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"Leichte Lockerungsübungen in der politischen Struktur"

Der Vize-Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, Günther Maihold, sieht nach dem Machtwechsel von Fidel zu Raul Castro eine Öffnung Kubas insbesondere im wirtschaftlichen Bereich. Diese ökonomischen Lockerungen gingen zwar einher mit einer gewissen politischen Öffnung. Dies geschehe jedoch nur im "Schneckentempo", betonte der Politologe.

Moderation: Philipp Krohn | 29.04.2008
    Philipp Krohn: Im Februar hat Raul Castro seinen Bruder Fidel als kubanischer Staatschef abgelöst. Seither beobachten die Berichterstatter eine leichte Lockerung des starren sozialistischen Systems. Der Begriff Perestrojka fällt in diesem Zusammenhang. Gestern kündigte Raul Castro an, dass mehrere Todesurteile in Haftstrafen umgewandelt werden sollen. - Am Telefon begrüße ich den Lateinamerika-Kenner und stellvertretenden Leiter der Stiftung Wissenschaft und Politik Günther Maihold. Guten Tag Herr Maihold!

    Günther Maihold: Guten Tag.

    Krohn: Herr Maihold, vollzieht sich zurzeit wirklich der lang erhoffte tiefgreifende Wandel in Kuba?

    Maihold: Es vollzieht sich eine Öffnung insbesondere im wirtschaftlichen Bereich, die auch von leichten Lockerungsübungen in der politischen Struktur des kubanischen Systems begleitet wird. Allerdings muss man sich immer vor Augen halten, dies vor dem Hintergrund einer relativ stark verkrusteten Struktur, die Fidel seinem Bruder hinterlassen hat. Damit sind die Bemühungen auch sehr langfristiger und gegebenenfalls auch einer sich im Schneckentempo vollziehenden Art.

    Krohn: Wie machen sich denn diese Veränderungen für die Menschen in Kuba zum Beispiel bemerkbar?

    Maihold: Zunächst hat es ja Maßnahmen gegeben, die sich insbesondere auf den Bereich der Konsumgüter bezogen haben. Der Kauf von Handys wird ermöglicht, DVDs werden zugelassen, Reiseerleichterungen, der Erhalt von Dollar-Guthaben aus den USA soll ermöglicht werden. Das heißt man hat Gelder mobilisiert, die die Leute unter der Matratze versteckt hatten, um ihnen ein größeres Konsum-Niveau zu ermöglichen. Der eigentliche Punkt wird sein, ob es gelingt, insbesondere im Produktionsbereich, das heißt bei der Vergabe von Agrarflächen an individuelle Bauern oder an Kooperativen einen Produktivitätszuwachs zu erzielen, der es auch erlaubt, die nationale Gesellschaft mit kubanischer Produktion zu versorgen, ohne auf Importe angewiesen zu sein.

    Krohn: Noch fehlt es ja vielen Kubanern an Kaufkraft. Können sie sich denn diese verlockenden Waren, die sie nun ermöglicht bekommen, auch leisten?

    Maihold: Meist eben nur aufgrund der persönlichen Reserven, die sie sich zugelegt haben. Die Gehälter, die im normalen Bereich der kubanischen Wirtschaft liegen, das heißt in dem Bereich, der jenseits des Tourismus liegt, ist es denkbar unmöglich, auf diese Güter Zugang zu erhalten. Insofern leben sie von den Dollar-Einkommen, die ihnen Verwandte aus den USA schicken oder die sie über den Tourismus-Sektor erzielen können.

    Krohn: Nun haben wir bei uns in den Nachrichten gehört, die Hinrichtungen bleiben im Strafenkatalog. Ein bisschen wird gelockert, aber nicht zu viel. Ist das die Strategie der neuen Führung?

    Maihold: Es ist ein Schritt für Schritt Austesten, welche Reformen gangbar sind, wie möglicher Widerstand innerhalb der kommunistischen Partei sich artikuliert, um langsam Schritte in eine Öffnung des Systems voranzugehen. Ein wichtiges Element ist jetzt die Ankündigung von gestern, dass Raul Castro für das zweite Halbjahr 2009 den seit Jahren überfälligen Kongress der kommunistischen Partei organisieren will. Man muss sich erinnern: Fidel hat seit 1997 keinen Kongress mehr durchgeführt und von dem dürfen sicherlich auch Weichenstellungen erwartet werden.

