Donnerstag, 25. April 2024

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Laptop statt Fernseher

Markus Beckedahl, Mitorganisator des Blogger-Kongresses "re:publica'08" misst den Internetangeboten der öffentlich-rechtlichen Sender große Bedeutung bei. Die über Gebühren bezahlten Inhalte sollten aus seiner Sicht auch über das Netz nutzbar sein. "Wir wollen nicht weiterhin alte Fernseher bei uns stehen haben, so alte Kommunikationsmedien, die uns eigentlich sonst keinen Sinn mehr geben", sagte Beckedahl.

03.04.2008
    Karin Fischer: Das Leben im Netz ganz allgemein und die Blogger-Kultur im Besonderen sind ja noch nicht so alt. Dennoch haben sie sich unendlich ausdifferenziert. Es gibt alles und jedes, und wenn nicht, dann spricht man wenigstens bei "re:publica'08" darüber, dem diesjährigen Kongress für Blogger und andere Netzbewohner in Berlin. "Beten per Mausklick" oder "Polizei 2.0 - hat der Dorfsheriff ausgedient?" sind zwei der vielleicht abseitigeren Themen. Aber natürlich geht es vor allem ums Grundsätzliche. die Zukunft sozialer Netzwerke oder Fragen nach mehr Möglichkeiten für demokratische Mitbestimmung via Netzkultur

    Markus Beckedahl hat den Kongress mitorganisiert. Herr Beckedahl, in letzter Zeit sind die Blogger in der breiten Öffentlichkeit eher negativ zur Kenntnis genommen worden. Es herrsche ein Klima der Anmache, der Verunglimpfung, sogar der Denunziation im Netz, heißt es. Sind das Einzelfälle, oder sollte man lieber nicht mehr von einer Netzkultur sprechen?

    Markus Beckedahl: Ich kann jetzt nicht genau sagen, ob es sich um Einzelfälle handelt. Man muss aber realisieren, dass Bloggen an sich, im Internet publizieren in seinen vielfältigsten Formen, eine Kulturtechnik geworden ist. Und so vielfältig, wie unsere Gesellschaft ist, so vielfältig sind die Ausdrucksmöglichkeiten im Internet. Und da gibt es ebenso, wie es in unserer Gesellschaft viele Menschen gibt, die vielleicht bisher unbemerkt in ihrem Schlafzimmer oder Wohnzimmer unflätige Bemerkungen von sich geben, gibt es die auf einmal sichtbar im Netz.

    Fischer: Auch die sozialen Netzwerke sind ja kritisch beäugt worden. Auf der einen Seite haben Plattformen wie StudiVZ oder SchülerVZ riesigen Zulauf. Und auf der anderen Seite gibt es keinerlei Kontrolle darüber, ob die 15-jährige Lisa nicht vielleicht ein 55-jähriger Ludger ist.

    Beckedahl: Ja, das hat Vor- und Nachteile. Der große Vorteil ist, dass eine fehlende, eindeutige Identifizierung natürlich eine Pseudonymisierung oder gar Anonymisierung ermöglicht. Man möchte ja auch im realen Leben nicht immer genau als die Person erkannt werden, die man ist, wenn man halt unbemerkt durch die Straßen geht oder abends in ein Konzert oder auf eine Party. Andererseits hat man natürlich das Problem, wenn man sich in sozialen Netzwerken aufhält, dann ist das quasi Privatbesitz. Das heißt, man muss die Hausregeln beachten. Und das sind nicht immer die Regeln des öffentlichen Lebens.

    Fischer: Die Geschichte mit der Authentizität hat natürlich auch noch philosophische Dimensionen, die wir jetzt hier nicht in allen Einzelheiten klären können. Was wären denn aber in dieser Hinsicht Ihre Forderungen für eine zeitgemäße, aber eben auch sozusagen datenschützende Netzpolitik?

    Beckedahl: Oh, da weiß ich gar nicht, wo ich genau anfangen soll. Da haben wir viele Forderungen, beispielsweise, dass wir endlich mal ein zeitgemäßes Urheberrecht bekommen. Das Urheberrecht wurde immer weiter verschärft, aber die gesellschaftlichen Realitäten sind ganz woanders. Und man versucht, quasi die gesellschaftlichen Realitäten an das Urheberrecht anzupassen. Und man müsste eigentlich genau das Gegenteil tun. Man müsste halt das Urheberrecht an die gesellschaftlichen Realitäten anpassen. Das ist ein Punkt. Der andere Punkt ist, warum gibt es im Netz in unserer digitalen Kommunikation denn nicht diese anonymen Rückzugsräume, die wir im realen Leben noch haben? Beispielsweise, wenn ich mit meiner Freundin in meinem Schlafzimmer unterhalte, hat der Staat dort noch nichts zu suchen. Aber wieso darf der Staat im Netz eigentlich ganz viel belauschen und mithören? Hier brauchen wir halt technische Anpassung an die reale Welt und nicht auch in der realen Welt quasi noch mehr Überwachung.

    Fischer: Zu einem anderen Thema, nämlich die Debatte Blogger versus Journalismus, also Neues versus altes Medium. Sind wir in Deutschland denn da schon auf einem ernstzunehmenden, ich sage jetzt mal, investigativen Niveau angekommen? Ich habe nicht so den Eindruck.

    Beckedahl: Blogs sind eine Kulturtechnik, die halt von der breiten Öffentlichkeit immer mehr angewendet wird. Und diejenigen, des journalistisch nutzen, dieses Werkzeug, die liefern mittlerweile auch schon eine ganze Menge sehr schöne Beispiele in Nischen, die infolge von Medienkonzentration und infolge von Sparmaßnahmen bei den traditionellen Medien freigeworden sind.

    Fischer: Morgen wird auf Ihrem Kongress der öffentlich-rechtliche Rundfunk und dessen Weg ins Netz Thema sein. Die Internetstrategie der ARD soll dabei einem Realitätscheck unterzogen werden. Fall es diese Strategie überhaupt gibt, wie würde der Realitätscheck Ihrer Ansicht nach ausfallen?

    Beckedahl: Wenn man sich die Internetangebote oder geplanten Angebote von ARD, ZDF und Arte anschaut, so werden uns dafür bis zu sieben Tagen einige, leider auch nicht alle, Inhalte in einem Browser angezeigt. Das heißt, ich muss irgendwo hingehen, um mir bestimmte Sendungen anzuschauen. Das finden wir nicht wirklich realitätsnah. Wir glauben, die gesellschaftliche Realität ist schon viel weiter. Wir wollen diese Inhalte, für die wir bezahlt haben, mit uns mitschleppen, auf unserem Handy, auf die Bahnfahrt, auf unserem Notebook. Wir wollen sie also downloaden können, und wir wollen Zugriff auf die Archive. Und wir wollen natürlich das Recht haben, diese Inhalte, die von uns bezahlt worden sind, auch zu remixen. Und wir machen uns eher Sorgen, dass halt der öffentlich-rechtliche Rundfunk, den viele von uns gut finden, im Internet zukünftig keine Rolle mehr spielt. Und wir wollen nicht weiterhin alte Fernseher bei uns stehen haben, so alte Kommunikationsmedien, die uns eigentlich sonst keinen Sinn mehr geben.

    Fischer: Das ist eine Ansage. Danke an Markus Beckedahl vom Blogger-Kongress in Berlin.