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Landschaftslinien

Das Kölner Käthe Kollwitz Museum widmet dem druckgrafischen Werk von Max Uhlig eine umfassende Ausstellung. Die Retrospektive zeigt den typischen Stil des Dresdner Malers und Zeichners mit seiner Betonung auf Farbfäden und Linien.

Christiane Vielhaber im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske | 23.01.2013
    Doris Schäfer-Noske: Für die Ahnengalerie der Bundeskanzler wählte Gerhard Schröder ein Heldenbild seines Freundes Jörg Immendorff, der ihn idealisierte und sein Gesicht ganz in Gold erstrahlen ließ. Schröders Porträt in der Galerie ehemaliger niedersächsischer Ministerpräsidenten stammt dagegen von einem anderen Künstler und sieht auch ganz anders aus. Max Uhlig hat es gemalt. Und es ist kein geschöntes Gemälde in Hofmaler-Manier, sondern ein typisches Bild des Künstlers - schwarz-weiß mit vielen Strichen. Porträts und Landschaften von Max Uhlig stehen nun im Mittelpunkt einer Ausstellung im Käthe Kollwitz Museum in Köln. - Christiane Vielhaber, das Schröder-Bild ist aber dort vermutlich nicht zu sehen, oder?

    Christiane Vielhaber: Nein, und ich kann mir auch gut vorstellen, warum Max Uhlig noch nicht mal eine Vorzeichnung dazu gezeigt hat. Dazu möchte ich sagen, dass ich das damals von Gerhard Schröder sehr mutig fand, sich von jemand porträtieren zu lassen, der Gesichter eigentlich nur aus Farbfäden zusammensetzt, bis man aus der Distanz so etwas wie ein Abbild erkennen kann, und im Gegensatz zum Beispiel zu Helmut Schmidt, der sich ja auch von einem DDR-Maler, nämlich Bernhard Heisig, hat porträtieren lassen, aber das in der klassischen expressionistischen Manier. Es war eigentlich für mich sehr berührend, als ich jetzt Max Uhlig traf, und ich sagte, wie ist das damals gelaufen, und dann sagte er: Sie müssen sich vorstellen, wie enttäuscht ich war: Er lässt sich von mir porträtieren und geht dann zu einem, der so was von staatstreu war und linientreu war, nämlich Willi Sitte, und eröffnet, nachdem er schon nicht mehr Bundeskanzler war, das Museum von Willi Sitte. Und das kann ich mir vorstellen, dass einen das unheimlich schmerzt.

    Schäfer-Noske: Welche Rolle spielte denn Uhlig in der DDR-Zeit?

    Vielhaber: Er war sicherlich ein Stiller, und das liegt an dem Medium. Er ist eben nicht wie die anderen staatstragenden Maler oder auch die dann hier berühmt waren - ich sagte schon Heisig oder Mattheuer oder Werner Tübke -, er neigte nicht zum großen Format, er neigte nicht zur Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte, sondern er hat zuerst mal Schrift studiert beziehungsweise gelernt und dann schaffte er es an die Dresdener Akademie. Dann schaffte er durch den Einsatz seines Lehrers, des bedeutenden Künstlers Hans Theo Richter, den Sprung an die Berliner Akademie der Künste, wo eigentlich nur ein bis zwei oder manchmal auch gar keiner angenommen wurde. Er hatte dann die Wahl - das war schon in Dresden und das ist typisch für ihn: Man musste sich in der DDR entscheiden für Skulptur, Grafik oder Malerei. Malerei war damals in den Händen von Lea Grundig, auch eine ganz Linientreue. Und dann hat er sich gesagt, das nicht. Bei Skulptur - das sieht man auch in dieser Ausstellung - ist er den anderen Weg gegangen. Er liebte die Skulpturen von Rodin oder Marini und hat das Dreidimensionale in das Zweidimensionale übersetzt. Also das ist auch schon eine Leistung. Ich denke aber, seine größte Leistung ist auf dem grafischen Gebiet, auf dem Steindruck, und da hatte er die Chance, über schöne Umwege eine Presse zu kriegen, und hat eigentlich sein Geld damit verdient, dass er 20 Jahre lang für Kollegen Steindruck, also Lithografie gemacht hat.

    Schäfer-Noske: Was ist denn nun genau in der Ausstellung in Köln im Käthe-Kollwitz-Museum zu sehen?

    Vielhaber: Es geht um Mensch und Landschaft und beeindruckend ist, wenn er Menschen zeichnet, die manchmal aussehen wie geteert und gefedert, also alles Linien, fast zittrige Linien. Manches erinnert am Anfang an Giacometti-Porträts, aber dann gibt es Landschaften von Böschungen an der Elbe und so, wo man ein Gespinst von Linien sieht, und dann kann man sich vorstellen, wie das da wirklich aussieht. Sehr toll fand ich am Schluss: Das erste, was er nach der Wende gemacht hat, ist, mit seiner Frau, mit seiner zweiten Frau, die in Deutschland lebte und arbeitete, erst mal ganz schnell nach Frankreich zu fahren. Dann hat er in Südfrankreich sich ein Hütchen gekauft, und da sind am Schluss Zeichnungen von Rebstöcken, wo man das Gefühl hat, die sind ihm genauso wichtig wie die Büsten von Menschen oder diese Köpfe, dass das einfach Persönlichkeiten sind. Und dann sieht man wieder das Tolle seiner Linienführung und die tolle Umsetzung auch in ein grafisches Medium.