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Laptop laden ohne Kabel

Computertechnik. Drahtloses Surfen im Internet ist längst kein Problem mehr. Das einzige Kabel, das ein Laptop-Benutzer noch zwingend braucht, ist das Stromkabel. Doch ginge es nach Fachleuten des arrivierten Massachusetts Institute of Technology in Boston, könnte auch das Netzkabel in ein paar Jahren in der Recycling-Tonne landen.

Von Frank Grotelüschen | 15.11.2006
    Mehr als einmal hat sich Marin Soljacic kräftig geärgert. Denn mehr als einmal hat ihn mitten in der Nacht ein nerviges Geräusch aus dem Schlaf gerissen: Der Akku seines Handys war leer, was das Gerät mit einem elektronischen Piepton quittierte. Das muss doch nicht sein, sagte sich Soljacic. Und da er als Physiker am MIT in Boston arbeitet, fragte er sich, ob man Strom nicht auch drahtlos durch die Gegend schicken und damit Handys oder Laptops aufladen könnte.
    "Es geht uns nicht darum, Energie über lange Strecken zu transportieren. Es würde völlig ausreichen, den Strom innerhalb eines Raumes zu transportieren. Das wäre ähnlich wie heute beim Internet: Über große Distanzen läuft die Information durch Kabel beziehungsweise Glasfasern. Zu Hause oder im Büro wird sie dann über ein drahtloses Netzwerk an die Computer übertragen."

    Information wird bekanntlich über elektromagnetische Strahlung übertragen, etwa über Radiowellen. Zum Energietransport aber taugt diese Strahlung nicht. Die Verluste sind zu hoch. Stattdessen setzt Soljacic auf einen Effekt namens Induktion. Induktion bedeutet, dass ein magnetisches Wechselfeld in einem Metalldraht einen elektrischen Strom erzeugt, wie es zum Beispiel in einem Transformator geschieht. Das Problem: Halbwegs effektiv funktioniert die Induktion nur über kurze Strecken, vielleicht einige Zentimeter. Um sie auch für Strecken von einigen Metern zu nutzen, will sich der MIT-Forscher eines weiteren physikalischen Phänomens bedienen - der Resonanz.

    "Resonanzen kennt man aus der Akustik: Spielt man auf der Geige den Kammerton A und hält dann eine Stimmgabel daneben, dann fängt die Stimmgabel an zu schwingen, denn man hat genau ihre Resonanzfrequenz getroffen. Es wird also Energie von der Geige auf die Stimmgabel übertragen. Und genau dieses Phänomen wollen wir zur kabellosen Stromübertragung nutzen, und zwar mit Hilfe spezieller elektromagnetischer Resonanzeffekte."

    Das Aufladegerät entspricht der Geige, der Laptop entspricht der Stimmgabel, welche die Energie aufnimmt. Das Aufladegerät ist auf eine Resonanzfrequenz von einigen MHz eingestellt. Und nur die Geräte, die genau auf diese Frequenz eingestellt wären, würden die Energie empfangen - ebenso wie die Stimmgabel nur dann zu schwingen beginnt, wenn man haargenau ihre Frequenz trifft, den Kammerton A. So weit, so gut – aber wie soll das Ganze in der Praxis aussehen?

    "In unserer Arbeit haben wir zwei sehr simple Konstruktionen untersucht, die bereits ziemlich gut funktionieren sollten: Zum Übertragen der Energie könnte eine schlichte Scheibe mit bestimmten elektrischen Eigenschaften dienen. Man könnte sie zum Beispiel an die Zimmerdecke hängen. Zum Empfang der Energie könnte eine simple Schlaufe aus Kupferdraht dienen, kombiniert mit einem einfachen elektrischen Schaltkreis. "

    Das Resultat: Man könnte es sich schenken, Laptop oder Handy an die Steckdose zu hängen. Stattdessen würden sie sich automatisch selber aufladen, sobald man Büro oder Wohnung betritt. Aber ist diese Technik nicht womöglich gefährlich für die Gesundheit?

    "Zwei Objekte, die in Resonanz schwingen, tauschen viel Energie aus. Doch Objekte, die zwar in der Nähe sind, aber andere Resonanzfrequenzen haben, empfangen kaum Energie. Und da der menschliche Körper auf die Frequenzen, die wir verwenden wollen, nicht anspricht, wird er durch diese Technik auch nicht belastet. Ein Risiko für die Gesundheit ist also nicht zu befürchten."

    Noch aber ist das alles graue Theorie. Soljacic und seine Kollegen haben bislang nur eine Machbarkeitsstudie basierend auf Computersimulationen veröffentlicht. Erste Experimente sollen bald folgen. Vor allem manch technologisches Detail ist noch offen. Zum Beispiel gehen die Forscher bislang davon aus, dass der Empfänger, also die Kupferschlaufe, einen Durchmesser von mindestens einem halben Meter haben müsste, damit die Stromübertragung vernünftig funktioniert. Doch wie sich das in ein Laptop oder gar ein Handy integrieren ließe, darauf kennen die Forscher vom MIT bislang noch keine Antwort.