Donnerstag, 25. April 2024

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Lehrlingsprämie nicht für alle

Das Vorhaben der Bundesregierung, Betriebe, die neue Ausbildungsplätze schaffen, finanziell zu unterstütze, hat der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Otto Kentzler, kritisiert. "Es ist auch für unsere Betriebe eine kleine Ohrfeige", da viele Handwerksbetriebe bereits ohne Zusatzboni Ausbildungsplätze anbieten würden. Daher solle nur für Ausbildungsmaßnahmen von Geringqualifizierten eine Unterstützung gezahlt werden.

Moderation: Jürgen Zurheide | 05.04.2008
    Jürgen Zurheide: Die Bundesregierung hat eine Qualifizierungsoffensive gestartet. Dabei geht es vor allen Dingen um die Frage, wie man 200.000 Jugendliche, die in der Vergangenheit unversorgt geblieben sind - so heißt das, wenn man keine Lehrstelle bekommt -, wie man diese Jugendlichen wieder an einen Beruf und an eine Ausbildung heranführen kann.

    Die Bundesregierung möchte vor allen Dingen jene Unternehmen unterstützen, mit Geld unterstützen, mit Subventionen unterstützen, die solchen jungen Menschen einen Ausbildungsplatz anbieten. Da gibt es nun Kritik, denn er eine oder andere sagt, damit wird der Falsche und das Falsche gefördert. Vor allen Dingen kommt solche Kritik vom Handwerk, und darüber wollen wir jetzt reden mit Otto Kentzler, dem Präsidenten des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks. Guten Morgen, Herr Kentzler!

    Otto Kentzler: Guten Morgen!

    Zurheide: Herr Kentzler, zunächst einmal: Die Bundesregierung will sich besonders um jene kümmern, die bisher keine Ausbildungschancen gehabt haben. Rund 200.000 junge Menschen sollen das sein. Die sollen einen Bonus bekommen. Sie sind da nicht ganz glücklich, weil Sie Mitnahmeeffekte befürchten. Was ist Ihre Sorge?

    Kentzler: Ja, die Sorge, dass dieser Bonus auch die mitnimmt, die in der sogenannten Warteschleife sind, um sich weiterzubilden und sich zu verbessern und bessere Ausbildungschancen zu bekommen, dass die eben auch beteiligt werden dadurch. Wir hoffen, dass es wirklich nur die Benachteiligten sind, dafür ist es sinnvoll, weil die Benachteiligten ja nicht nur zusätzliche Kosten für die Betriebe sind, sondern man muss diese Benachteiligten auch zusätzlich an die Hand nehmen.

    Dazu sollen ja diese Kosten sein. Und da macht es Sinn. Also, wenn das nur für Benachteiligte geht, so wie wir es vorgeschlagen haben - schlechten Abschluss in der Hauptschule oder zwei Jahre in der Warteschleife -, dann macht es Sinn, da vielleicht etwas zuzutun. Aber es ist auch für unsere Betriebe eine kleine Ohrfeige, denn unsere Betriebe machen das schon, ohne Bonus.

    Zurheide: Was müsste denn passieren, damit es eben nicht diese Mitnahmeeffekte gibt, die Sie nicht haben wollen, ganz konkret?

    Kentzler: Ganz konkret, was ich Ihnen schon gesagt habe, dass man das ganz eindeutig einschränkt und sagt, mindestens oder unter einer Vier aus dem Hauptschulabschluss oder zwei Jahre in irgendwelchen anderen Maßnahmen, ohne eine Lehrstelle bekommen zu haben. Dass man also wirklich erkennt, das ist ein Benachteiligter, der wird es schwer haben, in den Lehrstellenbereich hineinzukommen, da könnte es die Sache begünstigen.

    Zurheide: Aber das Grundproblem liegt doch offenkundig in den Schulen, dass wir jedes Jahr bis zu 80.000 junge Menschen ohne Schulabschluss haben. Sie verlangen natürlich immer, dass die Bildungsministerin und -minister das regeln in den Ländern. Warum passiert aus Ihrer Sicht so wenig?

    Kentzler: Weil man sich in den Ländern nicht überall einig ist. Wir müssen das erreichen, was die Länderkommission auch zugesagt hat, was die Kultusministerkonferenz zugesagt hat, das zu halbieren in den nächsten Jahren. Das ist ein hohes Ziel. Aber ich glaube, man kann es erreichen, denn wir erkennen es ja bei den jungen Damen und Herren, die bei uns Praktika machen und die aus den Praktika heraus von uns eine Zusage zu einer Lehrstelle bekommen. Die geben ja dann Gas und bekommen bessere Noten. Also der Anreiz, der ist vorhanden. Ich muss sie nur umsetzen und muss auch die Lehrer fit machen, dass sie eine Vorbereitung in Berufsbildung auch begleiten.

    Zurheide: In der Industrie heißt es, wir laufen möglicherweise auf einen Fachkräftemangel zu, da lehnen Sie sich als Handwerker zurück und sagen, na ja, wir haben immer gut ausgebildet, ihr in der Industrie nicht, jetzt leidet ihr, oder wie sehen Sie das?

