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Lehrermangel
Anerkennung ausländischer Abschlüsse dauert zu lange

In Deutschland herrscht akuter Lehrermangel, auch in Sachsen. Der Freistaat wirbt inzwischen um Lehrkräfte aus dem Ausland. Doch die Anerkennung ihrer Studienabschlüsse nimmt zu viel Zeit in Anspruch. Der sächsische Kultusminister verspricht nun Verbesserungen.

Von Bastian Brandau | 23.01.2020
Schüler in einem Klassenzimmer in einer Grundschule in Berlin-Tempelhof.
Sachsen brauche mehr Lehrpersonal mit Abschluss aus dem Ausland, sagt der sächsische Kultusminister Piwarz (CDU) (imago images / photothek)
Eine Musikschule im Leipziger Zentrum. Drei Klavierschüler wird Cecila Barrios Bulling heute noch unterrichten. Die 57-Jährige, Brille und schwarze lange Haare, arbeitet außerdem als Chorleiterin. Übergangsjobs, wenn es nach der promovierten Musikpädagogin geht. Sie würde gern hauptberuflich das tun, was sie auch schon in ihrer Heimat Chile getan hat.
"Das liegt mir sehr am Herzen, Kinder in den Schulen zu motivieren, Kindern musikalische Interaktion beizubringen und zu begleiten, diese Lernprozesse zu begleiten. Weil dies sind die Leute, die in der Zukunft ihr ästhetisches Urteilsvermögen entwickeln können und sich für die Musik interessieren als zukünftiger Zuhörer, nicht nur Interpreten."
In Chile unterrichtet Barrios Bulling lange Jahre an deutschen Schulen, bildet zudem Musiklehrer aus. 2014 kommt sie nach Leipzig, mit einem Promotionsstipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Für eine musikpädagogische Studie zum interaktiven Lernen lässt sie Kinder an Schulen gemeinsam komponieren, entwickelt dazu Lernkonzepte. Und lernt das deutsche Schulsystem in der Praxis kennen.
"Ich hab immer gehört, dass ein Mangel an Musiklehrern in Deutschland herrscht, in Sachsen sowieso und in Berlin hab ich das auch gehört, wo ich auch geforscht habe. Dass dringend Lehrer und Musiklehrer sowieso gesucht werden."
18 Monate nach Antragstellung noch keine Antwort
Ihre Chance nach der Promotion, denkt Cecilia Barrios Bulling. Und stellt einen Antrag auf Anerkennung ihrer chilenischen Zeugnisse. Den Eingang bestätigt das sächsische Landesamt für Schule und Bildung am 19. Juli 2018. Im Oktober 2019 schließt sie ihre Promotion ab. Barrios Bulling würde gern in Deutschland bleiben. Dafür braucht sie langfristig einen sozialversicherungspflichtigen Job. Sie habe sich immer wieder per Mail und telefonisch nach ihrer Bewerbung erkundigt, sagt Barrios Bulling, lobt die Freundlichkeit der Sachbearbeiter. Doch eine endgültige Antwort stehe auch über 18 Monate nach dem Antrag auf Anerkennung noch aus.
"Meinem Wissen nach sollte es etwa drei Monate dauern, bis man eine Antwort bekommt. Ich kann verstehen, dass es vielleicht sechs bis zu neun Monate dauert, es waren zwei Verfahren. Es war mein Diplom als Musiklehrerin und auch die Anerkennung meines Studiums als Grundschullehrerin. Aber inzwischen sind das 18 Monate, und das ist für mich doch ein Widerspruch."
Minister: "Ein unbefriedigender Zustand"
In Sachsen fehlen Lehrkräfte, der Freistaat wirbt mit einem Internetauftritt auch um Lehrkräfte aus dem Ausland. Wer einen Antrag auf Anerkennung seines ausländischen Abschlusses stellt, erhalte in vier Monate eine Antwort, steht dort. Drei Monate sind es laut dem sächsischen "Befähigungs-Anerkennungs-Gesetz". Doch die Praxis, so hört man, scheint häufig wie bei Cecilia Barrios Bulling eine andere. Man sei personell im vergangenen Jahr an die Grenzen gekommen, heißt es beim zuständigen Landesamt für Schule und Bildung. Er kenne den Einzelfall nicht, sagt der sächsische Kultusminister Christian Piwarz von der CDU. Aber:
"Wir haben das Problem, dass wir dort personell am Limit arbeiten. Wir haben eine Vielzahl von Anträgen, nicht zuletzt durch die Flüchtlingswelle 2015/16, wo in kurzer Zeit ein deutlicher Anwuchs dieser Fallzahlen stattgefunden hat. Und wir haben ja an anderen Stellen erhebliche Anstrengungen unternommen, um Personalvorgänge abzuarbeiten, Stichwort Verbeamtung. Und das nächste Augenmerk sind jetzt die Anerkennungen, insofern müssen wir dort schneller werden. Aber wenn sie tatsächlich eineinhalb Jahre keine Antwort bekommen hat, dann ist das ein unbefriedigender Zustand."
Denn, so sagt Piwarz, Sachsen brauche mehr Lehrpersonal mit Abschluss aus dem Ausland. Und Musik gehört bundesweit zu den Mangelfächern.
Alternative Berufsplanung wegen Zeitverzug
Sie fühle sich in Leipzig sehr wohl, sagt Musiklehrerin Cecilia Barrios Bulling. Aber sie würde auch in ein anderes Bundesland ziehen. Inzwischen bewirbt sie sich auch auf andere Stellen außerhalb der Schule. Zu den Verzögerungen kommt hinzu, dass sie eventuell noch ein zweites Fach studieren müsste, um in Sachsen als Lehrerin arbeiten zu können. Darüber aber zumindest hätte sie gern eineinhalb Jahre nach ihrem Antrag Klarheit: "Ich möchte eine Antwort bekommen, so schnell wie möglich."