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Lauschangriff im Silo
Akustische Überwachung warnt frühzeitig vor Getreide-Schädlingen

2012 hat der Deutschlandfunk über einen Insektenforscher von der Universität Kassel berichtet, der Schädlinge in Vorratsbehältern mit Mikrophonen aufspüren wollte, um sie effektiver bekämpfen zu können. In Berlin werden jetzt erste Praxistests des akustischen Schädlingssensors vorbereitet.

Von Volkart Wildermuth | 28.08.2018
    Maispflanze vor Getreide-Hochsilo
    Schätzungsweise zwei bis vier Prozent der Getreideernte fressen Kornkäfer, Getreideschimmelkäfer, Plattkäfer oder auch die Dörrobstmotte (imago stock&people / UPI Photo)
    Christina Müller-Blenkle öffnet eine Tür im Keller des Julius-Kühn-Instituts in Berlin. Dahinter befinden sich die Zuchtkammern: "So, hier werden unsere Käfer und Motten gezüchtet. Wir haben hier ungefähr 50 Arten, die ständig in Zucht sind. Und damit sind wir die größte Sammlung so ziemlich in Europa."
    Die Insektenkundlerin stemmt eine der dicken Türen auf. In der wohltemperierten Kammer stehen Regale voller Einmachgläser mit Weizenkörnern, Mais oder Haferflocken. In einigen ist schon ein Bodensatz aus Mehl zu erkennen - klares Anzeichen für Insektenbefall.
    Müller-Blenkle: "Wo wir überhaupt gar nichts sehen, da haben die Kornkäfer ihrer Eier darin abgelegt. Und sie sehen jetzt, hier geht‘s langsam los, dass man so ein bisschen Fraß mehr sieht. Hier ist schon ziemlich viel Fraßmehl und hier sehen wir dann auch die Ursache für das Fraßmehl: Hier haben wir also wirklich Kornkäfer drin. Sie sind einfach entzückende Tiere. Und ich glaube man muss diese Tiere auch lieben, um ordentlich mit ihnen arbeiten zu können."
    Christina Müller-Blenkle steckt ein paar Körner samt Larven in eine Plastiktüte und bringt sie nach oben ins Akustiklabor: "Sie können die gerne mal die Hand nehmen, sie merken auch, das ist etwas warm, da sind jetzt Käferlarven in dem Getreide drin, die dort drin jetzt knabbern. Und das ist genau der Zustand, der dem Landwirt dann die Sorgen bereitet. Weil er sieht nichts und trotzdem ist was da."
    Frühwarnsystem für Landwirte
    Schätzungsweise zwei bis vier Prozent der Getreideernte fressen Kornkäfer, Getreideschimmelkäfer, Plattkäfer oder auch die Dörrobstmotte. Christina Müller-Blenkle arbeitet an einem Frühwarnsystem für die Landwirte. Sein Herzstück: ein hochsensibles Mikrophon. Das steckt die Forscherin jetzt in die Tüte, packt das Ganze zur Schalldämpfung in eine Schaumstoffbox und schon kann man die Larven knabbern hören. Und zwar schon Wochen, bevor der Bauer merkt, dass er unwillkommene Gäste hat.
    Auf ihrem Computer hat die Forscherin auch Aufnahmen von einzelnen Larven. Die Bisse der Kornkäfer-Larve zum Beispiel, klingen für menschliche Ohren ähnlich wie das Tippen auf einer Computertastatur. Die Mundwerkzeuge etwa einer Plattkäferlarve erzeugen einen ähnlichen Sound, aber Computerprogramme können die verschiedenen Arten allein anhand ihrer Geräusche auseinander halten. Das hat die Arbeitsgruppe bereits vor Jahren gezeigt. Die praktische Umsetzung erwies sich aber als schwierig.
    "Wenn wir ein Mikro ins Getreide stecken, dann hören wir um das Mikrofon herum vielleicht fünf Zentimeter herum, was sich tut. Das ist aber natürlich zu wenig, weil der Bauer kann nicht 100 Mikrofone in sein Getreide stecken oder noch mehr."
    Die Lösung des Problems nennt sich "Beetle Sound Tube". Ein drei Meter langes Metallrohr mit vielen kleinen Löchern. Es sammelt den Klang der Käfer aus einem großen Bereich des Silos und lenkt ihn zu einem Mikrophon. Hier hört man alles durcheinander. Knabbernde Larven, laufende Käfer, das Verschieben der Körner. Durch die Löcher purzeln auch einzelne Käfer in die Metallröhren, die sich der Bauer dann ansehen kann.
    "Wenn wir wissen, welcher Schädlinge im Getreide drin ist, gibt es kleine Nützlinge, die legen ihre Eier in den Larven oder in den Käfern der Schädlinge ab und vernichten die damit
    Praxistest auf Bauernhöfen in Brandenburg
    Wer Müsli isst, muss sich deshalb aber keine Sorgen machen. Sowohl die Schädlinge als auch die Nützlinge werden vor dem Verkauf des Getreides heraus gefiltert. Die entscheidenden Praxistests werden auf zwölf Bauernhöfen in Brandenburg beginnen.
    Müller-Blenkle: "Ich hatte Bauern, die so begeistert waren, dass sie sagten, ich hab nicht einmal einen Silo, aber ich würde so gerne mitmachen."
    Gerade hat Christina Müller-Blenkle die ersten drei "Beetle Sound Tubes" in ein Silo eingebaut. Noch ist es leer. Spannend wird es nach der Ernte im Herbst: "Wir wissen noch nicht genau, ob wir Befall bekommen. Auf dem Hof, wo wir jetzt waren, gab es in letzter Zeit häufiger mal Befall. Dementsprechend sind wir, drücken wir es so aus, guter Hoffnung. Aber eine Garantie dafür gibt es nicht."
    Der Praxistest soll zeigen, ob sich Getreideschädlinge in großen Vorratsspeichern akustisch zuverlässig aufspüren lassen. Christina Müller-Blenkle ist optimistisch, dass dann ein Startup die Vermarktung der "Beetle Sound Tubes" übernehmen kann.
    "Wir hoffen eigentlich, dass wir am Ende des Projektes wirklich so weit sind, dass wir dieses System anbieten können für den normalen Landwirt, der sich das dann zusammenstellen lassen kann."