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Leben aus dem Rucksack

Ziehen junge Menschen für ihr Studium in eine neue Stadt um, bekommen sie zum Start oftmals einen Dämpfer. Die Wohnungssuche gestaltet sich derart schwierig, dass Studierende bis weit ins Semester hinein von Notunterkunft zu Notunterkunft pendeln und ein Leben aus dem Koffer (beziehungsweise Rucksack) führen.

Von Lenore Lötsch | 06.02.2012
    Eigentlich sind die Biologiestudentin Nora und ihr Rucksack ein gutes Team. Mit ihm auf den Schultern ist sie im vergangenen Jahr monatelang durch Kanada gereist. Aber seit sie vor gut drei Monaten ihr Biologiestudium in Rostock angefangen hat und seitdem versucht, ein Zimmer in Rostocks Innenstadt zu ergattern, nervt das Leben in provisorischen Unterkünften.

    "Vor allem, weil man sich ja auf das Studium vorbereiten muss, ja und das nur im Rucksack zu machen und nie mal seine Sachen richtig ausbreiten zu können, das ist schon nicht so schön auf die Dauer."

    Ein Schrank, ein Bett und vier Wände! Dass das schon Glück sein kann, hat die 21-Jährige bereits bei ihrer ersten Anlaufstelle in Rostock, einem Hostel, gelernt.

    "Und da hab ich dann die ersten Wochen verbracht. In einem Achterzimmer, was ziemlich laut war und auch nicht so gut für das Studium. Eigentlich saßen wir abends immer zusammen vor den Laptops und haben geguckt, dass wir irgendwo ein WG-Zimmer finden und sind zu vielen Vorstellungsgesprächen und Besichtigungsterminen gewesen. Wir haben da auch ziemlich blöde Abende erlebt mit einigen Leuten, die da waren, wo man gar nicht geschlafen hat. Ziemlich wirre Leute, die den ganzen Abend eigentlich nur Krawall geschoben haben. Das war dann schon krass."

    Vier Wochen blieb Nora im Hostel, in dem ein Bett im Achtmannzimmer 14 Euro kostet. Dann fand sie für einen Monat ein Zimmer zur Zwischenmiete. In den letzten Wochen kam sie bei Bekannten unter, die nächste Zwischenstation.

    "Das war klar, das haben wir auch gleich so abgemacht, dass es für einen Monat, maximal für zwei vielleicht ist."

    Auch die Germanistikstudentin Lea hat sich das mit der Wohnungssuche irgendwie leichter vorgestellt. Sie kommt ursprünglich aus Nordrhein- Westfalen und wollte möglichst weit weg von zu Hause, im Osten studieren. Die Freude über den Studienplatz in Rostock währte so lange, bis sie mit 50 Mitbewerbern um ein WG Zimmer konkurrierte.

    "Ich hatte noch das Glück, dass ich dann außerhalb was gefunden habe. Da bin ich jetzt erst mal untergekommen. Es geht noch von der Nähe, es sind zwölf Kilometer außerhalb. Bei einer älteren Dame mit ihrem Sohn, quasi so WG mit jemandem, der meine Mutter sein könnte. Deshalb ist das auf die Dauer wirklich nichts für mich. Ich komm zwar auch vom Land, aber nee, auf die Dauer möchte ich da nicht wohnen."

    Auch das Rostocker Studentenwerk konnte vielen wohnungssuchenden Studierenden im Wintersemester nicht weiterhelfen. 15 Wohnheime gibt es in Rostock und Warnemünde, aber nur zehn Prozent der Studierenden bekommen dort einen Platz. Geplant ist, den Anteil zu verdoppeln. Doch finanzierbare Grundstücke in der Innenstadt sind für das Rostocker Studentenwerk nicht in Sicht, sagt Korinna Hahn, die die Abteilung Liegenschaftsmanagement leitet.

    "Es ist tatsächlich so, dass wir Wohnraum aus eigener Kraft schaffen müssen. Das ist unser Problem, solange keine Zuschüsse fürs Wohnen kommen, müssen wir alles aus eigener Kraft schaffen, aber um die Preise niedrig zu halten für die Studenten, lassen wir auch die Mieten niedrig, also woher soll denn der Ertrag kommen aus dem ein Aufbau eines neuen Objektes möglich wäre?"

    Sarah Grote, die Vorsitzende des ASTA in Rostock, sieht für eine Lösung des Wohnproblems vor allem das Land in der Pflicht.

    "Dass wir jetzt bei 9000 Studierenden sein sollten, das waren die Prognosen von 2004. Die Realität sieht ganz anders aus: wir sind ´n bisschen mehr als 15.000 und dementsprechend ist der Ausbau dann nicht vorangeschritten, weil man ja gesagt hat: Naja, es werden ja weniger, muss man also auch nicht mehr Plätze schaffen. Aber dass die Rechnung jetzt nicht aufgegangen ist, müsste die Regierung dann auch mal mitkriegen."
    Den Studentinnen Nora und Lea hat das Neue Jahr endlich Glück gebracht. Sie haben eine bezahlbare Zweiraumwohnung ergattert in Rostocks Studentenviertel, in die sie im Februar einziehen können. Nach einem Semester der Suche wissen beide: Das ist Goldstaub!
    "Also es ist schon ziemlich nervenaufreibend. Ich hab auch ziemlich oft meine Mutter angerufen und mich beschwert, dass das alles total Scheiße ist. Und ich auch wirklich zwischendurch eigentlich nach Hause wollte, weil wir haben auch ´ne Uni in der Nähe und es wäre für mich praktischer gewesen. Deshalb bin ich wirklich froh, dass ich denn was gefunden habe, was denn wirklich zentral ist. Ich schreib am 6. noch ne Prüfung, das heißt ich werd dann am 7. umziehen auf jeden Fall: Rucksack und eine Tasche!"