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Lehre ohne Betrieb

Matthias hat einen Ausbildungsplatz als Bürokaufmann. Seinen Lehrvertrag hat er allerdings nicht mit einem "normalen" Ausbildungsbetrieb geschlossen, sondern mit einem Bildungsträger in der Region.

Von Agnes Steinbauer | 14.10.2005
    " Meinen Praxisvertrag, den habe ich mit der Integra GmbH. Die haben zu tun mit Archivierung und Digitalisierung von Daten und Dokumenten."

    Wie viele seiner Mitschüler der berufsbildenden Schulen im Altmarkkreis Salzwedel lernt er seinen Beruf außerbetrieblich.

    " Physiotherapeutin war so etwas gewesen, was ich echt gerne gemacht hätte, aber das wird ja staatlich nicht mehr gefördert. Man muss ja auch selber die Schulen bezahlen und das kann man sich gar nicht leisten, auch die Eltern nicht."

    Dass das mit dem Traumberuf nicht immer so einfach ist, das wurde Manja nach vielen Bewerbungen klar. Nach ihrem Realschulabschluss hat sie zunächst in verschiedene Bereiche hinein geschnuppert. Heute sitzt sie - ebenfalls als außerbetrieblicher Azubi im zweiten Lehrjahr - mit Mathias in der Salzwedeler Klasse für Bürokaufleute:

    " Wir haben die Vorteile, wenn wir Probleme haben können wir zu unserem Bildungsträger hingehen, wenn wir nicht so richtig hinterher kommen, lernen die mit uns nach, und wenn wir Fragen, Anregungen Probleme haben, können wir damit dort hingehen,"

    findet Maria. Nach ihrer außerbetrieblichen Ausbildung will sie in das elterliche Versicherungsbüro einsteigen. Rund ein Drittel von knapp 1750 Berufsschülern in Salzwedel gehen außerbetrieblich in die Lehre. In Sachsen-Anhalt haben nur die Hälfte der Schulabgänger Aussichten auf einen betrieblichen Ausbildungsplatz. Für Schulleiter Peter Lahmann sind außerbetriebliche Lehrstellen nicht nur unverzichtbar, weil sie Berufschancen eröffnen:

    " Das ist nicht nur eine Frage der Wirtschaftlichkeit, sondern auch eine Frage der Erziehung und der Persönlichkeitsentwicklung in dem Alter. Mit der Berufsausbildung gewinnt ein junger Mensch auch seine Identität. Wenn man jemanden trifft, ist das Nächste zu fragen: Was machst du, was arbeitest du, was hast du denn gelernt?"

    Zwar weiß Lahmann, dass viele schwache Schüler, oft mit sozialen Problemen, leichter außerbetrieblich eine Lehrstelle finden und dass solche Ausbildungsplätze deshalb manchmal verrufen sind. Klar ist aber auch, dass in der derzeitigen Ausbildungsmisere selbst gute Schüler mit höheren Bildungsabschlüssen häufig nur auf dem zweiten Ausbildungsmarkt eine Chance haben. Als Azubis zweiter Klasse sehen sich die Salzwedeler Berufsschüler in außerbetrieblicher Ausbildung keinesfalls. Manche haben sogar die Erfahrung gemacht, dass auch betriebliche Lehrstellen nicht immer ideal sind:

    " Ich habe meine Ausbildung in einem Autohaus begonnen und da war das so, dass ich den ganzen Tag rumgesessen habe. Da hatte ich nichts zu tun als Kaffee kochen und auf den Feierabend warten und in dem Betrieb, in dem ich jetzt bin, da werde ich voll integriert in die Firma und kann selbstständig jede Arbeit verrichten,#

    erzählt der Azubi, der jetzt in einem Handelsunternehmen über das Jugendförderungszentrum in der Altmark-Region einen Ausbildungsplatz hat. Dass man in einer außerbetrieblichen Lehrstelle weniger gefördert und gefordert werden könnte, diese Erfahrung haben die jungen Leute nicht gemacht:

    " Ich würde sogar sagen, dass wir noch mehr lernen. Wenn ich jetzt bei einem richtigen Betrieb meine Ausbildung mache, dann bin ich die drei Jahre bei diesem Betrieb und beim Bildungsträger ist es so, im ersten Lehrjahr war ich bei LDS und im zweiten Lehrjahr habe ich jetzt bei dieser Integra GmbH und das kann sein, dass ich im dritten Lehrjahr schon wieder bei einer anderen Firma bin. Das heißt, man lernt über mehrere Bereiche, was man bei einer normalen betrieblichen Ausbildung nicht hat."

    Das erhöhe sogar noch die Berufschancen später. Für die jungen Leute überwiegen die Vorteile einer außerbetrieblichen Ausbildung - bis auf eine Kleinigkeit:

    " Nachteile: Zu wenig Geld, weniger als alle anderen haben wir, wir verdienen im ersten Lehrjahr so 179 Euro. Die anderen haben dann meist schon so zwischen 300 und 400 Euro oder mehr, das ist der Nachteil. Das zieht sich durch die ganzen drei Jahre so hin.