtig, wie es weitergeht. Es bleiben ganz klar die Fragen: Wie verhalten sich denn jetzt die Demonstranten? Beziehungsweise auch vorher: Was ist eigentlich in der Armee los? Das ist eine entscheidende Frage, die ich jetzt so nicht beurteilen kann, das werden die nächsten Tage eben dann erklären.
    "Zida konnte auch nicht ganz entfernt von Compaoré stehen"
    Kaess: Kann man denn im Moment sagen, wer diese zwei Lager sind. Kann man sagen, das sind noch alte Compaoré-Anhänger und die Gegner, oder lässt sich das gar nicht so klar aufteilen?
    Alberti: Also das kann man schon sagen, dass Herr Traoré sicherlich eher dem Herrn Compaoré zugeneigt war. Herr Zida ist eher nicht bekannt, ist zwar Armeesprecher und auch zweiter Chef der Präsidialgarde, also ganz entfernt von Compaoré konnte er auch nicht stehen.
    Kaess: Was weiß man über die Protestierenden? Kann sich daraus eine neue Opposition, vielleicht eine junge Opposition begründen?
    Alberti: Das kann durchaus sein, es gibt ja den spontanen Zusammenschluss von jungen Leuten. Das kann sein, dass es da vielleicht die ein oder andere Parteigründung geben könnte, aber Sie sehen, die Opposition besteht eigentlich schon aus 30 oder 34 Splitterparteien, und von daher ist es wichtig eigentlich, eine Einheit zu formieren. Und da muss man mal sehen, wer sich da in der Opposition durchsetzen kann, und vor allen Dingen, wie kann sich jetzt die Opposition in der Übergangsregierung einbringen.
    Kaess: Befürchten Sie, dass es weiterhin zu blutigen Ausschreitungen kommen wird?
    Alberti: Es ist nicht auszuschließen. Ich will das nicht dramatisieren, aber die Situation ist eben die, ich kann nicht einschätzen, wie die Armee jetzt denkt, ob es jetzt wirklich Widersprüche gibt, die dann irgendwie ausgetragen werden müssen, das kann ich nicht einschätzen. Und ich denke schon, dass die Demonstranten, gerade die jungen Leute, eigentlich jetzt mal wissen wollen, wie es dann weitergeht, und dass sie möglichst schnell neue Wahlen haben wollen.
    Kaess: Herr Alberti, Sie haben von einer Ausgangssperre gesprochen, und wenn ich es richtig verstanden hab, waren Sie auch eine Zeit lang in der deutschen Botschaft, um Ihre eigene Sicherheit zu garantieren. Was bedeutet das Ganze jetzt für die Arbeit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit vor Ort?
    Alberti: Ja, also zurzeit ist es so, dass wir, ich sag mal, seit dem 30., dass hier eben halt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Hause sind. Sie sind auch alle unversehrt und wohlauf. Wir werden jetzt schauen, am Wochenende, wie sich die Lage weiterentwickelt. Wenn sie sich weiter stabilisieren sollte und beruhigen sollte, können wir darüber nachdenken, ob wir vielleicht das Büro wieder am Montag eröffnen. Aber das kann ich noch nicht hundertprozentig sagen.
    Demonstranten in Ouagadougou.
    Die Menschen in Burkina Faso hatten heftig gegen die Regierung Blaise Compaorés protestiert. (AFP / Issouf Sanogo)
    "Im Moment ist alles zusammengebrochen"
    Kaess: Welche Hauptprojekte haben Sie vor Ort, also was ruht da, welche Arbeit ruht da gerade jetzt?
    Alberti: Wir sind in drei wichtigen Bereichen tätig, nämlich in der Landwirtschaft, wir haben auch den Bereich Wasser- und Sanitärversorgung und wir sind in der Dezentralisierung tätig. Ein ganz wichtiger Bereich ist natürlich die Landwirtschaft, weil hier über 70 Prozent der Menschen auf dem Lande leben und von der Landwirtschaft leben. Und von daher ist es wichtig, dass wir weiterhin tätig sind, denn wir haben ja da auch gute Erfolge vorzuweisen, zum Beispiel, dass wir 100.000 Bauern fortgebildet haben in den Wertschöpfungsketten, zum Beispiel Maniok, Reis und Cashew, was dann auch zu erhöhten Einkommen geführt hat. Damit sind dann die Bauern auch gegenüber Nahrungsmittelkrisen eben resistenter.
    Kaess: Und sind Sie im Moment noch mit irgendwelchen Behörden im Land in Kontakt, mit denen Sie zusammengearbeitet haben, oder ist im Moment alles zusammengebrochen?
    Alberti: Also im Moment ist soweit alles zusammengebrochen, die Behörden sind zu. Ich kann aber sagen, dass der Herr Zida gesagt hat oder die Beamten aufgerufen hat beziehungsweise die Staatssekretäre aufgerufen hat, wieder an ihre Arbeitsstelle zu gehen, damit der Staat weiterarbeiten kann.
    Kaess: Eindrücke aus Ouagadougou waren das von Bernhard Alberti. Er ist Landesdirektor der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Burkina Faso. Danke für dieses Gespräch heute Morgen!
    Alberti: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.