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Lebensmitteltechnik
Textilfarbstoffe in Wurst aufspüren

Damit Wurst appetitlich rosa oder rot aussieht, wird sie meist gefärbt. Manche Hersteller verwenden dazu verbotene Textilfarben, die gesundheitlich bedenklich sind - und schwer nachweisbar. Doch nun arbeiten Lebensmittelforscher an einer Methode, mit der sich solche Manipulationen erkennen lassen.

Von Volker Mrasek | 18.11.2019
Rosa gesprenkelte Wurstscheiben liegen mit einer Wurstgabel auf einer Schieferplatte.
So schön rosa: Reaktiv-Rot heißt die Gruppe der Textilfarbstoffe, die bisher in Färbeextrakten für Wurstwaren aufgefallen ist (imago / Westend61)
Fleisch und Wurst wären eher grau als rot, wenn man sie nicht pökelte oder färbte. Deshalb werden sie auch fast immer optisch aufgepeppt. Problematisch nur, wenn ein Metzgereibetrieb dabei Gewürz- oder Färbemittel einsetzt, wie sie vor drei Jahren erstmals auffielen. Angeblich reine Auszüge aus Rote Bete zum Beispiel. Spätere Analysen solcher Extrakte förderten ganz andere Dinge zutage. Edwin Januschewski aus dem Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik in Quakenbrück:
"Die Verdachtsproben, die wir erhalten haben, die kommen alle aus dem Ausland wie zum Beispiel aus der Türkei oder Mittel- und Südamerika. Die waren alle als natürlich deklariert. In neun Proben haben wir Reaktivfarbstoffe identifiziert. Das ist eine bestimmte Farbstoffklasse, die kommt eigentlich aus der Textilindustrie, für den Einsatz in Lebensmitteln nicht zulässig."
Verbotene Farbstoffe aufspüren
Januschewski zählt zu den Forschern, die den Betrügern die Suppe versalzen wollen. Sie tüfteln derzeit an neuen Schnellmethoden, die sie Betrieben und staatlichen Untersuchungsämtern zur Verfügung stellen möchten. Damit soll sich erkennen lassen, ob eine Gewürzmischung die verbotenen Textilfarbstoffe enthält, so dass sie erst gar nicht im Lebensmittel landen. Die Sache ist ziemlich knifflig. Denn die Substanzen gehen stabile chemische Verbindungen ein – nicht nur mit Textilfasern, sondern auch mit Proteinen oder Kohlenhydraten in Brühwürsten und anderen Fleischerzeugnissen:
"Und wenn die erst mal an das Lebensmittel gebunden sind, ist es ganz schwer, die abzutrennen. Wenn man sie nicht abtrennen kann, kann man sie nur schwer analysieren. Und wir sind gerade dabei, neue Analysemethoden dafür zu entwickeln."
Die Lebensmittelchemiker wenden dabei einen Trick an. Sie versuchen erst gar nicht, die Farbstoffe komplett loszueisen, sondern sie spalten Teile davon ab, um diese anschließend genauer zu untersuchen.
"Wir zerhacken die!"
So formuliert es Bing Nguyen Thanh, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Lebensmittelchemie der TU Braunschweig. Auch er ist maßgeblich an der Entwicklung der neuen Methoden beteiligt.
Schnellmethode zur Qualitätsprüfung
Die Forscher verfolgen dabei zwei alternative Ansätze. Einmal bestrahlen sie die Farbstoff-Bruchstücke mit Licht einer bestimmten Wellenlänge und messen dann im Spektralphotometer, wie viel davon geschluckt wird. Man kann die Molekül-Fragmente aber auch dazu bringen, selbst Licht abzugeben, das fluoresziert, und dieses dann analysieren. In beiden Fällen erhält man erste Hinweise auf die technischen Farbstoffe.
"Wenn wir die beiden Methoden jetzt miteinander kombinieren für die Zukunft: Die Hersteller haben diese Schnellmethodik, können das in der Qualitätssicherung direkt nutzen. Wenn ein Verdacht besteht, können sie das an die Labore schicken, die dann die Reaktivfarbstoffe nachweisen oder nicht."
Das würde mit teuren, aber etablierten Laborgeräten geschehen, typischerweise mit Gas-Chromatographien.
Die Hersteller vom Betrug abschrecken
Im Moment geht das alles aber noch nicht. Das Projekt endet erst im nächsten Jahr, eine Fachveröffentlichung steht noch aus. Außerdem möchten die Forscher ihre Methoden weiter verfeinern. Edwin Januschewski sieht sich aber schon fast am Ziel.
"Also, wir haben schon ‘mal getestet, ob sich unsere Methoden auch in anderen Laboren so durchführen lassen. Das hat auch ganz gut geklappt. Bisher haben wir nur die Farbstoffe untersucht, bevor sie im Lebensmittel verarbeitet werden. Aber wir sind natürlich in unserem Projekt auch dabei, das fertige Lebensmittel analysieren zu wollen. Wir haben schon für Versuchszwecke selber Lebensmittel hergestellt, also eine Brühwurst oder ein Hackfleisch mit Reaktivfarbstoffen angefärbt. Und auch in dem Bereich sind wir sehr zuversichtlich, dass wir da eine geeignete Methode entwickeln werden."
Reaktiv-Rot - so heißt die Gruppe der Textilfarbstoffe, die bisher in Färbeextrakten für Lebensmittel aufgefallen ist. Zuletzt allerdings nicht mehr. Vermutlich hat es sich herumgesprochen, dass bald Nachweismethoden zur Verfügung stehen, vermutet Bing Nguyen Thanh.
"Dass die Nachricht, dass wir daran arbeiten, die Hersteller zum Teil abgeschreckt hat, diese Farbstoffe einzusetzen. Und wir hoffen natürlich, dass es auch so bleibt."