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Lebensmittelkennzeichnung
Vier Modelle stehen zur Wahl

In vielen anderen Ländern gibt es die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln bereits. In Deutschland wird nun erst einmal getestet, wie verständlich unterschiedliche Logos für die Verbraucher sind. Danach wird entschieden, was auf die Verpackung kommt. Vier Modelle stehen im Test.

Von Anja Nehls | 28.06.2019
Mit einer Ampel-Kennzeichnung für Lebensmittel sind diese Produkte auf einer Pressekonferenz zur Nährwertkennzeichnung in Berlin ausgewisen.
Die Farben rot, gelb und grün der Ampel-Kennzeichnung stehen für einen hohen, mittleren oder niedrigen Anteil an Zucker, Salz oder Fett (dpa / Rainer Jensen)
Ob Lebensmittel gesund sind, soll künftig auf einen Blick erkennbar sein. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner wünscht sich eine Kennzeichnung:
"Es wird nicht die Nährwerttabelle ersetzen, die auf dem Rückenetikett ist, sondern es soll den Käufer in seinem Lebensalltag, das heißt, dass er nicht studierter Ökotrophologe sein muss, dass er auch nicht Stunden im Supermarkt verbringt, wir wollen es ihm leichter machen, für die Ernährung günstige Lebensmittel rauszufinden."
Und dass mehr Menschen sich gesund ernähren, sei dringend nötig, unterstreicht Pablo Steinberg vom Max-Rubner-Institut für Ernährung und Lebensmittel:
"Wir haben in diesem Land etwa sechs Millionen Diabetikerinnen und Diabetiker, 90 Prozent dieser sechs Millionen haben ein Typ-2-Diabetes, wir haben 20 bis 30 Millionen Bürgerinnen und Bürger, die einen Bluthochdruck haben, über 40 Prozent der Frauen sind übergewichtig, bei den Männern noch dramatischer, über 60 Prozent."
Viele Firmen sind bereits weiter als die Politik
Eine Nährwertkennzeichnung sei neben Sport zum Beispiel ein Baustein, um die Situation in Deutschland zu verbessern. In anderen Ländern wird schon lange mit entsprechenden Labeln gearbeitet und die ersten Hersteller, wie zum Beispiel Iglo und Danone, verwenden das französische Nutri-Score-Kennzeichen auch auf ihren Produkten in Deutschland. Auch Nestlé möchte es in Zukunft benutzen. Es ähnelt dem Siegel für den Energieverbrauch eines Kühlschranks. Eine Skala von Grün über Gelb nach Rot, unterlegt mit Buchstaben von A bis E, erklärt Luise Molling von Foodwatch:
"Also der Nutri-Score funktioniert so, dass er eher günstige Nährwertbestandteile, also wie Ballaststoffe, wie Eiweiß mit eher ungünstigen Nährwerten verrechnet, also z.B. Zucker, Fett und Salz und daraus ergibt sich dann ein Gesamtscore, der wiederum übersetzt wird in eine farbliche mit einem Buchstaben unterlegte Kennzeichnung. Man sieht quasi auf einer Farbskala wie gut das gesamte Nährwertprofil eines Produktes ist."
Vier von zunächst zwölf Systemen stehen zur Wahl
Doch konnten in der Vergangenheit weder der Nutri-Score noch diverse Kennzeichen aus anderen Ländern Ministerin Julia Klöckner überzeugen. Zwölf derartige Systeme haben sich die Wissenschaftler vom Max-Rubner-Institut jetzt genauer angeschaut und vier sind in der engeren Auswahl gelandet. Zu deren Verständlichkeit sollen jetzt auf Wunsch der Ministerin die Verbraucher befragt werden. Mit dem französischen Nutri-Score ist diese Kundin, die gerade Fischstäbchen mit einem hellgrünen B aus der Tiefkühltruhe eines Berliner Supermarktes zieht, eigentlich schon ganz zufrieden:
"Weil man da zumindest einen groben Überblick hat, ob das Lebensmittel für einen infrage kommt oder nicht, weil man da zumindest ungefähr weiß, wieviel Fett und Zucker da drin ist, ob es ganz ungesund ist oder ob es halbwegs gesund ist. Und ich finde es total wichtig, denn so wie es jetzt in Deutschland hier läuft, muss ich mir regelmäßig die Lesebrille rausnehmen und genau nachgucken, was da nun eigentlich drin ist und ich habe auch keine Lust, sämtliche Lebensmittel immer zu vergleichen."
Ein grüner Punkt mit stilisiertem Schlüsselloch
Das Nutri-Score-System ist jedoch nur eins in der engeren Auswahl des Ministeriums. Es gibt andere Systeme, die einzelne Bestandteile eines Lebensmittels detaillierter darstellen. Noch einfacher hingegen ist das skandinavische Keyhole-Modell, das ein gesundes Produkt ganz simpel mit einem grünen Punkt mit stilisiertem Schlüsselloch kennzeichnet, erklärt Pablo Steinberg:
"Das ist eine Positivkennzeichnung. Und was da die Kollegen aus Norwegen gemacht haben, die schauen sich an, ob die Gehalte an Salz, Zucker, gesättigte Fettsäuren plus die Ballaststoffe, wie die abschneiden. Und wenn sie positiv sind, also unter dem Grenzwert sind, sehen Sie die Markierung."
Bestimmte Produktgruppen wie Süßigkeiten werden in Skandinavien allerdings nicht gekennzeichnet. Und die Markierung ist freiwillig. Trägt ein Produkt keinen grünen Punkt, wollte das Unternehmen entweder nicht mitmachen oder das Lebensmittel wurde nicht positiv bewertet. Aber egal, ob sich Deutschland jetzt für das skandinavische Modell, den französischen Nutri-Score oder ein ganz anderes System entscheidet: Kurzfristig werden hierzulande die Lebensmittel in den Supermarktregalen immer noch nicht übersichtlich gekennzeichnet sein, gibt Julia Klöckner zu:
"Weil das eine Empfehlung ist und wir überhaupt nicht die Möglichkeit haben das europarechtlich verpflichtend vorzuschreiben. Warum? Weil wir keine europaweite Regelung dafür haben. Ich hielte es fürs beste, wenn wir europaweit eine einheitliche Kennzeichnung hätten."
Zudem ist unklar, was mit den Herstellern geschieht, die ihre Produkte auch in deutschen Supermärkten bereits nach dem französischen System kennzeichnen. Wenn die Bundesregierung eine Empfehlung für ein anderes System aussprechen sollte, könnte es in den Regalen noch unübersichtlicher werden als ohnehin schon.