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Langfristig ist auch deutsches Rating gefährdet

Die Eurokrise ist längst noch nicht überwunden, meint Ansgar Belke, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen. Italien müsse seinen Reformprozess fortsetzen. Sollte der Wahlausgang das verhindern, werde das Auswirkungen für die gesamte Eurozone haben.

Ansgar Belke im Gespräch mit Sina Fröhndrich | 26.02.2013
    Sina Fröhndrich: Das Wahlergebnis hat für ordentlich Unruhe gesorgt – dabei war doch zuletzt so etwas wie Ruhe an den Finanzmärkten eingekehrt nach den Worten von EZB-Präsident Mario Draghi, der angekündigt hatte, man werde unbegrenzt Staatsanleihen der Krisenländer aufkaufen. Kehrt mit der Italien-Wahl die Unruhe langfristig zurück? Dazu Fragen an den Wirtschaftswissenschaftler Ansgar Belke.
    Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft in der Eurozone, ein wichtiger Dominostein – droht der nun zu kippen?

    Ansgar Belke: Ja, wir müssen auf der einen Seite die makroökonomische Lage des Landes sehen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass wir eine geringe Wettbewerbsfähigkeit haben, die im Wesentlichen begründet ist durch eine zu geringe Produktivität und auch geringe Arbeitsmarktflexibilisierung. Viel schlimmer ist es aber, dass Italien hinsichtlich seiner Institutionen insgesamt schlecht beurteilt wird von der Weltbank. Die Global Governance Indikatoren sagen eindeutig, dass die Qualität des Regierungshandelns besonders schlecht gewährleistet ist, und das ist das große Problem. Und gleichzeitig wird Italien gehalten dadurch, dass die EZB interveniert zugunsten Italiens und auch Anleihekäufe anvisiert für den Fall, dass die Zinsen auf italienische Staatsanleihen wieder ansteigen. Insofern fällt der Dominostein nicht, obwohl gerade im Bereich der politischen Strukturen hoher Verbesserungsbedarf ist und auch ein Schwebezustand in der Politik erreicht ist, sozusagen griechische Verhältnisse, aber die EZB verlässlich im Hintergrund steht. Ob das nun gut oder schlecht ist, das Gleichgewicht, vermag ich hier nicht zu sagen.

    Fröhndrich: Auch wenn der Dominostein nicht fällt, so wird schon deutlich, dass die italienische Wahl auch schon Folgen für Portugal und Spanien hat. Für die wird es heute teurer, sich Geld an den Finanzmärkten zu leihen. Reagieren die Märkte denn dann über?

    Belke: Die Märkte sehen, dass die Geldpolitik der EZB, die die Länder wie Italien schützt und auch Populisten in der Regierung schützen würde, nicht geeignet ist, dauerhaft strukturelle Änderungen herbeizuführen. Gerade Portugal ist ein Land, was sich eine höhere Wettbewerbsfähigkeit erarbeitet hat und sich viel strenger an die Auflagen der Troika hält, als es beispielsweise Griechenland macht, und deshalb halte ich es für besonders schade, dass Portugal jetzt mit infiziert wird. Aber das ist ein Systemproblem, dass es eben nicht damit getan ist, dass die Europäische Zentralbank die Anleihen dieser Länder, die sich nicht reformieren wollen, einfach schützt. Insofern können die Märkte berechtigt darauf eingehen und darauf vertrauen, dass die Notenbank auch weiter stützen wird. Aber der Friede ist ein falscher Friede und da gehen die Anleger natürlich jetzt ran.

    Fröhndrich: Wenn Sie sagen, der Friede ist ein falscher Friede, ist dann im Prinzip die Ruhe, die wir in den letzten Monaten in der Eurozone hatten, auch eine falsche Ruhe und im Prinzip ist die Euro-Krise noch längst nicht überwunden?

    Belke: Die Eurokrise ist meiner Ansicht nach noch längst nicht überwunden, weil wir im EZB-Rat viel Einfluss auch der Südländer haben, gerade auch Italien, und wir haben weniger Wachstumspotenzial in der gesamten Eurozone – dadurch, dass eben Länder wie Italien nicht hinreichend reformieren und die Populisten es ausnutzen, dass, wenn ein Staat spart und Reformen macht, kurzfristig natürlich auch das Wachstum zurückgeht. Das ist immer so gewesen, aber langfristig wären die Perspektiven besser, als es so ist.

    Fröhndrich: Sie haben das Sparen eben schon angesprochen. Aber grundsätzlich ist ja in Italien auch der Sparkurs abgewählt worden und auch aus Frankreich gibt es heute Stimmen, wo der Finanzminister Moscovici sagt, Sparen ist keine Alternative, wir müssen auf Wachstum setzen.

    Belke: Für mich sind Sparen und Wachstum kein Widerspruch. Man muss natürlich hier zwischen Ländern unterscheiden. Griechenland ist ein Fall, wo wir ganz klar in einer Wachstumsfalle sitzen und das Sparen nicht zu mehr Wachstum führt. Aber in Italien und Spanien haben wir gesehen, dass die Märkte systematisch reagieren, wenn Länder laxer sind in der Einhaltung ihrer Sparziele, und ein glaubwürdiges Sparen würde dazu führen, dass die Zinsen, die von den Märkten erwartet werden, in Zukunft geringer sind, die Steuern, die erwartet werden, geringer sind, und deshalb auch die Wirtschaft heute mehr wachsen kann, gerade weil wir sparen. Und eines ist klar: Wenn Italien so weiter macht, dann wird es auch keine Euro-Anleihen geben, keine Eurobonds, weil ja auch die Parlamente im Norden der Eurozone sich darauf verlassen müssen, dass man glaubwürdig zu diesen Entscheidungen steht und nicht die Lasten auf den Norden abgewälzt werden. Dann sinkt die Akzeptanz und wir kriegen wirklich ein Vertrauensproblem, was die Eurozone sprengen kann.

    Fröhndrich: Da möchte ich jetzt gern noch mal kurz auf Deutschland gucken. Deutschland steht ja noch relativ stabil in der Mitte dieser Eurozone. Ist das ein trügerischer Eindruck?

    Belke: Deutschland ist langfristig auf seine Handelspartner angewiesen. Wenn die Rezession im Süden der Eurozone dauerhaft wird – und danach sieht es ja in Spanien aus -, dann wird Deutschland auch auf Dauer ein Problem haben, gestärkt aus der ganzen Krise hervorzugehen, sodass ich hier eigentlich auch für Deutschland mittel- bis langfristig ein größeres Problem sehe. Dadurch, dass wir eine Art Schuldenvergemeinschaftung über die Europäische Zentralbank haben, wird das auch die Geberländer wie Deutschland stark belasten und eventuell sogar deren Rating gefährden.

    Fröhndrich: Soweit Ansgar Belke, Wirtschaftswissenschaftler an der Uni Duisburg-Essen. Mit ihm habe ich vor der Sendung gesprochen.


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