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Lagerschimmel in Futtermais

Lebensmittelsicherheit. - In Niedersachsen sind 3560 Höfe mit Futtermittel beliefert worden, in denen sich das Krebs erzeugende Schimmelpilzgift Aflatoxin befand. Von den aus Serbien stammenden 45.000 Tonnen Mais ist ein Viertel zu Futtermittelherstellern gelangt, der überwiegende Teil, 35.000 Tonnen konnte gesperrt und aus dem Verkehr gezogen werden. Der Wissenschaftsjournalist Volker Mrasek erläutert Hintergründe im Gespräch mit Uli Blumenthal.

Volker Mrasek im Gespräch mit Uli Blumenthal | 01.03.2013
    Blumenthal: Herr Mrasek, welches Risiko geht von den Futtermitteln aus?

    Mrasek: Also im Moment kann man das noch nicht genau sagen. Nach Behördenangaben ging dieser belastete Mais an insgesamt 13 Futtermittelhersteller in Niedersachsen. Daraus ist Mischfutter für Rinder, Schweine und Geflügel hergestellt worden, das heißt, nur ein Teil ist Mais in diesem Futter. Es gibt also einen Verdünnungseffekt. Die entscheidende Frage ist in ein solchen Moment: Wie stark kann dieses Mischfutter am Ende mit Aflatoxin belastet sein? Wie viel geht davon auf das Tier über? Also zum Beispiel in Fleisch, in Lebensmittel, die wir essen. Und da sagen die Behörden, im Moment, sie gehen davon aus, dass kein Verbraucherrisiko besteht. Grundsätzlich kann man sagen, Aflatoxine sind hochgiftige Naturstoffe sowohl für Tiere wie auch für den Menschen.

    Blumenthal: Was heißt "hochgiftig"? Wie gefährlich genau? Kann man dazu Grenzwerte angeben? Gibt es dazu Wertigkeiten? Was ist gefährlich und nicht gefährlich?

    Mrasek: Es gibt Grenzwerte, die sind sogar sehr, sehr scharf. Die gibt es auch schon länger, weil diese Klasse der Problemstoffe auch schon länger bekannt ist. Also grundsätzlich kann man sagen, dass sie die Leber schädigen und dass man bei chronischer Aufnahme, also wenn man länger Lebensmittel zu sich nimmt, die Aflatoxine enthalten, auch Leberkrebs bekommen kann. Dabei gibt es einen Vertreter dieser Stoffgruppe - es gibt mehrere Aflatoxine - den hat man besonders im Visier, das ist das Aflatoxine B1, das ist das stärkste bekannte natürliche Krebsgift und wird vor allen Dingen auch als human karzinogen eingestuft, das heißt, das ist erwiesenermaßen beim Menschen Krebs auslösend. Da gibt es gar nicht so viele Stoffe, die dieses Etikett tragen. Das kommt jetzt nicht nur aus Hinweisen aus Tierversuchen, sondern es gibt Beschreibungen von Fällen in Thailand und Afrika. Da hat man zum Beispiel zeigen können, dass die Leberkrebsraten dort erhöht sind, wo die Leute oft verschimmeltes Getreide zu sich nehmen, wo dann diese Aflatoxine enthalten sind. Und was die Tierhaltung angeht, da gibt es auch ein Risiko natürlich für Nutztiere. Da gibt es einen berühmten Fall aus dem Jahr 1960, als man erstmals auf diese starke Giftwirkung von Aflatoxin aufmerksam wurde. Das war in England, da gingen über 100.000 Truthähne und Enten an Leberschäden zu Grunde. Da hat man festgestellt, sie hatten verschimmeltes Erdnussfutter erhalten. Und die Analysen förderten dann eben Aflatoxine zu Tage. Und seitdem weiß man über diese große Gefahr, die von diesen Schimmelpilzgiften ausgeht.

    Blumenthal: Und wie kommen diese Aflatoxine nun in die Futtermittel, also in den Mais hier im konkreten Fall?

    Mrasek: Also diese Aflatoxine, das sind so genannte Lager-Toxine,das heißt, die entstehen bei der unsachgemäßen Lagerung von Getreide oder von anderen Nahrungsmitteln, oder eben auch von Futtermitteln. Und typischerweise kommt so etwas in feuchtwarmen oder feuchtheißen Klimazonen vor, also Subtropen oder Tropen, bei Temperaturen so ab 20°, 30°, 40°. Das sind ideale Bedingungen für Schimmelpilze und eben auch für diese Aspergillus-Arten, die Aflatoxine bilden. Die kennt man auch als Giesskannenschimmel. Also das ist Giesskannenschimmel, der diese Aflatoxine produziert . Jetzt hört man ja, diese Futtermittel kommen aus Serbien und kann sich vorstellen, dass vielleicht bei der Ernte zum Beispiel besondere Feuchtigkeit geherrscht hat und dass sie dann vielleicht im Herbst geerntet wurden, dieser Mais, und dass sich dann diese hohe Schimmelpilzbelastung und Aflatoxin-Belastung eingestellt hat.

    Blumenthal: Das ganze ist jetzt aufgeflogen, als man Milchprodukte untersucht hat und dann diese Schimmelpilz Giftspuren wahrscheinlich dort gefunden hat. Wie funktioniert das? Das ist verfüttert worden, an Kühe, die haben Milch gegeben, dann wird diese Milch zusammengeführt, verdünnt und so weiter und sofort. Wie ist dieser ganze Prozess, diese ganze Nahrungskette eigentlich?

    Mrasek: Das war in der Tat so, dass das Produkt eines Hofes, eine Rohmilch, aufgefallen ist. Da hat man festgestellt, da sind erhöhte Gehalte von Aflatoxine drin. Und Rohmilch wird dann noch weiter in der Molkerei verarbeitet, so dass die Behörden sagen, dass im Moment noch keine erhöhten Werte in der Milch oder dergleichen festgestellt worden sind. Es gibt ein Phänomen, das nennen die Experten Carry over, das weiß man: Also bei Schafen und auch bei Kühen, die mit belastetem Futter gefüttert werden, gehen diese Toxine, diese Aflatoxine bekanntermaßen in die Milch über. Das kennt man, das ist ein lange bekanntes Phänomen und deswegen wird die Milch zum Beispiel eben auch untersucht und das zeigt sich jetzt auch an diesem Fall wieder. Diese Stoffe sind präsent, Sie sind ein Thema für die Lebensmittelüberwachung, für die Untersuchungsämter, die machen routinemäßig solche Untersuchungen. Milch ist aber noch nicht einmal so das Problem bei Lebensmitteln. Am häufigsten werden eigentlich Beanstandungen und hohe Werte in anderen Lebensmitteln gefunden, zum Beispiel in Pistazien, Erdnüssen, Haselnüssen, Trockenfeigen und Gewürzen. Das heißt, da muss man vielleicht auch besonders achtgeben.