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"Lage ist noch nicht eindeutig"

Der Westen denkt über die Einführung einer Flugverbotszone in Libyen nach, um weitere Luftangriffe auf die Aufständischen zu verhindern. Der Botschafter der Arabbischen Liga in Deutschland, Mussayab, sagte, dafür sei es noch zu früh. Er forderte, die Arabische Liga in die Entscheidung einzubinden.

Abdul Nabi Mussayab im Gespräch mit Jasper Barenberg | 08.03.2011
    Jasper Barenberg: Im Westen geht die Sorge um vor einem langen blutigen Bürgerkrieg. Noch zögert die internationale Gemeinschaft militärisch einzugreifen. Zugleich treiben aber vor allem Großbritannien und Frankreich die Pläne voran, eine Flugverbotszone einzurichten. Ohne Zustimmung der arabischen und afrikanischen Nachbarn Libyens ist dies wohl kaum vorstellbar. Will die Arabische Liga also deshalb die Flugverbotszone? Das habe ich vor der Sendung Abdul nabi Mussayab gefragt, den Botschafter der Organisation in Deutschland.

    Abdul Nabi Mussayab: Ich erinnere mich an diese Erklärung, wonach eine Flugverbotszone möglich ist, wenn diese Gefechte in Libyen anhalten. Es wird auch davon abhängen, wie sich die Organisation für Afrikanische Einheit positioniert und es wird davon abhängen, wie sich in den nächsten Tagen die Situation entwickelt. Aber wir als Arabische Liga stehen auch in Kontakt mit den verschiedenen Mitgliedsstaaten, insbesondere mit den Mitgliedsstaaten um Libyen herum. Ich glaube, im Augenblick werden wir noch abwarten, die Entscheidung ist noch nicht getroffen, aber in jedem Fall wird eine solche Flugverbotszone davon abhängen, ob die Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga einen derartigen Beschluss akzeptieren und mittragen.

    Barenberg: Weit mehr als 100.000 Menschen sind schon aus Libyen geflohen, jeden Tag werden viele Menschen dort getötet. Ist es in dieser Situation richtig, abzuwarten?

    Mussayab: Ich glaube das nicht. Die Arabische Liga beobachtet die Situation, die sich von Tag zu Tag verschlechtert. Ich hoffe, dass es in der Zukunft eine rasche Entscheidung geben wird in diesem Bereich.

    Barenberg: Aber was unternehmen Sie?

    Mussayab: Nun, es wird in der Tat eine Art Vermittlung geben, Anstrengungen werden von den arabischen Staaten unternommen, um dieses Blutvergießen zu beenden. Ich beobachte die Entwicklung der Situation, und die arabischen Staaten unternehmen Anstrengungen, um eine friedliche Lösung für diese Probleme zu finden.

    Barenberg: Die Arabische Liga stellt sich nicht auf den Standpunkt, dass Gaddafi abtreten muss?

    Mussayab: Nun, die Arabische Liga ist ja die offizielle Vertretung der Regierungen, zum Teil wird auch das Volk vertreten. Die Regierungen setzen sich auch für die legitimen Rechte des Volkes ein und zugleich obliegt es ihnen auch, über die Zukunft zu entscheiden. Die Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga werden in den kommenden Tagen sicherlich Schritte unternehmen, um die Situation zu verbessern. Sie werden Anstrengungen einleiten, um dieses Blutvergießen zu beenden.

    Barenberg: Und wie könnte diese Anstrengung konkret aussehen?

    Mussayab: Nun, das wird über die Menschen laufen, die Kontakt zu beiden Seiten haben.

    Barenberg: Und das braucht Zeit, oder?

    Mussayab: Es wird davon abhängen, wie sich die Dinge entwickeln, wie gefährlich sie weiterhin sind und wie sehr sie nicht mehr steuerbar sind in der Zukunft.

    Barenberg: Die Reaktion der Arabischen Liga wird als zu spät und als zu schwach kritisiert. Was antworten Sie?

    Mussayab: Nun, unter gewissen Umständen stellt die Arabische Liga den regierungsamtlichen Teil der arabischen Staaten dar. Zugleich ist sie auch durch Regeln ihrer Satzung gebunden. Die arabischen Staaten in der Arabischen Liga unternehmen auch Anstrengungen, um diese satzungsmäßigen Regeln zu ändern. Das wurde auch beim Treffen in Scharm el Scheich vom General deutlich ausgedrückt. Die Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga sollten Anstrengungen unternehmen, um diesem Notstand Abhilfe zu schaffen, um das Leben für die Menschen in den Ländern besser zu machen, um ihnen mehr Freiheit, mehr Beteiligung an der Macht zukommen zu lassen.

    Barenberg: Das sind langfristige Ziele. Was wollen Sie aber jetzt tun?

    Mussayab: Nun, Sie haben hier zwei Seiten einer Gleichung: einerseits das Volk, andererseits die Macht. Man muss zwischen beiden eine Art Ausgleich herstellen, eine Art Abstimmung finden einerseits zwischen dem bestehenden System und den Menschen, die ihre legitimen Rechte verteidigen wollen. Aber diese Änderungen, die jetzt angestrebt werden, können nur geschehen durch eine Initiative des Volkes.

    Barenberg: Ihr Generalsekretär Amr Mussa hat gesagt, die Arabische Liga würde nicht tatenlos zusehen, wenn das Blut der Menschen vergossen wird. Was aber tut die Liga, um genau das zu verhindern?

    Mussayab: Nun, in Tunesien, in Ägypten ist diese Bewegung tatsächlich entstanden in der Volksmenge, und ich hoffe, in Libyen wird das klarer sein. Oftmals gilt es ja auch, verschiedene staatliche Stellen miteinander abzustimmen. Hier muss man einfach koordinieren zwischen den verschiedenen Ländern, zwischen den verschiedenen Staaten. Manchmal ist es in der Tat schwierig, hier Fortschritte zu erzielen. Aber ich weiß, die Arabische Liga ist vor Ort, sie ist besorgt, sie beobachtet die Situation, wie sie sich in Libyen entwickelt. Ich bin zuversichtlich, dass zu gegebener Zeit die nötigen Entscheidungen getroffen werden.

    Barenberg: Werden Sie zum Beispiel bei den Vereinten Nationen das Mandat für eine Flugverbotszone beantragen?

    Mussayab: Das hängt vom Beschluss des Rats der Arabischen Liga ab. Es gibt bereits erste Überlegungen, wonach tatsächlich ein Flugverbot verhängt werden könnte in Abstimmung mit der Organisation für Afrikanische Einheit. Es ist aber jetzt noch zu früh, die Entscheidung zu treffen, die Situation ist unklar, die militärische Lage ist noch nicht eindeutig. Denn wir müssen auch bedenken, die Bevölkerung ist dort schutzlos, während die Regierung andererseits sehr kraftvolle Abwehreinrichtungen hat.

    Barenberg: Abdel Nabi Mussayab, der Botschafter der Arabischen Liga in Berlin. Mister Ambassador, thank you very much!