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Langes Schweigen, wenig Auskunft

Die EU-Chemikalienverordnung sieht vor, dass der Handel auf Nachfrage zumindest über einige problematische Inhaltsstoffe in seinen Produkten informieren muss. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz hat getestet, wie der Handel seine Auskunftspflicht erfüllt.

Von Ralph Ahrens | 13.09.2010
    Kleider, Spielzeug oder Teppiche ohne gefährliche Inhaltsstoffe zu kaufen, ist nicht einfach: Über solche Stoffe muss nicht informiert werden, auch Verkäufer wissen selten Bescheid. Ein Beispiel: Auf die Frage, ob ein Bodenbelag aus dem Kunststoff PVC umstrittene Weichmacher enthält, antwortet ein Verkäufer in einem Kölner Baumarkt:

    "Das weiß ich jetzt leider nicht. Aber wir haben die Möglichkeit, über eine Anfrage herauszufinden oder für Sie zu erfragen, was da genau drin ist."

    Denn Kunden haben ein Auskunftsrecht über einige giftige Inhaltsstoffe - die so genannten ‘Kandidatenstoffe'. Das sind Chemikalien, die so gefährlich sind, dass die EU ihren Einsatz streng prüfen und eventuell sogar verbieten will. Einige dieser Stoffe können Krebs auslösen, andere beeinträchtigen die Fruchbarkeit oder schädigen die Umwelt. Wie der Handel seine Auskunftspflicht erfüllt, hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland getestet: Er ließ bei 24 Handelsketten erfragen, ob Knete, ein Bodenbelag oder Regenstiefel einen dieser Stoffe enthält. Das Ergebnis stellt Jurek Vengels nicht zufrieden.

    "Wir haben einige Firmen, die innerhalb kurzer Zeit auch korrekte Antworten gegeben haben. Wir haben aber auch viele Firmen, die entweder um den heißen Brei drumherum reden - also gar keine konkrete Antwort auf unsere Fragen gegeben haben. Und wir haben leider auch einige Unternehmen, die gar nicht oder falsch geantwortet haben."

    Sieben Händler antworteten aus Sicht des Verbands korrekt und rechtzeitig. Doch vier Händler informierten selbst auf Nachfrage nicht. Fünf machten sogar falsche Angaben - wie etwa die Drogeriekette DM bei einem Massageschwamm.

    "Die Antwort war dann, dass dieses Produkt also regelmäßig auf Schadstoffe untersucht werden würde und wir uns also ganz sicher sein könnten, dass es ein sicheres Produkt ist. Tatsächlich waren aber etwa sieben Prozent des Weichmachers DEHP enthalten, der die Fortpflanzung schädigt."

    Der BUND will diese Ergebnisse an die Behörden weitergeben. Ein Bußgeld ist möglich. Dem Verband geht es aber nicht um Strafen, sondern um Produkte, die Schadstoffe gar nicht erst enthalten. Jurek Vengels:

    "Das würden wir uns sehr wünschen, dass sich die Handelsketten in Deutschland auch dazu bekennen, solche Stoffe, die auch schon heute als besonders besorgniserregend gelten, möglichst schnell aus ihren Produkten auszulisten."

    Zum Teil geschieht das bereits. Andreas Krämer ist Pressesprecher beim Handelskonzern REWE, zu dem Super- und Baumärkte gehören.

    "In unseren Eigenmarken wollen wir keine Kandidatenstoffe haben oder aber - da die Liste ja fortgeschrieben wird - dass dann schnellstmöglich daran gearbeitet werden muss, einen solchen neuen Kandidatenstoff zu ersetzen."

    Und REWE nimmt die Auskunftspflicht ernst. Jede Anfrage - etwa die, ob ein Bodenbelag bestimmte Weichmacher enthält - wird an die Firmenzentrale gefaxt. Dort wird recherchiert und anschließend der Kunde informiert, erklärt der Verkäufer aus dem Baumarkt.

    "Sie bekommen innerhalb von 45 Tagen die Antwort. Wir rufen Sie an. Wir können es auch schriftlich zukommen lassen. Kein Problem."

    Der Handelskonzern antworte zwar wenn möglich früher, aber ab und an brauche es Zeit, die Informationen etwa von Herstellern aus Fernost zu erhalten, begründet REWE eine auch mal längere Bearbeitungsdauer. Trotz dieser Wartezeit glaubt Jurek Vengels vom Umweltverband BUND, dass das Auskunftsrecht zu sichereren Produkten in den Regalen der Geschäfte führen wird.

    "Ja, wir denken schon, dass die Verbraucher, wenn sie einmal wissen, dass ein Produkt einen Schadstoff enthält, auch zweimal hinsehen werden und sich genau überlegen werden, ob sie dieses Produkt wirklich kaufen wollen. Dass dadurch natürlich auch ein gewisser Druck entsteht auf die Handelsketten, auf die Hersteller, solche Produkte in Zukunft dann durch Alternativen zu ersetzen."