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Lampenhändler: Viel geschummelt und gelogen

Für den Leuchtmittelhändler Stefan Schrader ist das ab 1. September geltende Verbot von 100-Watt-Birnen und matten Glühbirnen nicht nachvollziehbar. Für viele Lampen gebe es keinen adäquaten Ersatz. Bei den Aussagen über Verbrauch, Lebensdauer und Lichtstärke werde geschummelt.

Stefan Schrader im Gespräch mit Sandra Schulz | 26.08.2009
    Sandra Schulz: Das Ende einer Ära rückt näher, oder der Anfang vom Ende. Ab dem 1. September, also ab dem kommenden Dienstag, dürfen traditionelle Glühlampen mit einer Leistungsstärke von 100 Watt und mehr in der Europäischen Union nicht mehr vertrieben und exportiert werden. Stattdessen sollen die Europäer zur Energiesparlampen greifen. Das alles soll einem guten Zweck dienen; Hintergrund sind die Klimaziele der Europäischen Union. Welche Vorteile haben die Energiesparlampen?

    So viel also zur Habenseite der Energiesparlampen. Gleichzeitig sorgt die EU bei vielen mit diesen neuen Regeln für Empörung, dient als Beispiel für Brüsselaner Bürokratie und Regelungswut. Einer, der das ganz genau wissen muss, ist Stefan Schrader. Er ist Leuchtmittelhändler in Hamburg und jetzt am Telefon. Guten Morgen!

    Stefan Schrader: Guten Morgen!

    Schulz: Herr Schrader, wie bereiten Sie sich vor auf den 1. September?

    Schrader: Wir kaufen in größeren Mengen Hunderte von verschiedenen Leuchtmitteln ein und legen uns die aufs Lager.

    Schulz: Und was beobachten Sie bei den Kunden?

    Schrader: Es kommen immer häufiger Kunden ins Geschäft, die Hamsterkäufe machen und sich für den Rest ihres Lebens mit Leuchtmitteln eindecken, die sie für ihre Leuchten brauchen, damit sie ihre Leuchten nicht wegschmeißen müssen.

    Schulz: Sind diese Hamsterkäufe Notwehr?

    Schrader: Ja, das ist eine Notwehr. Die Leute möchten sich da nicht bevormunden lassen und hängen an ihrer Leuchte und möchten die auch nicht gerne wegschmeißen und es gibt häufig keinen adäquaten Ersatz dafür. Das ist einfach dummes Zeig, was da gesagt wird.

    Schulz: Aber warum ist die klassische Glühlampe denn überhaupt so ein Renner im 21. Jahrhundert noch?

    Schrader: Sie macht ein anderes Farbspektrum als Energiesparlampen. Das hat also nicht nur was mit Warmton und Weißton zu tun, sondern das Farbspektrum ist einfach ein ganz anderes, welches sich auch positiv für den menschlichen Organismus auswirkt.

    Schulz: Aber gibt es nicht inzwischen auch schon Modelle, deren Licht genauso warm und schön ist? So argumentiert ja die EU.

    Schrader: Nein, gibt es nicht. Das ist definitiv falsch.

    Schulz: Also Sie verstehen die Empörung über die neuen Regeln?

    Schrader: Ich verstehe die Empörung vollkommen, denn manch einer hat sich vor ein, zwei, drei oder fünf Jahren eine Designer-Leuchte gekauft, die vielleicht auch ein bisschen mehr gekostet hat, für 1000, 2000 Euro, die er jetzt wegschmeißen muss, weil es keinen Ersatz dafür gibt, was er da reinsetzen kann.

    Schulz: Aber jetzt geht es ja um den Klimaschutz, es geht um den Kampf gegen den Klimawandel. Ist das nicht auch ein Argument, mit dem man sagen kann, klar, die alten, die traditionellen Glühlampen finden wir schön, aber wir müssen auch nach vorne schauen, wir müssen auch in die Zukunft schauen?

    Schrader: Ich glaube, dass es so, wie es dort geschildert wird, mit der Energieeinsparung eben nicht der Wahrheit richtig entspricht, weil an vielen Seiten dort geschummelt und gelogen wird – einmal was die Energiesparlampen tatsächlich verbrauchen, bei dem, was sie an Lichtstärke hergeben sollen, wird geschummelt, an der Lebensdauer wird geschummelt, die Wärme wird nicht berücksichtigt, die von einer Glühlampe in einem Haushalt abgegeben wird. Die Hitze ist ja nicht verloren, wie immer argumentiert wird. Da wird also an ganz, ganz vielen Stellen geschummelt und gelogen.

    Schulz: Was fürchten Sie denn, was droht den Verbrauchern, wenn die neuen Regeln ab dem 1. September greifen?

