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Lehrermangel
Lockmittel Verbeamtung

In Deutschland herrscht ein Lehrkräftemangel, der sich aufgrund der Altersstruktur der Lehrerkollegien weiter verschärfen wird. Im Kampf um Lehrpersonal möchte die Berliner SPD den Beamtenstatus wiedereinführen. Ob dies reicht, den Arbeitsplatz attraktiver zu machen, ist fraglich.

Von Claudia van Laak | 28.10.2019
Auf einer Demonstration vor dem Berliner Reichstag ist ein Plakat mit der Aufschrift "Gerechtigkeit im Lehrerzimmer" zu sehen.
Ob Lehrerinnen und Lehrer als Beamte oder Angestellte beschäftigt werden, könnte darüber entscheiden, ob Berlin seinen Lehrkräftemangel erfolgreich bekämpfen kann. (dpa/Bernd von Jutrczenka)
Es ist 15 Jahre her. 2004 entschied der Berliner Senat, neu eingestellte Lehrkräfte nicht mehr zu verbeamten. Hauptargument waren damals die Finanzen – die große Belastung des Landeshaushalts durch die Pensionen für Beamtinnen und Beamte. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller hat inzwischen seine Meinung geändert. Der SPD-Politiker sagte auf dem Landesparteitag:
"Wir konnten und wollten uns nicht alles leisten, es gab mehrere Bundesländer, die nicht verbeamtet haben, inzwischen hat sich die Welt weitergedreht, inzwischen zahlen wir den Berufsanfängern über 5.000 Euro Einstiegsgehalt. Inzwischen sind wir das einzige Bundesland, das nicht mehr verbeamtet. Und ich glaube, wir können diesen Wettbewerbsnachteil nicht länger akzeptieren, im Interesse unserer Kinder und Jugendlichen."
Abwanderung von Lehrpersonal macht Berlin zu schaffen
Es ist die Abwanderung in andere Bundesländer, die Berlin zu schaffen macht. Sie steigt massiv an. Pro Schule würden jährlich etwa ein bis zwei Lehrer das Kollegium verlassen, rechnete Spandaus SPD-Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank vor. Dies sei eine Katastrophe, besonders für die Brennpunktschulen.
"Diese Kinder, gerade diese Kinder erleben durch den verstärkten Weggang von diesen Schulen Beziehungsbrüche. Sie erleben Verlusterfahrungen. Und sie machen die Erfahrung, dass sie sich auf Schule, dass sie sich auf diese Gesellschaft nicht verlassen können. Aus meiner Sicht ein ganz wesentlicher Aspekt, der hier für uns eine große Rolle spielen sollte, in dem wir alles unternehmen, um die Lehrkräfte zu halten."
Finanzielle Vorteile für verbeamtetes Personal
Ob in jedem einzelnen Fall die Verbeamtung für den Wegzug ausschlaggebend ist, das weiß niemand. Tatsache ist allerdings: ein Beamter im Klassenzimmer hat gegenüber einem Angestellten einen finanziellen Vorteil von jährlich etwa 9.000 Euro – so hat es der Finanzsenator vorgerechnet. Helmut Kleebank aus Spandau:
"Die Verbeamtung muss ein Baustein neben anderen sein, um das Problem zu lösen. Über die können wir gerne diskutieren. Aber es ist die notwendige Voraussetzung, weil wir sonst die Basis nicht mehr haben, um die anderen Bausteine zur Qualitätsentwicklung umzusetzen. Denn dafür müssen wir die ausgebildeten Lehrkräfte halten. Wenn sie uns weiter davon laufen, wird auch das nicht gelingen."
Doch auch in der Berliner SPD sind längst nicht alle dafür, den Beamtenstatuts für Lehrerinnen und Lehrer wieder einzuführen. Der Finanzsenator ist dagegen, auch die Jusos halten nichts davon. Juso-Vorsitzende Annika Klose:
"Dass die Lehrerinnen und Lehrer wegen der Verbeamtungsfrage Berlin verlassen, ist ja sehr fraglich. Das wurde nie erhoben. Es gibt auch sehr viele andere Gründe, warum besonders Referendarinnen und Referendare aus der Stadt abwandern. Ein Punkt könnte die Lehrverpflichtung sein, die im Nachbarland Brandenburg deutlich geringer ist."
Alle Länder suchen Lehrkräfte
Ein weiteres Argument gegen die Verbeamtung: unabhängig vom Status haben alle Länder Probleme, ihre Lehrerstellen zu besetzen. Monika Buttgereit, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bildung in der Berliner SPD, nannte Sachsen als Beispiel – vor einem Jahr sei Sachsen zum Beamtenstatus zurückgekehrt. Aber:
"Die haben ihren Bedarf bei Weitem nicht decken können. Die haben weniger voll ausgebildete Lehrkräfte einstellen können als wir hier in Berlin ohne Verbeamtung."
Mit knapper Mehrheit stimmten die Delegierten am Ende dafür, Lehrerinnen und Lehrer in Berlin künftig wieder zu verbeamten. Doch ob es in dieser Legislaturperiode dazu kommen wird, ist höchst fraglich. Sind doch die beiden Koalitionspartner Linke und Grüne weiterhin dagegen. Für Silke Gebel, grüne Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, ist das Finanzargument das entscheidende.
"Dass wir heute für die Beamten weniger ausgeben, aber am Ende als Land für die Pensionen mehr Geld zur Verfügung stellen müssen. Das bedeutet: Ich muss jetzt eigentlich schon die Pensionen abbilden, und dann bin ich wieder bei der gleichen Summe wie die Angestellten. Deswegen ist das Argument, das ist günstiger und die Leute sind motivierter, das stimmt eigentlich nicht."
Außerdem hat Rot-Rot-Grün im Koalitionsvertrag verankert, dass es keine Rückkehr zur Verbeamtung geben wird.
Es bleibt also dabei: als Beamter in Brandenburg unterrichten, aber in Berlin leben. Für viele Lehrerinnen und Lehrer ist das der Idealzustand.