"Lang lebe Mao Zedong"

Von Otto Langels · 01.10.2009
In den 1930er-Jahren lehnten sich Chinesen in einem offenen Krieg gegen die japanischen Truppen auf. Als am 1. Oktober 1949 schließlich die Kommunisten die Volksrepublik ausriefen, knüpften sich daran die Hoffnungen von Millionen Menschen.
"Das war vier Uhr nachmittags. Plötzlich kam Mao Zedong raus, und alle haben geklatscht. Und dann erklärt er und sagt: Ich annonciere, dass die Volksrepublik China von heute ist gegründet worden."

Kuan Yu Chien war unter den 300.000 Chinesen, die am 1. Oktober 1949 auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking die offizielle Proklamation der Volksrepublik China miterlebten. Die Kommunisten unter Führung Mao Zedongs hatten damit endgültig die Macht im Land übernommen und eine neue Epoche eingeleitet.

"Wir haben Hurra geschrien, und mit Tränen, und wir waren so glücklich. Zum ersten Mal habe ich von meinem Herz geschrien: Lang lebe Mao Zedong, lang lebe die Kommunistische Partei."

Bis zu diesem Tag war die Geschichte Chinas im 20. Jahrhundert überschattet gewesen von innenpolitischen Wirren, Hungersnöten, Korruption und blutiger Gewalt. In den 20er-Jahren entbrannte ein von Aufständen und Massakern begleiteter Bürgerkrieg zwischen den nationalistischen Guomindang und den Kommunisten. Hinzu kam die Besetzung und Ausplünderung durch ausländische Mächte, insbesondere Japan, bis sich die Chinesen Ende der 30er-Jahre in einem offenen Krieg gegen die japanischen Invasoren auflehnten.

Als China am Ende des Zweiten Weltkriegs befreit war, hatte es mehr als 15 Millionen Opfer zu beklagen. Doch auch danach fand das Land keinen Frieden. Erneut flammten die Kämpfe zwischen den kommunistischen Truppen unter Mao Zedong und den Guomindang unter Führung Chiang Kaisheks auf. Die Rote Armee konnte in dem "Befreiungskrieg des chinesischen Volkes" – wie die Kommunisten den Bürgerkrieg nannten - schließlich große Teile des Landes besetzen. Chiang Kaishek musste sich 1949 mit seinen Anhängern auf die Insel Taiwan zurückziehen, wo er die "Republik China" gründete.

Als die Massen am 1. Oktober in Peking zusammenströmten, hofften sie, dass die bitteren Erfahrungen nunmehr der Vergangenheit angehörten.
Jou Zhon, Mitarbeiter der ersten chinesischen Regierung, verfolgte damals die Gründung der Volksrepublik auf dem Tiananmen-Platz.

"Wir haben alle, alle auf diesen Tag gewartet. Und das war irgendwie eine Erfüllung der langjährigen Wünsche, und nicht nur von mir, sondern von vielen, vielen Generationen der Chinesen. Und jeder konnte sehen, dass die erste rote Fahne langsam, langsam hochgehisst wurde. Und die Militärkapelle spielte auch zum ersten Mal offiziell unsere Nationalhymne."

In der Volksrepublik übernahm Mao Zedong das Amt des Staatspräsidenten. In der Regierung unter Ministerpräsident Zhou Enlai waren zwar formal alle Bürgerkriegsparteien vertreten, faktisch aber konnten die Kommunisten ihren Führungsanspruch durchsetzen und zielstrebig die politische, ökonomische und soziale Umgestaltung der Gesellschaft vorantreiben. Großgrundbesitzer wurden enteignet, Industrie und Handel verstaatlicht, Alphabetisierungskampagnen durchgeführt, die Gleichstellung der Frau und die Abschaffung des Privateigentums propagiert, feudale Familien- und Dorfstrukturen zerschlagen. Radikale wirtschaftliche Experimente und Massenkampagnen wie der "Große Sprung nach vorn" und die "Kulturrevolution" führten in den 50er und 60er-Jahren jedoch zu wirtschaftlichen Katastrophen, sozialen Verwerfungen mit Millionen von Opfern sowie der massenhaften Verhaftung und Hinrichtung politischer Gegner.

Kuan Yu Chien, im Oktober 1949 als 18-jähriger ein glühender Anhänger Mao Zedongs, wurde ein knappes Jahrzehnt später als sogenannter Konterrevolutionär angeklagt.

"1957, wir, die wirklich mutig die eigene Meinung gesagt haben, wurden alle als Rechtselemente verurteilt. Und ich wurde sogar nach Ching Hai verbannt. Vier Jahre war ich in Ching Hai, und ich habe wirklich richtig körperlich wie ein Tier gearbeitet. Und dann ich hatte wirklich mehr, mehr Fragen in meinem Kopf: Muss das sein? Aber ich wagte damals nicht zu glauben, dass Mao Zedong falsch war."