"Lebe, lache gut! Mache deine Sache gut!"

Von Holger Teschke · 07.08.2008
Er war ein seebefahrener Lyriker, Erfinder des Matrosen Kuttel Daddeldu und wurde mit seinen Seemannsballaden und Kindergedichten zu einem der beliebtesten Vortragskünstler der Weimarer Republik: Der Sprachkünstler Joachim Ringelnatz wäre heute 125 Jahre alt geworden.
"Wie Daddeldu so durch die Welten schifft,
Geschieht es wohl, dass er hie und da
Eins oder das andere von seinen Kindern trifft,
Die begrüßen dann ihren Europapa :
"Gud morning! - Sdrastwutje! - Bong jur, Daddeldü!
Bon tschorno! Ok phosphor! Tsching- tschung! Bablabü! "
Und Daddeldu dankt erstaunt und gerührt
Und senkt seine Hand in die Hosentasche
Und schenkt ihnen, was er so bei sich führt-"

Joachim Ringelnatz wurde am 7. August 1883 als Hans Bötticher in Wurzen an der Mulde geboren. Doch die entscheidenden Kindheitseindrücke bekam der Sohn eines sächsischen Heimatdichters an einem anderen Gewässer.

"An der Elster war ein Anlegeplatz für den einzigen Vergnügungsdampfer von Leipzig. Auf diesem Dampfer mitzureisen war höchste Wonne. Ich fühlte mich sehr seemännisch, wenn ich zur Abfahrt die Schiffsglocke schlagen durfte."

Seefahrt und Schriftstellerei sollten den Kurs des jungen Dichters bestimmen. Doch so gradlinig wie geplant verlief die Fahrt dann doch nicht. Das Leben als Hamburger Schiffsjunge war weniger romantisch als das eines Leipziger Dampferpassagiers.

So wechselte der junge Bötticher als Freiwilliger zur kaiserlichen Kriegsmarine. Mit 22 Jahren wird er Kaufmannslehrling in Hamburg, beginnt zu malen und schreibt nebenbei Gedichte und Kurzgeschichten.

1914 wird er zur Kriegsmarine eingezogen und 1917 zum Leutnant befördert. Das Kriegsende erlebt der junge Offizier bei Cuxhaven, wo er sich vor allem der Dichtkunst und den Hafenkneipen widmet.

"In der Kneipe " Zum Südwester "
Sitzt der Bruder mit der Schwester
Hand in Hand.

Zwar der Bruder ist kein Bruder
Doch die Schwester ist ein Luder
Und das braune Mädchen stammt aus Feuerland.

In der Kneipe " Zum Südwester"
Ballt sich manchmal eine Hand,
Knallt ein Möbel an die Wand."

Nach der gescheiterten Novemberrevolution verwandelt sich der Marineleutnant mit Maßuniform in einen reisenden Vortragskünstler. Ab 1919 tritt er unter dem Pseudonym "Ringelnatz" auf und wird mit seinem Matrosen Kuttel Daddeldu zu einem der beliebtesten Kabarettisten der Weimarer Republik. Er gibt Gastspiele auf den Bühnen aller großen deutschen Städte und ist mit Künstlern wie Asta Nielsen, Heinrich George, Claire Waldoff und Paul Wegener befreundet. Seine Gedichtbände erscheinen bei Rowohlt und werden von Kurt Tucholsky und Alfred Polgar begeistert besprochen.

"Verzeihe mir. - Ich weiß, dass fromme
Gedanken rau gebettet werden müssen.
Ich danke jetzt. - Wenn ich nach Hause komme,
Will ich dich so wie vor zehn Jahren küssen."
1920 heiratet Ringelnatz die Sprachlehrerin Lona Pieper, die als "Muschelkalk" in die Literaturgeschichte eingeht. Sie wird zu seiner wichtigsten Mitarbeiterin und rettet die Manuskripte und Bilder über Nationalsozialismus und Bombennächte. Hitlers Machtergreifung bedeutet für Ringelnatz Auftritts- und Publikationsverbot. Nur durch Sammlungen seiner Freunde kann existentielle Not abgewendet werden.

Während einer Tournee durch die Schweiz bricht 1934 eine Tuberkulose aus.

"Wir werden immer einsamer. Seit auch Asta Nielsen fort ist, entstand für uns eine große Lücke, die von lauter Löchern eingerahmt ist."

Im Oktober 1934 kehrt er in die Berliner Wohnung am Sachsenplatz zurück, wo die Nachtigall noch einmal für ihn singt, bis er am 17. November Stift und Pinsel für immer aus der Hand legt. Auf dem Waldfriedhof an der Heerstraße, auf dem er unter einer Platte aus Muschelkalk begraben liegt, erklingt von der Orgel sein Lieblingslied : "La Paloma ".

"Wenn ich tot bin, darfst du gar nicht trauern
Meine Liebe wird mich überdauern
Und in fremden Kleidern dir begegnen
Und dich segnen.

Lebe, lache gut!
Mache deine Sache gut!"