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Lebensmittelzutaten
Wie Hersteller Verbraucher über Zusatzstoffe täuschen

Wer sich gesund ernähren will, der achtet auf die Zutatenliste auf Lebensmittelverpackungen. Noch vor einigen Jahren fanden sich darauf oft Zusatzstoffe, die ein "E" vor sich hertrugen - Sie sind inzwischen auf dem Rückzug. Molkeneiweiß-Erzeugnisse stellen den Verbraucher vor neue Herausforderungen.

Von Mischa Erhardt | 29.11.2017
    Eine kritische Verbraucherin studiert die Angaben auf einer Mayonnaise Verpackung.
    Was ist drin in unseren Lebensmitteln? Laut Experten ist es nicht immer das, was darauf steht. (imago stock&people)
    Gesundheit und die passende Ernährung dazu – natürliche Inhalts- und Zusatzstoffe stehen hoch im Kurs in den Messehallen in Frankfurt, zumindest versprechen das die zahlreichen Plakate, Werbeslogan und Informationsbroschüren. In der Tat findet der Besucher in den hohen Messehallen fast an jedem Stand eine einladende Theke, auf der kleine Probierportionen stehen. Hübsch angerichtet, frisch, appetitlich. Viele der im Hintergrund prangenden Firmennamen kennt der Normalverbraucher nicht; wer hier ausstellt, der wendet sich in erster Linie an andere Firmen. Gehandelt werden mehr oder minder natürliche Produkte, die in ihre Einzelteile pulverisiert sind. Meggle macht da keine Ausnahme. Bei Verbrauchern bekannt für Butter- und Milchprodukte, hat auch dieses Unternehmen aus Bayern tonnenweise Pülverchen auf Lager, denen wir im Alltag oft begegnen.
    "Das ist zum einen die Backwarenindustrie, die Backwaren herstellen, das ist die Spezialitäten- und Fleischwarenindustrie, die Milchproteine und Milchzucker verwenden und das kann auch die Molkerei Industrie sein, um Joghurt herzustellen. Also das geht in wirklich sehr viele Bereiche der Nahrungsmittelindustrie."
    Sagt der Chef der Produktentwicklung bei Meggle, Ulrich Marcher. Und natürlich begegnet Meggle auch Kaffee-Liebhabern täglich, die ihre Koffein-Ration an einem Automaten abholen.
    "In diesen Automaten haben wir Produkte, die den Kaffee weiß machen, wo Milchkomponenten drin sind und so in dieser Industrie vorhanden sind."
    Petition für eine ehrliche Zutatenliste
    Rohstoffe, Nahrungsmittel in Einzelteile zerlegt und dann in Lebensmitteln weiter verarbeitet ist ein wachsender Markt – zumindest wird die Messe Food Ingredients von Mal zu Mal größer. Eines der aktuellen Themen, das die Branche umtreibt ist "Clear Label", also ein sauberes Etikett. Denn Zusatzstoffe im Essen sind bei vielen Verbrauchern einigermaßen verrufen. Wer eine Liste von E-120 bis E-620 auf einer Packung liest, wird sie im Zweifel beim Einkauf links liegen lassen. Eine Kontrolle in meinem eigenen Kühlschrank überrascht mich positiv: Obwohl ich nicht peinlich genau jedes Etikett studiere, ist mein Kühlschrank vollkommen frei von E-Zusatzstoffen. Christian Niemeyer ist über diesen Befund weniger überrascht. Er hat ein kleines Museum in Hamburg ins Leben gerufen – das Zusatzstoff-Museum. Und er hat eine Petition aufgesetzt – eine Initiative für ehrliche Zutatenlisten.
    "Wenn Sie einen Begriff lesen wie Molkeneiweiß-Erzeugnis, dann ist das ein großer Markt, denn Molke ist ein günstiger Zusatzstoff. Das sind alles schöne Begriffe. Aber das, was als "Kartoffelprotein" ausgewiesen ist, das ist eben keine Kartoffel sondern ein spezielles Eiweiß das eine Funktion übernimmt im Lebensmittel."
    Alles aus der Kartoffel rausholen
    In einer Messehalle nebenan steht ein Stand von Avebe. Ein niederländisches Unternehmen mit Niederlassung in Deutschland. Avebe holt so ziemlich alles aus der Kartoffel raus – und liefert so beispielsweise Kartoffelstärke und Kartoffelproteine. Zwei Prozent einer Kartoffel seien noch nicht der Verwertung zuführbar, man arbeite aber an dem Problem. Für die vegetarische Variante einer hierzulande bekannten Wurstmarke liefert Avebe einen aus der Kartoffeln extrahierten Zusatzstoff, der die Textur der vegetarischen Wurst angenehmer, sprich: geschmeidiger macht.
    "Das sind Zutaten, die wir anbieten. Und das ist auch der Vorteil bei unseren Rohstoffen. Sie sind E-Nummern frei, sie sind Allergenfrei und können in der Regel als Zutat deklariert werden."
    Sagt die Avebe-Sprecherin Sandra Vennemann-Toppka.
    "Clean Label ist das große Thema, E-Nummern frei, möglichst wenig Zutaten auf der Zutatenliste. Da sind wir im Moment stark damit beschäftigt, Grundlagenforschung zu betreiben."
    Unter anderem das ist es, wogegen sich Christian Niemeyer wendet: Den Austausch von Zusatzstoffen, die auf den Verpackungen angegeben werden müssen gegen andere Zutaten, die zwar eine ähnliche Funktion haben, aber nicht ausgewiesen werden müssen.
    "Unsere Meinung nach müssten die ausgewiesen werden, denn sonst hat der Verbraucher keine Chance zu wissen, sich zu informieren, wie so ein Produkt verarbeitet ist und welche Zusätze vielleicht noch notwendig sind."