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Last und Lust in der Musikschule

Musizieren macht Spaß. Doch die Begeisterung lässt schnell nach, wenn Kinder das Erlernte durch Wiederholungen festigen sollen. Da hilft es, wenn Musiklehrer ein Rezept kennen, um den auch Spaß am Üben zu fördern.

Von Armin Himmelrath | 23.12.2005
    Mutter: "Tom, komm, Trompete üben."
    Tom: "Nein!"
    Mutter: "Du hast morgen Trompete!"
    Tom: "Neeeeeeeeeiiiiiiin!"
    [lautstarke Diskussion über das Üben]

    Tom ist sieben Jahre alt und eigentlich ein ziemlich netter und umgänglicher Junge. Nur wenn er zu Hause Trompete üben soll, rastet er regelmäßig aus:

    Mutter: "Und was machst du morgen, wenn du im Unterricht bist und nicht spielen kannst?"
    Tom: "Ich kann Trompete spielen!"
    Mutter: "Ja, das, was du letzte Woche geübt hast. Aber diese Woche hast du kaum geübt. Und er hat gesagt, er möchte, dass du die Noten kennst."
    Tom: "Die Noten? Toll."
    Mutter: "Komm, üb’ mal jetzt."
    Tom: "Neiiiin!"

    Seit einem Jahr geht Tom zum Trompetenunterricht in der Musikschule. Weil er sich selbst für dieses Instrument entschieden hat, erzählt seine Mutter. Und er hat damals auch fest versprochen: Ich übe jeden Tag ein bisschen. Doch von diesem Versprechen will er heute nichts mehr wissen.

    Mutter: ""Also, ich finde es sehr anstrengend. Weil Tom hat ganz viel Talent und er spielt Trompete sehr schön, er mag aber nicht üben. Er mag zum Unterricht gehen, das ist in Ordnung, aber jedes Mal, wenn er üben muss, dann gibt’s Streit."

    Und tatsächlich: Am nächsten Tag in der Musikschule ist der Siebenjährige ganz konzentriert bei der Sache. Trompetenlehrer Jasmin Sokolovic kennt diese Probleme von fast allen Schülern, die er im Unterricht betreut:

    "Wenn die Schüler zum Unterricht kommen, haben sie meistens irgendwelchen Respekt vor den Lehrern. Und die wollen sich präsentieren im besten Licht. Zuhause sind sie jeden Tag mit den Eltern, und (...) mein Sohn auch: Der kommt nach Hause: Ach, Papa, du hast keine Ahnung. Mein Lehrer hat mir was anderes gesagt, und, und, und..."

    Auch Tom kennt Lust und Last mit dem Trompetenunterreicht nach einem Jahr schon ganz genau:

    "Das ist so, dass man immer zu Trompete will, aber irgendwie auch nicht. Und so ein bisschen verwirrt ist man dann. (...) Man will doch unbedingt, unbedingt, unbedingt, aber irgendwie auch nicht."

    Jasmin Sokolovic : "Was man tun kann, dass Schüler zuhause üben ist: Man muss sich irgendwie versuchen, mit dem Sohn oder der Tochter zu vergleichen. Nicht sagen: ich kann das besser, sondern fragen: Was meinst du? Ich finde, das ist ein gutes Rezept. Ich habe damit Erfolg: Ich rede mit meinen Schülern. Ich frage immer: Was meinst du über diesen Ton? Oder kannst du das besser machen oder besser erklären und so, und dann frage ich immer nach irgendwelchen Erklärungen. (...) Und so habe ich Erfolg mit den Schülern."

    Völlig falsch wäre es, sagt Jasmin Sokolovic, die Kinder unter Druck zu setzen und ihnen ein schlechtes Gewissen einzureden, etwa nach dem Motto: Wir bezahlen den Unterricht, und jetzt musst du auch fleißig üben. Wichtig sei es stattdessen, dass die Kinder den Fortschritt als positiv erleben, den sie beim Üben machen. Und manchmal spielen, so wie bei Tom, auch ganz andere Motivationsgründe eine Rolle. Denn auch wenn er zu Hause nicht üben will, möchte er trotzdem den Unterricht auf gar keinen Fall aufgeben. Denn er weiß genau, warum er Trompete spielt.

    Tom : "Damit ich gut tauchen kann. (...) Bei Trompeteüben lernt man, die Luft weniger rauszulassen und mehr Luft in der Lunge zu haben. Dann kann ich vielleicht durch’s ganze Becken irgendwann mal tauchen."

    Das ist für den Siebenjährigen gewissermaßen die offizielle Begründung, warum er nach langem Hin und Her dann doch zu Hause seine Übungen macht. Und im Unterricht – da will Tom nicht nur eine gute Figur vor seinem Lehrer machen, sondern er hat auch ganz offensichtlich Spaß an der Musik. Für den Deutschlandfunk spielt er deshalb sein aktuelles Lieblingslied [Oh, du Fröhliche...].