    Krohn: Wird es denn bei diesem Kongress wirklich um eine Umwandlung des Staatswesens gehen?

    Maihold: Wahrscheinlich weniger um eine Umwandlung des Systems, aber um eine Öffnung der Strukturen in Richtung auf größere Mitwirkung und eine stärkere Rolle der Partei. Fidel konnte ja sein Image durch sein Charisma, durch seine Persönlichkeit vor allem legitimieren und Raul Castro hat ja deutlich gemacht, dass er den Schwerpunkt in der Nachfolge von Fidel in der Partei sieht. Die Partei ist der eigentliche Erbe von Fidel.

    Krohn: Weiterhin ist er ja Parteichef und schreibt auch gegen diese Liberalisierungsbestrebungen an. Welchen Einfluss hat Fidel Castro noch?

    Maihold: Es wird immer wieder Querschüsse geben seitens der Hardliner innerhalb der Partei. Fidel hat sich da bisher zurückgehalten und immer wieder erklärt, er wird diese Öffnung unterstützen, aber die Partei ist natürlich in einem Übergangsprozess und insofern sind Rückschläge durchaus denkbar.

    Krohn: Herr Maihold, ist das was wir in Kuba derzeit beobachten können etwas, was man mit dem Begriff Perestrojka belegen könnte?

    Maihold: Es könnte unter den Begriff der Öffnung fallen. Es ist aber sicherlich nicht so einfach auf eine Dimension zu bringen, dass man sagt hier passiert Perestrojka und Glasnost oder hier passiert der chinesische oder vietnamesische Weg, sondern es wird immer ein kubanischer Weg sein, der sich auch stark dadurch definiert, dass die USA der unmittelbare Nachbar sind. Da wird es entscheidend davon abhängen, wie im November eine neue amerikanische Regierung sich positionieren wird.

    Krohn: Was müsste denn passieren, damit sich Raul von diesen Liberalisierungen noch abhalten ließe?

    Maihold: Die Gefahr besteht in dem Moment, in dem eine politische Instabilität im Lande sich darstellt - sei es durch massive Migrationsschübe, dass sich die Bevölkerung wieder auf die Boote setzt und Richtung Miami und Florida bewegt, sei es aber auch, dass innerhalb der Strukturen der Partei sich ein Widerstand artikuliert in Gestalt von Personen, die aus dem System herausgefallen sind und jetzt über die Beschwörung alter Revolutionsideale versuchen, ihre Position zu stärken.

    Krohn: Können denn diese Reformen auch etwas am Verhältnis zu den USA ändern?

    Maihold: Sie sind glaube ich in starkem Umfang eine Funktion des Verhältnisses zu den USA. Das will heißen: Unter dem Embargo der USA kann Kuba im jetzigen Zeitpunkt sehr einfach Innovationen, sehr einfach eine Lockerung des Systems vollziehen. Wenn die USA umschalten würden auf eine Unterstützung der internen Prozesse, würde es für die Führung in Kuba sehr viel schwieriger werden und damit natürlich auch die Sprengkraft einzelner Maßnahmen innerhalb der Gesellschaft deutlicher erkennbar werden, da natürlich das Konsum-Niveau in den USA für viele Kubaner doch ein starker Bezugspunkt ist.

    Krohn: Erwarten Sie eine Änderung in der Kuba-Politik durch eine neue künftige US-Regierung?

    Maihold: Sowohl die Kandidatin Clinton wie auch Obama haben erkennbar gemacht, dass sie die Kuba-Politik überprüfen werden. Von McCain wird man wahrscheinlich so schnell keine Positionsänderung erwarten können, da es für ihn in dem Swingstate Florida darauf ankommt, die Hardliner des kubanischen Exils für sich zu gewinnen. In diesem Sinne ist ein Wandel erkennbar, aber es wird darauf ankommen zu sehen, wie schnell und wie nachhaltig er sich insbesondere im innenpolitischen Konzert der USA durchsetzen kann.

    Krohn: In den "Informationen am Mittag" des Deutschlandfunks war das Günther Maihold, der stellvertretende Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik. Danke für das Gespräch!