    Schrader: Den Verbrauchern droht: Erst mal werden sie häufig keine Leuchtmittel mehr kriegen für ihre Leuchten. Das heißt, der eine oder andere Kunde muss hier oder da sich eine neue Leuchte anschaffen. Das ist ja auch, ich sage mal, letztlich die ganze Strategie, die dahinter steckt, welches die Politiker nur noch nicht durchschaut haben, dass die großen Konzerne wie Philipps, Osram, John Electric dahinter stecken. Die möchten diese Leuchtmittel vom Markt haben, damit dann der Verbraucher sich eine neue Leuchte kauft. Die kaufen sich dann von anderen Firmen zwar neue Leuchten, zum Beispiel einer Firma Massive, die vor einem Jahr von der Firma Philipps gekauft worden ist. Die großen Firmen haben für Milliardenbeträge andere Leuchtenhersteller aufgekauft in den letzten Jahren.

    Schulz: Umgekehrt sind Sie jetzt natürlich auch an der Quelle. Stehen Sie da nicht in der Pflicht, auch im Sinne der Umwelt für diese neuen Lampen und für diese Klimaziele zu werben?

    Schrader: Das tun wir. Es gibt Einsatzbereiche zum Nachrüsten, wo man sagen kann, da macht das Sinn, da kann man gut auch mal so eine Energiesparlampe einsetzen. Aber das sind halt nur begrenzte Bereiche und es ist ein kleiner Bereich, wo man solche Sachen einsetzen kann.

    Schulz: Welche Bereiche sind das?

    Schrader: Da, wo die Lampe, sage ich mal, mehrere Stunden, drei, vier oder fünf Stunden kontinuierlich brennt und es auf eine Lichtqualität nicht unbedingt ankommt. Da kann man dann auch mal zum Nachrüsten diese Energiesparlampen einsetzen, die jetzt so stark propagiert werden. Man muss ja auch mal bedenken, dass diese Energiesparlampen, die jetzt so propagiert werden, immer ein eingebautes Vorschaltgerät haben, was man immer mit wegschmeißt.

    Schulz: Jetzt ist es natürlich auch so: Sie als Lampenverkäufer nehmen möglicherweise auch Schaden daran, dass diese Energiesparlampen ja länger halten sollen, sodass Sie seltener Lampen verkaufen. Ist das vielleicht auch einer der Gründe, warum Sie gegen die neuen Modelle polemisieren?

    Schrader: Nein, überhaupt nicht, denn man hat ja bei diesen ganzen Energiesparlampen gesehen:, die mittlere Lebenserwartung liegt bei in etwa 3500 Betriebsstunden. Viele Energiesparlampen sind schon gleich in der ersten Minute kaputt, weil die Verbraucher nicht wissen, dass sie die nicht dimmen können. 98 Prozent aller Energiesparlampen, die auf dem Markt sind, sind einfach nicht dimmbar. Da ist schon mal das erste riesengroße Problem. Und an einer Energiesparlampe verdient man ja auch mehr Geld prozentual zu einer normalen Glühlampe.

    Schulz: Sie haben das gerade schon geschildert, wie Sie sich jetzt auf diesen 1. September, auf diese erste Stufe vorbereiten. Welche Lampen sind denn bei Ihnen jetzt besonders gefragt?

    Schrader: Besonders gefragt ist die 100-Watt-Glühlampe, weil die Masse der Bevölkerung eben noch nicht verstanden hat, wie kompliziert und umfangreich eigentlich dieses Gesetz ist, welches jetzt im September greift. Die meisten denken, es fliegt ja erst mal nur die 100-Watt-Glühlampe raus. So ist es nicht, sondern es fliegen alle mattierten Lampen raus und alle silizierten Lampen, das heißt alle Pastellfarbtöne. Alles, was eigentlich das Licht angenehm in dem Wohnraum auch gestaltet und macht, fliegt raus. Es sind über 1000 verschiedene Leuchtmittel, die jetzt über dieses EU-Gesetz vom September aus dem Markt gedrückt und gefegt werden.

    Schulz: Und die Lampen sind Ihr täglich Brot. Was macht denn die traditionelle Glühlampe so besonders?

    Schrader: Die traditionelle Glühlampe kann man dimmen, um ein gemütliches, ganz warmes Licht zu machen. Sie strahlt Wärme aus.

    Schulz: Und wofür steht kulturell für Sie die Energiesparlampe?

    Schrader: Wo steht kulturell die Energiesparlampe? - -

    Schulz: Ist das ein Stück, in dem wir uns von der Kultur entfernen, oder ist das gerade ein Fortschritt, ist es vielleicht auch der Blick in die Zukunft?

    Schrader: Es gibt ja vereinzelt noch Kohlefadenlampen, die besonders schön aussehen, die ja auch jetzt über die EU aussterben, die man gut in rustikalen Leuchten einsetzt, in alten Gebäuden verwendet. Mit der Energiesparlampe verlieren wir auch ein Stück Kultur.

    Schulz: Das war Stefan Schrader heute in den "Informationen am Morgen". Er ist Leuchtmittelhändler in Hamburg. Haben Sie herzlichen Dank.

    Schrader: Bitte!