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Lebensmitteltechnologie
Wenn Pflanzen Fleisch ersetzen

Beim Fachkongress der Fleischwirtschaft in Potsdam spielen 2019 ausgerechnet Pflanzen eine extrem wichtige Rolle - und das nicht nur als Gewürz. Die Idee: Mit Kombiprodukten aus tierischem und pflanzlichen Eiweiß Fett einsparen. Doch es gibt noch weitere Ansätze für mehr Nachhaltigkeit.

Von Volkart Wildermuth | 07.08.2019
Blick auf Erbsenschoten einer Pflanze
Heimische Erbsen könnten Proteine für Fleischersatz liefern (imago/Westend61)
Rosmarin als Schinkenmarinade oder Thymian in der Wurst, das hat in der Metzgerei Tradition, vom Pfeffer ganz zu Schweigen. Am Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung in Freising versucht Christian Zacherl den Fleischern Pflanzen aber nicht nur als Gewürz schmackhaft zu machen, sondern auch als integralen Bestandteil für die Wurst.
"In diesem Fall war der Ansatz eben, dass man Fett allgemein ersetzt durch Eiweiße. Und der Vorteil dabei ist eben: Man hat vom Nährwert her das schlechte Fett reduziert. Und das gute Protein, was man ja generell erhöhen möchte im Lebensmittel, das hat man eben dann noch angereichert."
Umgestülpte Proteine senken den Fettgehalt von Wurst
Nun verhalten sich Pflanzeneiweiße ganz anders als Fette. Deshalb versetzt Christian Zacherl den Proteinen der Lupine sozusagen einen Schock mit konzentrierter Salzlake.
"Normalerweise kann man sich das Protein wie ein großes Wollknäuel vorstellen, wo außen die Stellen liegen, die lieber Wasser mögen, und in der Mitte sind dann diese wasserabweisender Stellen. Und durch diesen Prozess haben wir es geschafft, das Protein so umzustülpen, dass sie an der Oberfläche wie kugelförmige Fettkügelchen wirken. Und eben dort im Mund quasi als Gleitmittel wirken - was sonst das Fett als Funktion übernehmen würde, hat eben dort das Proteinkügelchen übernommen."
Mit dem umgestülpten Lupineneiweiß kann man beispielsweise den Fettgehalt einer Mettwurst von rund 40 auf nur drei Prozent absenken, ohne dass sich das Fleisch-Pflanzen-Mischprodukt im Mund anders anfühlt – oder merklich anders schmeckt. Die Metzger haben schon Interesse an dem Fettersatz angemeldet, und, nebenbei, auch Pralinenhersteller.
Salz einsparen durch Pflanzenstoffe
In seiner Versuchsküche nutzt Christian Zacherl aber auch noch andere pflanzliche Zutaten. Zum Beispiel Hopfen, um die Haltbarkeit von Würsten zu steigern, oder Qualler von der Nordseeküste – als Salz-Ersatz.
"Das ist eine spezielle Pflanze, die so einen Mineralien-Mix hat, der salzverstärkend wirkt - die eben sehr salzig schmecken, obwohl wenig Salz an sich drin ist. Und das kann man dann eben sehr gut nutzen, um Salz in verschiedene Lebensmittel auch ersetzen zu können."
Weil viele Menschen generell zu viel Salz essen, wird es in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Nährwertkennzeichnung spielen. Für die Metzger gibt es also gute Gründe, hier auf die Hilfe von Pflanzen zu setzen. In den Supermärkten gibt es seit einiger Zeit sogar komplett vegetarische Fleischersatzprodukte, die nicht nur so schmecken wie das Original, sondern auch den typischen Biss haben und – dank roter Bete - sogar blutig wirken. Ein guter Anfang, findet Azad Emin, der am Karlsruher Institut für Technologie an Fleischalternativen forscht.
Auf dem Weg zum Gemüse-Metzger
"Es gibt Lösungen für Fertiggerichte und Burger, aber die Leute wollen ja auch zuhause kochen. Auf lange Sicht brauchen wir eine Art Gemüse-Metzger."
Dessen wichtigstes Küchenutensil wird wohl ein Extruder sein - eine Maschine, die einen Pflanzenbrei voranpresst und parallel gezielt erhitzt oder kühlt. Dabei entstehen Scherkräfte, die die Eiweiße strecken und parallel anordnen. Aus einer Art Pflanzeneiweißteig entsteht dabei ein faseriges Produkt, das an die Struktur von Hähnchenfleisch erinnert. Noch ist das alles mehr Küchenmagie als Wissenschaft. In Karlsruhe werden die Prozesse im Extruder deshalb im Detail untersucht.
"Das wichtigste Ergebnis lautet: Es kommt gar nicht darauf an, woher die Proteine stammen, ob man mit Sojaeiweiß, Raps oder Hafer arbeitet. Die Konsistenz des Teiges bestimmt am Ende die Struktur der Proteine."
Erbse statt Soja
Die Karlsruher Erkenntnisse sollen den Lebensmittelhersteller helfen, ganz gezielt attraktive Pflanzenprodukte zu entwickeln, die auch Fleischliebhabern das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. Damit die neuen Lebensmittel auch möglichst nachhaltig sind, will Christian Zacherl das Veggiefleisch in Zukunft nicht aus importiertem Soja herstellen, wie heute üblich, sondern aus heimischer Erbse. Da gibt es aber ein Problem:
"Also das Erbsenprotein bringt an sich einen deutlich intensiveren Geschmack mit als Soja. Das erste ist, einmal zu wissen: Was schmeckt denn erbsig? Und das zweite ist dann: Wie kann man es überdecken oder verhindern, dass es 'erbsig' schmeckt?"
Ideen, wie das gehen könnte, gibt es schon, damit Grillfans in Zukunft mit gutem Gewissen in geschmacksechte Pflanzensteaks aus heimischer Produktion beißen können.