    Kentzler: Ja, das wäre zu einfach. Erst mal zu kurz gesprungen, denn das Gleiche ist ja bei uns auch mittlerweile der Fall. Nehmen Sie die neuen Bundesländer, da haben wir jetzt schon weniger Schulabgänger, das heißt, da werden die Lehrstellen auch mehr sein als die Bewerber. Das heißt, von daher wird der Facharbeitermangel auch relevant in diesen Bereichen. Und es ist deswegen für uns so traurig, dass das auch bei uns hineinschwappt, weil die wenig gut Ausgebildeten auch zu wenig Mut haben, auf die Betriebe hinzugehen. Ich rate ihnen auch immer, auch wer schlechte Noten hat, geht doch zu den Meistern. Wenn ihr persönlich einen guten Eindruck macht, dann werdet ihr auch genommen. In den Betrieben wird nicht nur immer nach den Noten beurteilt, sondern das persönliche Auftreten spielt auch eine ganz große Rolle.

    Zurheide: Es hat Veränderungen an der Handwerksordnung gegeben, da sind Sie Sturm gegen gelaufen. Es gibt neue Konkurrenz von weniger Qualifizierten als denen, die bei Ihnen organisiert sind. Wie sehen Sie das nach einiger Zeit jetzt, hat sich das am Markt bereinigt, hat sich Qualität durchgesetzt oder fürchten Sie immer noch die Konkurrenz derjenigen, die aus dem Ausland vielleicht ganz schnell zugehen und hier die Zimmer fliesen und Ihnen die Arbeit wegnehmen, so haben Sie es ja gesehen?

    Kentzler: Die Qualität setzt sich durch, da bin ich fest von überzeugt. Wir haben aber das Problem nach wie vor. Und vor allem, das Schlimme ist, es sind ja nicht nur die aus den neuen Beitrittsländern der EU, die zu uns kommen, es sind ja auch viele, die sich aus der Not heraus selbstständig gemacht haben. Und das sind alles zum Teil auch Unqualifizierte, die auch deswegen nicht ausbilden können. Und deswegen suchen wir im Moment nach Möglichkeiten, vielleicht zwei oder drei kleinere Betriebe zusammenzufassen, die dann eine Ausbildungsstelle zur Verfügung stellen, um die mit hineinzuziehen.

    Denn diese persönliche Qualifizierung, wofür Handwerk ja steht, bis hin zum Meister, das ist, glaube ich, das höchste Gut, was wir in dieser Republik haben. Das dürfen wir nicht durch Änderungen der Handwerksordnung auf den Kopf stellen. Gerade die persönliche Qualifikation, die wir ja anmahnen, auch in den universitären Laufbahnen, die dürfen wir doch in der beruflichen Bildung nicht infrage stellen.

    Zurheide: Kommen wir noch mal auf Ihr Verhältnis zur Politik. Gerade bei der Handwerksmesse konnte man das sehen, das ist nicht das Allerbeste. Sie mahnen immer wieder an, deutliche Senkungen bei den Belastungen für die Menschen, da muss mehr netto in die Tasche. Sie wollen nicht unbedingt höhere Löhne zahlen, aber mehr netto muss da rein. Die Politik geht aber oft in die andere Richtung. Jetzt kommt der Gesundheitsfonds als Beispiel. Was erwarten Sie davon?

    Kentzler: Ja, der Gesundheitsfonds wird auch ein Kostentreiber sein, weil man jetzt schon weiß, dass die gesamte Kassenlandschaft einen einheitlichen Satz dann erheben wird, der irgendwo bei 15,5 Prozent liegt. Und wenn Sie Innungskrankenkassen in unseren Bereichen sehen, die bei 12,5, 12,8 liegen, werden Sie sehen, dass dann wieder Arbeit teurer wird. Das heißt, die Lohnzusatzkosten, die man nachhaltig ja unter 40 halten wollte, die gehen wieder über die 40-Marke hinaus. Und deswegen sind wir der Meinung, da sind andere Wege möglich und besser.

    Zurheide: Sie wollen den Gesundheitsfonds stoppen?

    Kentzler: Wir werden ihn nicht stoppen können, davon bin ich überzeugt, aber…

    Zurheide: Sie würden es gerne?

    Kentzler: Wir würden es schon gerne stoppen, weil wir es für den falschen Weg halten. Aber er ist in dieser Koalitionsvereinbarung verabredet, und man muss dann auch solche Verabredungen einhalten, man muss sich darauf einstellen. Und wir müssen jetzt Wege suchen, um dann die Konkurrenzfähigkeit der Kassen untereinander wieder zu differenzieren, dass man erkennt, welche Kasse ist denn besser als die andere. Sonst können wir gleich eine Einheitskasse wählen.

    Zurheide: Letztes Stichwort: Mindestlöhne. Sie sind da skeptisch auf diesem Feld. Der eine oder andere auch aus dem Unternehmerlager, der für Mindestlöhne ist, sagt, wir haben dann gleiche Bedingungen und die Konkurrenzsituationen sind kalkulierbarer. Dieses Argument überzeugt Sie nicht. Warum nicht?

    Kentzler: Nein, das überzeugt uns deswegen nicht, weil wir natürlich durch unsere Vielzahl der Berufe es schwer haben, dann auch überall Mindestlöhne einzuführen. Wir haben ja durch diesen Niedriglohnsektor die Möglichkeit, Unqualifizierte zu beschäftigen. Überlegen Sie mal, wir würden den Mindestlohn so anheben, dass wir diese Unqualifizierten nicht mehr in Brot und Arbeit bringen, dann sähe es in dieser Republik mit den Arbeitslosenzahlen wieder ganz anders aus. Also wir haben ja viele Mittel, begleitende Mittel des Staates, die dort greifen. Und ich glaube nicht, dass wir das mit Mindestlöhnen verbessern können.

    Zurheide: Danke schön. Das war Otto Kentzler, der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerkes.