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Landtagswahl Mecklenburg-Vorpommern
Kreuz und Kreuzchen

In den 50er-Jahren gab es von der Kanzel klare Wahlempfehlungen für die C-Parteien, mittlerweile sind die Kirchen zurückhaltend. Besonders schwierig ist das Verhältnis zur AfD. Einige Kirchenvertreter haben erklärt, die Partei sei für Christen nicht wählbar, andere warnen vor Ausgrenzung und Bevormundung. Ein evangelisch-katholisches Stimmungsbild vor der Landtagswahl.

Von Michael Hollenbach | 31.08.2016
    Fotomontage zeigt verschiedene Wahlmöglichkeiten auf dem Wahlzettel zur Bundestagswahl 2013.
    Fotomontage zeigt verschiedene Wahlmöglichkeiten auf dem Wahlzettel (imago / Manngold)
    Die evangelische und die katholische Kirche in Mecklenburg-Vorpommern haben ein gemeinsames Bischofswort zur Wahl formuliert. Darin heißt es:
    "Dabei sind vermeintliche Lösungen, die die parlamentarische Demokratie, den Rechtsstaat und die Grundrechte in Frage stellen, für Christinnen und Christen nicht akzeptabel und Parteien, die solches vorschlagen, nicht wählbar."
    Doch konkret als eine Warnung vor der AfD will das Andreas von Maltzahn nicht verstanden wissen. Er ist Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der evangelischen Nordkirche. Er sagt: "Unsere Aufgabe als Kirche besteht nicht darin, einzelne Parteien zu beurteilen, sondern wir erinnern an die Position des christlichen Glaubens und bringen das in die Meinungsbildung der Gesellschaft mit ein. Und da ist ganz klar: Fremdenfeindlichkeit ist mit unserem Gauben nicht zu vereinbaren. Es gibt das Gebot Gottes, den Fremden zu achten und den Schutzbedürftigen zu helfen. Ich nehme schon wahr, dass die AfD an diesem Punkt ein gehöriges Problem hat. Es gibt keine klare Aussagen zur Religionsfreiheit, es gibt Vertreter der AfD, die sich rassistisch äußern, es gibt Vertreter der AfD, die sich antisemitisch äußern, von daher kann man schon ein großes Problem damit haben."
    Und sein Greifswalder Bischofskollege Hans-Jürgen Abromeit ergänzt: "Die AfD ist eine große Herausforderung für den ordentlichen demokratischen Diskurs, denn hier vermischen sich Halbwahrheiten mit abenteuerlichen Behauptungen und wir werden gut daran tun als Demokraten, hier mit guten Argumenten darauf zu antworten."
    Frank Hoffmann, Propst der katholischen Kirche in Vorpommern, hält aber nichts von einer Ausgrenzung der AfD wie zum Beispiel beim Leipziger Katholikentag Ende Mai. Dort wollte man lieber nicht mit AfD-Politikern diskutieren, sie wurden ausdrücklich nicht auf Podien eingeladen.
    "Das ist ja nicht die Form unserer politischen Auseinandersetzung", meint Hoffmann. "Politische Kultur ist inhaltliche Auseinandersetzung mit Positionen und dann zeigt sich ja, ob Parteien in der Lage sind, Deutschland mitzugestalten. Da werden Gespräche nötig sein. Gespräch heißt ja nicht Einverständnis, sondern heißt eine Auseinandersetzung mit den Positionen der Parteien."
    Den beiden großen Kirchen ist anzumerken, dass sie noch auf der Suche sind, wie sie sich zur AfD verhalten sollen. Einerseits trifft man auf Kirchenpräsidenten wie Volker Jung aus der evangelischen Kirche Kurhessen-Nassau, der klar sagt, für ihn sei die AfD nicht wählbar. Andere – wie der Greifswalder katholische Propst Frank Hoffmann – wollen die Rechtspopulisten nicht ausgrenzen: "Ich denke, dass es zu früh ist: AfD wählen oder nicht wählen? Sondern dass es darauf ankommt, mit der AfD ins Gespräch zu kommen. Wenn sie dann im Landtag ist, wird man sie an ihrem Verhalten messen müssen."
