Donnerstag, 25. April 2024

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Lauschen im Zoo

Vom Freibecken trompeteten die Robben hinüber, doch die Klänge, die am vergangenen Samstag im Wuppertaler Zoo zu vernehmen waren, waren an diesem Nachmittag nicht allein tierischer Natur. In der eigens für diesen Zweck umgebauten Zoo-Gaststätte verliehen die Filmstiftung NRW und die Stadt Wuppertal den Deutschen Kinderhörspielpreis dem Zielpublikum angemessen mit einem artistischen Rahmenprogramm des Jugendzirkus’ Ratzfatz. Eine Kinderjury hatte sich für "Mascha und Mucks, die Mäuseprinzessen" von Gabriele Neumann entschieden, eine Kritikerjury wählte "Einfach Schnickschnack" von Stefan Hardt nach Gedichten von Danijl Charms.

Von Frank Olbert | 15.05.2004
    Frank Olbert: Herr Hardt, wie sind Sie auf den russischen Dichter Danijl Charms gekommen?

    Stefan Hardt: Ich habe bereits in meinem Hörspiel "Fallen Fälle wie sie fallen" Texte von Danijl Charms verwendet, und zwar aus den Bänden "Fallen" und "Fälle". Ich lasse mich immer davon inspirieren, ob mir auf akustischem Gebiet etwas dazu einfällt. Das hängt nicht davon ab, ob in dem Text selber Geräusche verhandelt werden, sondern davon, ob eine Musikalisierung dem Text etwas hinzufügen kann, das er beim Lesen noch nicht ausstrahlt.

    Frank Olbert: Was macht denn Charms´ Texte so empfänglich für Musikalisierungen?

    Stefan Hardt: Die Texte enthalten starke und sehr abrupte emotionale Schwankungen, atmosphärische Wechsel, die manchmal ohne Überleitung ganz harsch zwischen zwei Sätzen geschehen. Es gibt zum Beispiel einen Text, der davon handelt, dass ein scheinbar sehr höflicher Mensch Besuch erhält. Er bittet den Gast herein und bietet ihm Tee an und dann schüttet er ihm plötzlich den heißen Tee ins Gesicht. Man kann sich eigentlich nichts Antipsychologischeres vorstellen und diese abrupten Wechsel sind musikalisch sehr anregend.

    Frank Olbert: War denn bei dem Hörspiel "Einfach Schnickschnack" von Anfang an klar, dass es ein Kinderstück wird?

    Stefan Hardt: Das sind Texte, die Charms für Kinder geschrieben hat, aber es ist eigentlich ein Hörspiel für alle. Und ich habe auch festgestellt, dass auch sehr kleine Kinder mit dem Stück etwas anfangen können. Ich habe das Hörspiel auch nicht für die Kinderhörspielabteilung produziert, insofern war das von Anfang an recht offen.

    Frank Olbert: Wie war denn die Arbeit im Studio? Es waren ja Kinder auch sehr intensiv als Sprecher und Sänger daran beteiligt.

    Stefan Hardt: Das war ganz unterschiedlich. Die Älteren haben eher schon mal Lampenfieber. Sie verstehen die Texte, haben sie vorher schon gelesen und zum Teil auch auswendig gelernt. Mit den ganz Kleinen war das eine einmalige Erfahrung. Es waren Kinder dabei, die gerade sprechen gelernt hatten. Ich sehe das noch vor mir: Die Kinder saßen auf dem Schoß ihrer Mütter. Wir haben das Band mitlaufen lassen und hatten nachher einen Salat. Wir mussten uns die Teilchen einzeln heraussuchen. Es gibt eine Passage, die aus über 300 Stückchen besteht. Es war eine unglaubliche Schnibbelarbeit, aber sie hat sich gelohnt. Wichtig war mir, den Charme einzufangen, der sich verliert, wenn es ans Lesenlernen geht.

    Frank Olbert: Würden Sie denn für dieses Publikum noch einmal etwas realisieren?

    Stefan Hardt: Gerne. Es hat sehr viel Spaß gemacht mit den Kindern zu arbeiten, weil es da auch um andere Dinge geht als bei einer gewöhnliche Regie. Da geht es darum, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sie sich wohl fühlen und es ist natürlich nicht so ein stringentes Arbeiten möglich wie sonst

    Nachsitzen war angesagt – und das ganz freiwillig. Einmal in der Woche blieben die Mitglieder der Kinderjury zwei Stunden länger in der Schule, um sich jeweils eines der für den Deutschen Kinderhörspielpreis eingereichten Hörspiele anzuhören und darüber zu diskutieren. "Wir haben dann jedes Mal entschieden, wie wir es fanden und am Ende haben wir dann ganz doll entschieden" – so drückte es einer der Juroren bei der Preisverleihung aus. Mit eindeutiger Mehrheit entschieden sich die Grundschüler "ganz doll" für das Hörspiel: "Mascha und Mucks, die Mäuseprinzessin" von Gabriele Neumann.

    Frank Olbert: Frau Neumann, wie haben Sie begonnen, Kinderhörspiele zu schreiben?

    Gabriele Neumann: Ich habe eine kleine Notiz in der Zeitung gelesen: "Kinder schlagen ihre Eltern". Daraus ist eine kleine Gute-Nacht-Geschichte entstanden, die das Verhältnis umdreht: Die Eltern fliehen vor ihren Kindern. Das war der Anfang, über so einen Spaß. Ich schreibe mit einer Freundin zusammen und mache das auch nicht so oft. Meistens entsteht die erste Idee durch eine Situation oder durch einen Text. Das Stück "Mascha und Mucks, die Mäuseprinzessin" ist durch eine sehr persönliche Geschichte entstanden. Das Hörspiel "Die verzauberten Brüder" vor zwei Jahren ist durch eine Geschichte von Jewgenij Schwarz inspiriert worden, die man weiterspinnen konnte. Das neue Hörspiel "Immer Ärger mit Och", das meine Freundin Liese Haug und ich geschrieben haben, handelt von einem Giftzwerg namens Och. Das ist durch gemeinsame Spaziergänge entstanden. Beim Pilzesammeln haben wir plötzlich diesen Giftzwerg unter einem Knollenblätterpilz gefunden. Dieser Zwerg wurde sehr penetrant und wir mussten ihn mitnehmen. Dann war es sehr schwierig, ihn wieder loszuwerden, denn er war einerseits auch sehr nett und witzig, andrerseits aber ganz schrecklich.

    Frank Olbert: Wie finden Sie denn, dass Sie den Preis der Kinderjury bekommen haben?

    Gabriele Neumann: Das finde ich am Allerschönsten, denn man weiß ja nie, für wen man schreibt und hat nie ein Feddback. Und ich finde es ganz toll, wenn Kinder etwas spannend finden und gerne zuhören.

    Frank Olbert: Welche anderen Arbeiten machen Sie sonst, wenn Sie schreiben?

    Gabriele Neumann: Ich mache bisher hauptsächlich Hörspielbearbeitungen und habe auch schon ein Kindertheaterstück über die Kindheit von Charlie Chaplin geschrieben, dass in Dresden aufgeführt worden ist.

    Das Kinderhörspiel "Mascha und Mucks, die Mäuseprinzessin" von Gabriele Neumann sendet DeutschlandRadio Berlin am Donnerstag, den 20. Mai um 13.30 Uhr.