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Laumann: Wir sind für Fracking, aber ohne giftige Substanzen

In wenigen Jahren lasse sich das deutsche Schiefergas auch ohne massive Umweltgefahren fördern, glaubt Karl-Josef Laumann. Der CDU-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag meint, dass man nicht "alles für die Umwelt riskieren muss, nur um einen wirtschaftlichen Vorteil zu gewinnen".

Karl-Josef Laumann im Gespräch mit Christiane Kaess | 15.05.2013
    Christiane Kaess: Was in den USA ausgiebig genutzt wird, darüber wird in Deutschland seit einiger Zeit ausgiebig gestritten: über das sogenannte Fracking, also die Gasgewinnung aus Gestein. Etwa 13 Jahre lang könnte Deutschland nach Schätzungen seinen Gasbedarf damit decken, aber Gegner befürchten massive Schäden für die Umwelt und damit schlussendlich auch für die Bürger. Ein Gesetzesentwurf aus dem Umwelt- und dem Wirtschaftsministerium zum Fracking wurde nicht nur kontrovers diskutiert, sondern auch ganz unterschiedlich interpretiert. Heute sollte das Bundeskabinett eigentlich eine bundesweite Regelung für das Fracking auf den Weg bringen, doch Widerstand vor allem bei der Union hat das Vorhaben nun auf Weiteres gestoppt. Ende Mai soll entschieden werden.

    Am Telefon ist jetzt Karl-Josef Laumann, Fraktionsvorsitzender der CDU im Düsseldorfer Landtag. Guten Morgen!

    Karl-Josef Laumann: Schönen guten Morgen!

    Kaess: Herr Laumann, jetzt war es die Sorge um die Bodensee-Region. Glauben Sie denn, dass eine neue Gesetzesvorlage ein komplettes Verbot für Fracking enthalten wird?

    Laumann: Es ist ja so, dass im Grunde genommen in Berlin klar ist, dass man ein Moratorium machen muss. Es gibt für Fracking mit der jetzigen technischen Methode, damit, dass giftige Substanzen in einem großen Umfang pro Bohrloch, etwa 40.000 Liter, in die Erde geschickt werden, schlicht und ergreifend keine Mehrheit. Und die Gefechtslage, wenn ich das richtig sehe, in Berlin ist ja die, dass es in der Unionsfraktion schwere Bedenken gegen diese Methode gibt, dass die FDP sie für vertretbar hält, und das ist eine Koalition. Aber es ist völlig klar, dass diese Technik auch bei den Bürgern auf dem Lande schlicht und ergreifend nicht zu vermitteln ist. Jedes Kind weiß, wenn es einen Ölwechsel beim Mofa macht – und da reden wir über einen viertel Liter Öl, dass es sehr achtsam vorgehen muss, und man kann dann nicht so etwas vermitteln, was da notwendig ist.

    Kaess: Dennoch, Herr Laumann, enthielt der bisherige Gesetzentwurf strikte Auflagen. Warum reichen die nicht?

    Laumann: Ja ganz einfach, weil natürlich dieser Gesetzentwurf bedeutet hätte, dass man überall in dem sogenannten nichtsensiblen Gebiet, das heißt, außerhalb von Wasserschutzgebieten, Wassereinzugsgebieten, natürlich diese Methode angewandt hätte. Und eine Umweltverträglichkeitsprüfung der Wasserbehörden nützt mir doch gar nichts. Hier müssen sie eine Rechtsgrundlage haben, wenn sie ablehnen, und die hätten sie ja nur, wenn das Wasser in diesen sensiblen Gebieten gefährdet ist. Außerdem ist es ja auch so, dass Herr Rösler ganz klar gesagt hat, dass mit diesem Gesetzesentwurf Fracking in Deutschland möglich ist.

    Kaess: Aber, Herr Laumann, wenn die Behörden bei jeder Bohrung ihr Einverständnis geben sollten, haben Sie denn kein Vertrauen in die landeseigenen Behörden, dass die das beurteilen können?

    Laumann: Es geht darum, dass landeseigene Behörden auch Rechtsgrundlagen brauchen, und es sind natürlich Eingriffe heute – und das ist ja auch teilweise notwendig – möglich. Ich bin hier ganz klar der Auffassung: Es ist auch zurzeit in Deutschland nicht notwendig, mit dieser Technik das Schiefergas zu fördern. Wir haben sicherlich in einigen Jahren, sagen viele Wissenschaftler, ganz andere Möglichkeiten, das zu machen, und ich finde, man sollte diese Zeit schlicht und ergreifend abwarten, bevor man in einem so dicht besiedelten Land, wie Deutschland es ist, vor allen Dingen auch, wie Nordrhein-Westfalen es ist, auch in seinen ländlichen Gebieten, das nicht machen. Ich wohne ja nun auf dem Lande. Die Menschen, die hier leben, auch in den Außenbereichen, sind ja auf gutes Trinkwasser angewiesen, weil es dort keine öffentliche Wasserversorgung gibt, weil da die Bauernhöfe mit den Viehbeständen sind, die jeden Tag getränkt werden müssen. Also diese Frage ist schon wesentlich sensibler zu sehen, als wenn man sie nur rein theoretisch betrachtet.

    Kaess: Wie sehr musste denn Bundesumweltminister Altmaier bei dem Gesetzentwurf Rücksicht auf den Koalitionspartner FDP nehmen, der ja Fracking als ökonomische Chance sieht?

    Laumann:! Wissen Sie, wenn der eine Bundesminister sagt, der Gesetzesentwurf bedeutet im Grunde die Fortschreibung des Moratoriums, dann soll er doch auch das Moratorium da reinschreiben. Und wenn dann der andere Bundesminister sagt, also mit diesem Gesetzesentwurf ist außerhalb der sogenannten sensiblen Gebiete Fracking möglich, dann ist doch ganz klar, dass man sagen muss, dass ein solches Gesetz so nicht kommen kann, wenn man nicht will, dass giftige Substanzen in unsere Erde gepumpt werden, und zwar in einem Riesenumfang.

