Samstag, 20. April 2024

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Wirbel um Lars Eidinger
Missratene PR-Aktion

Um eine Luxus-Tasche im Aldi-Look zu bewerben, posiert der Schauspieler Lars Eidinger vor einem Obdachlosencamp: zu große Jacke, Kapuze ins Gesicht gezogen, im Hintergrund liegen Schlafsäcke. Eine umstrittene PR-Aktion, die viele Gemüter erhitzte.

Ein Kommentar von Gesine Kühne | 20.01.2020
Porträt des Schauspielers Lars Eidinger
Steht in der Kritik: der Schauspieler Lars Eidinger. (imago / Sven Simon)
Schuster bleib bei deinen Leisten – eine spießige Redewendung, für die ich nichts übrig habe, denn jeder soll seiner Kreativität freien Lauf lassen und einfach "machen". Daher finde ich es stark, dass Lars Eidinger nicht nur Schauspieler ist, sondern auch DJ und sich als Designer probiert.
Lars Eidinger ist mit seiner Idee spät dran
Ich finde es aus modischer Sicht auch völlig okay, eine Tasche zu entwerfen, die der Aldi-Tüte ähnelt. Hey, mein bester Kumpel hat die Echte schon vor über 25 Jahren als Reisetasche benutzt, kein Witz. Lars Eidinger ist mit der Idee nach Balenciaga und deren Ikea-Tüten-Plagiat zwar echt spät dran, aber was soll’s.
Was ich aber nun wirklich nicht okay finde, sondern regelrecht ekelhaft, ist das Obdachlosenmimen. Denn in diesem Foto steckt keine verborgene Botschaft. Hier wird nicht gezeigt, wie leicht wir auf Fashion reinfallen, einen Pseudo-Aldi-Beutel für 550 Euro kaufen, um dazuzugehören. Dafür werden für das Foto die echten Wohnungslosen übersehen, diejenigen, die aus der Gesellschaft gefallen sind und echte Aldi-Tüten tragen.
Pietätloses Foto
Dieses Foto ist für mich pietätlos. Noch mal mehr an so kalten Tagen wie heute, an denen es darum geht, den Kältebus zu unterstützen, zum Spenden aufzurufen, etwa um Geld für 1.000 Schlüpfer zusammenzubekommen. An solchen Tagen geht es auch nicht darum, ob ein Schuster bei seinen Leisten bleiben soll, sondern um etwas, das niemals spießig ist: um Menschlichkeit. Und die steht jedem besser als jede noch so schöne, coole, limitierte Luxustasche. Es sei denn, die ist bis oben hin voll mit Euros und wird bei der nächsten Bahnhofsmission abgegeben.