    "Das ist eine hochspannende Debatte, die da jetzt stattfindet", diagnostiziert der Münsteraner Historiker Thomas Großbölting. "Dieser Zuschnitt einer Kirche im Sinne einer Volkspartei, einer Catch-all-Party, die ganz links und ganz rechts funken kann und all diese Leute integriert, die bricht in dem Moment, wo man Positionen feststellt wie bei der AfD, bei der Pegida-Bewegung, die eben nicht mehr christlich vereinbar sind. Und wo diese roten Linien sind, das zu bestimmen, das ist die eigentliche Herausforderungen, vor der die Kirchen sich sehen."
    Beide Kirchen hätten sich im Zusammenhang mit der Pegida-Bewegung und der AfD früh von fremdenfeindlichen Positionen distanziert: "Auf der anderen Seite sieht man gerade im Bereich der EKD, dass man durchaus versucht, diejenigen, die sich von Parolen der AfD und Pegida angesprochen fühlen, die nicht eindeutig vor den Kopf zu stoßen, sondern als Kirche noch Gesprächsforen zu bieten."
    Thomas Großbölting verweist darauf, dass die kirchlichen Aussagen zur Wahl, die heute eher indifferent seien, in der Frühphase der Bundesrepublik – zumindest bei den katholischen Bischöfen – sehr deutlich ausfielen:
    "Auch wenn der Name CDU nicht fällt, ist das doch sehr unverblümt eine Wahlempfehlung für die christdemokratische Partei. Das lässt sich gut erklären daraus, dass die CDU in ihren Anfängen trotz eines überkonfessionellen Anspruchs eine sehr stark katholisch geprägte Partei gewesen ist, und so wie man in der Weimarer Republik zwischen Zentrum und katholischer Kirche eine enge Allianz hatte, setzt man das in den 50er Jahren auch fort."
    Kirchen wurden pluraler
    Doch seit Mitte der 60er-Jahre ist die katholische Kirche in ihren Wahl-Hirtenbriefen nicht mehr so eindeutig, bei wem ein guter Katholik sein Kreuzchen machen soll: "Es gibt Ende der 70er-Jahre einen letzten Versuch von bestimmten Teilen der Bischofskonferenz, eine solche Wahlempfehlung noch einmal zu lancieren, aber man erntet innerkatholisch so viel Kritik, dass man diesen Versuch nicht noch einmal unternimmt. Was wir da sehen können, ist, dass die Kirchen, das gilt für die katholische wie für die evangelische, ja durchaus pluraler werden."
    Auch die evangelische Kirche sei – so Großbölting – bis Anfang der 60er Jahre durchaus etatistisch geprägt gewesen und hätte eine Nähe zur Adenauer-CDU aufgewiesen. Das sollte sich dann aber ändern: "In den 60er, 70er Jahren gibt es beim bundesdeutschen Protestantismus eine Linkswendung, man öffnet sich zur Sozialdemokratie hin, und gerade in den 70er und 80er Jahren gilt der protestantische Pfarrer als ein Vorposten der Sozialdemokratie in seinem Gefilde."
    Wobei sich die evangelischen Kirchen allerdings mit konkreten Wahlempfehlungen immer zurückhielten. Das sei auch gut so, meint der Historiker. Allerdings: Ein wenig profilierter könnten sich die Kirchen schon äußern. "In mancher Hinsicht wünsche ich mir auch, dass die Positionen noch klarer erfolgten, gerade das Wort der Kirchen zur Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern ist mir zu verschwurbelt, als dass man da eine eindeutige Positionierung finden könnte."
    Vielleicht ist ja ein ökumenisches Wort zur Wahl nur der kleinste gemeinsame Nenner. Eigentlich können Bischöfe wie Hans Jürgen Abromeit auch deutlichere Worte finden: "Bitte gehen Sie zur Wahl und überlegen Sie, wem Sie ihre Stimme geben. Ist das Programm der Parteien – prüfen Sie das bitte – mit den Grundüberzeugungen des Evangeliums und der Kirche vereinbar oder nicht und hier stehen wir für eine weltoffene, gastfreie Gesellschaft und da sollte sich jeder fragen, ob das mit dem Parteiprogramm der AfD zu vereinbaren ist."