    Kaess: Wie kommt es denn Ihrer Meinung nach zu so einem Widerspruch in der Regierungskoalition?

    Laumann: Da müssen Sie jetzt die beiden Minister fragen. Wenn man das liest, was dort zur Verabschiedung vorlag, war mir vollkommen klar, dass man fracken kann außerhalb der sogenannten sensiblen Regionen. Und da muss man ja auch sehen: Überall wo wir in den Regionen sogenannte Probebohrungen zugelassen hatten, ist natürlich auch das Vertrauen etwa in die Firmen, die das machen, erschüttert. Hier in Ostwestfalen hat es zum Beispiel eine Firma gegeben, die hat 26.000 Liter Diesel bei einer solchen Bohrung verwandt und ins Grundwasser gebracht. Ich finde, dass man in einem solchen Zusammenhang einfach nicht in einem so besiedelten Land wie Deutschland das zurzeit verantworten kann.

    Kaess: Aber dann schauen wir doch noch mal auf das Argument der FDP, Fracking als ökonomische Möglichkeit. Wenn wir das Beispiel USA nehmen: Dort sind die Energiepreise stark gesunken, eben durch diese massive Ausbeutung von Schiefergas-Vorkommen durch das Fracking. Das ist doch auch im Sinne der Bürger und Verbraucher, wenn die Preise sinken.

    Laumann: Natürlich ist das im Sinne der Bürger und der Verbraucher und es ist ja auch nicht so, dass dieses Gas, das sogenannte Schiefergas, uns jemand wegnimmt. Es liegt seit vielen Generationen, Jahrtausenden in der Erde. Wie gesagt: Viele Wissenschaftler sagen, dass es nicht sehr viele Jahre überdauern wird, dass man ohne diese giftigen Cocktails an diese Gasvorkommen rankommen kann. Ich finde, man sollte diese Zeit schlicht und ergreifend abwarten, und ich finde auch nicht, dass man alles für die Umwelt riskieren muss, nur um einen wirtschaftlichen Vorteil zu gewinnen.

    Kaess: Dass Sie mit Ihrer Forderung nach einem Moratorium oder nach einem Verbot in Allianz mit den rot-grün regierten Bundesländern sind, das stört Sie nicht?

    Laumann: Nein, das stört mich nicht, weil diese gleiche Position ja auch die CSU/FDP-Regierung etwa in Bayern übernommen hat. Dies ist ganz klar die Positionierung der CDU/FDP-Regierung in Hessen. Ich glaube schon, dass ich da in guter Gesellschaft bin. Wir unterscheiden uns in dieser Frage sehr stark von Rot-Grün in einem Punkt, und das habe auch ich mal deutlich gemacht, auch die CDU hier in Nordrhein-Westfalen: Wir sind für Fracking, wenn Fracking ohne eine Gefährdung des Grundwassers, das heißt, ohne diese giftigen Substanzen möglich ist.

    Kaess: Und, Herr Laumann, wie schädlich ist es jetzt für die Union, dass über ein so wichtiges Thema jetzt wahrscheinlich nicht mehr vor der Bundestagswahl entschieden wird?

    Laumann: Ich glaube, dass das nicht schädlich ist, sondern ich glaube eher, dass das andere schädlich gewesen wäre, weil die Menschen natürlich auch in diesen Gebieten, wo Schiefergas liegt, CDU wählen. Und ob sie noch CDU gewählt hätten, wenn man sagt, wir lassen hier alles zu, das ist dann die zweite Frage.

    Kaess: Wann, glauben Sie, könnte es technische Verfahren geben, die jede Gefährdung von Wasser und Boden ausschließen? Ist das überhaupt realistisch?

    Laumann: Jede Gefährdung von Wasser und Boden kann man wahrscheinlich nie ausschließen. Aber man kann natürlich schon auf den Zeitpunkt warten – und die Forschung ist ja in starkem Umfang daran -, dass man nicht diese giftigen Substanzen verwenden muss. Das Bundesumweltamt hat ja die Flüssigkeit, die man zu diesen Bohrungen braucht, von vielen Bohrungen untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass mehr als zwei Drittel der Flüssigkeiten, die verwendet wurden, hochgiftig sind. Wenn man solche Berichte liest, dann denkt doch ein normaler Mensch, müssen wir uns das antun, dass wir solche Substanzen in diesem Umfange 1300 Meter tief unter die Erde bringen.

    Kaess: Warum hat der Bundesumweltminister das bisher nicht so gesehen?

    Laumann: Da müssen Sie mit dem Bundesumweltminister drüber reden.

    Kaess: Sie haben keine Einschätzung, warum das so sein könnte?

    Laumann: Nein. Natürlich ist es so: Das jetzige Verfahren für Fracking ist das sogenannte Bergrecht, und danach ist ganz viel möglich. Der Gesetzesentwurf, der vorlag, hätte das Bergrecht schon eingeschränkt und hätte die Umweltbelange, auch die Wasserbelange sehr viel mehr in der Abwägung zur Geltung gebracht wie vorher.

    Kaess: Herr Laumann, ich muss Sie leider unterbrechen, denn wir laufen auf die Nachrichten zu. Ich danke Ihnen für diese Einschätzungen.

    Laumann: Danke schön!

    Kaess: Karl-Josef Laumann, Fraktionsvorsitzender der CDU im Düsseldorfer Landtag. Danke für das Gespräch.

    Laumann: Danke schön – auf Wiederhören – tschüß!


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