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Leichteren Weg nach Deutschland ermöglichen

"Im Interesse unseres eigenen Landes" solle ausländischen Studenten die Möglichkeit gegeben werden, hier zu arbeiten. Das fordert Dieter Lenzen, zuständig für den Bereich Internationales bei der Hochschulrektorenkonferenz.

Dieter Lenzen im Gespräch mit Kate Maleike | 19.10.2010
    Kate Maleike: Zuwanderung, Anerkennung von ausländischen Abschlüssen, attraktiv sein für Talente aus anderen Ländern – das sind Stichworte, die nicht nur Politik und Wirtschaft gerade wieder umtreiben, sondern seit Jahren bereits auch die Wissenschaft. Internationalität spielt hier eine besondere Rolle, denn Wissenschaft kennt ja bekanntlich keine Grenzen, stößt aber bei Arbeitsbedingungen und Zuwanderungsregelungen gern mal auf solche. Und das auch in Deutschland. Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) fordert deshalb von der Politik veränderte Rahmenbedingungen. Der Senat der HRK tagt in Berlin und für den Bereich Internationales ist zuständig Professor Dieter Lenzen, der Präsident der Uni Hamburg. Guten Tag, Herr Lenzen!

    Dieter Lenzen: Guten Tag!

    Maleike: Die Diskussion um Zuwanderung und Fachkräftemangel kocht gerade wieder ziemlich hoch, es werden viele Forderungen formuliert. Was fordern Sie als Hochschulrektorenkonferenz, damit sich die Situation auch in der Wissenschaft verbessert?

    Lenzen: Die Situation ist in der Tat dramatisch, der Fachkräftebedarf ist riesig und wir müssen nun die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, dass es leichter ist, Studierende anzuwerben, in Deutschland zu studieren, und sie auch zu bewegen, hier zu bleiben. Dazu gehört es, dass natürlich die Zahl der Studienplätze gesteigert wird. Dazu gehört es, dass es leichter ist, nach Deutschland zu gehen – das heißt, die bürokratischen Umstände, die zurzeit durchaus noch herrschen, zu vereinfachen. Und dazu gehört es nach einem etwa erfolgreichen Studium – was ja nicht immer der Fall ist, manche Studierende wollen nur für ein oder zwei Semester kommen –, dass sie danach die Möglichkeit haben, einen Arbeitsplatz in Deutschland zu suchen. Das bedeutet, dass sie zwischen dem Examen und der Findung eines Arbeitsplatzes doch eine Zeit lang eine Aufenthaltsgenehmigung brauchen, die sie nicht ohne Weiteres haben. Wir gehen von etwa einem Jahr aus, die eine solche Suche ja in Anspruch nehmen kann. Das sind die Erfahrungen, die wir haben, bis dahin ist der größte Teil vermittelt. Denn wir wollen ihnen ja die Möglichkeit geben auch im Interesse unseres eigenen Landes, hier zu arbeiten.

    Maleike: Zum Verständnis: Bislang ist es ja so, dass die ausländischen Absolventen ein Jahr Zeit haben, um diese Anstellung zu finden, ansonsten müssen sie Deutschland wieder verlassen.

    Lenzen: Ja, das ist eine schwierige Situation und das kann man leider nicht so takten. Wobei sich die Lage sicher entspannen wird in dem Augenblick, wo die Zahl der Arbeitsplätze wachsen wird. Und das erwarten wir ja eigentlich alle.

    Maleike: Fachkräfte ist ja formuliert. Wo macht der sich in der Wissenschaft am meisten am meisten bemerkt: Bei Studierenden haben Sie schon angesprochen, aber es geht ja auch um die Jungforscher?

    Lenzen: Es geht auch um die Jungforscher, das ist insbesondere natürlich in den Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften der Fall, wo der Bedarf sehr groß ist. Wir schaffen es ja weiterhin nicht, genügend deutsche Kinder und Jugendliche zu motivieren, ein naturwissenschaftliches Studium zu ergreifen. Die Barriere ist immer noch hoch, auch bei Mädchen insbesondere. Hier ist der Bedarf deswegen am größten.

    Maleike: Aber damit sind wir ja sozusagen in der Wissenschaft Konkurrenten zum "normalen, in Anführungszeichen, Arbeitsmarkt, auch da werden Ingenieure dringend gesucht.

    Lenzen: So ist es, das ist ein Problem. Und natürlich kann ein Unternehmen in der Regel mit attraktiveren Angeboten werben, als dies eine Universität kann. Der Weg bis zur Professur ist unglaublich lang, überhaupt nicht zu vergleichen mit einer erfolgreichen Karriere in einem Unternehmen. Die Bezahlung bleibt unter dem Niveau eines Privatunternehmens. Das heißt, der öffentliche Bereich wird sich darüber Gedanken machen müssen, die Gesetzgeber, die Minister, wie auf die Dauer die Bezahlung des wissenschaftlichen Personals sich entwickeln soll. Da sind wir auch im internationalen Vergleich weiterhin nicht wettbewerbsfähig.

    Maleike: Nun merkt man aber gerade und hört überall Kürzungspläne und Sparkurse gerade in den Landeshaushalten für den Bereich Hochschulen und Wissenschaft. Das würde Ihren Forderungen ja quasi zuwiderlaufen?

    Lenzen: Wir haben in der Tat eine groteske Situation, dass es immer noch nicht gelungen ist in etlichen Bundesländern – es gibt sicher Ausnahmen, Niedersachsen gehört beispielsweise dazu –, dass es in etlichen Bundesländern nicht gelungen ist, eine Prioritätensetzung zugunsten der Wissenschaft herzustellen. Wir haben vielmehr den Eindruck, dass ein großes Interesse daran besteht, sehr viele Studierende, auch gerade die doppelten Abiturjahrgänge, ganz schnell durch sechssemestrige Bachelorstudiengänge hindurchzuschleusen und sie so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Dem muss entgegengewirkt werden und die neue Frage, die sich jetzt stellt, hängt ja damit zusammen, nämlich: Wie hoch wird die Übergangsquote vom Bachelor zum Master sein? Der Bedarf ist groß, das ist gar keine Frage. Es gibt etliche Bundesländer, die jetzt dazu übergehen zu sagen, die Zahl der Bachelorstudienplätze ist das eigentlich Wesentliche. Und wir haben gerade gehört aus einigen Bundesländern, 20 Prozent Übergang genüge. Das ist völlig inakzeptabel, denn wenn der Stellenmarkt es nicht hergibt, dass Bachelorstudenten auch tatsächlich eine adäquate Beschäftigung bekommen, wird es schwierig. Der Staat selber macht es vor zum Beispiel im Bereich der Lehrerausbildung, wo er ja niemanden hineinlässt in ein Lehramt, der nur einen Bachelor hat.

    Maleike: Wie wollen Sie – abschließende Frage – Ihren Forderungen politisch Nachdruck verleihen? Wen wollen Sie ganz konkret ansprechen?

    Lenzen: Die HRK ist ja in einem Dauergespräch sowohl mit der KMK Anm. der Redaktion: Kultusministerkonferenz) in regelmäßigen Sitzungen, als auch mit der Bundesregierung, mit der Bundesministerin. Diese konkreten und immer wieder stattfindenden Gespräche werden gefüllt mit den Themen, die wir jetzt hier angesprochen haben. Inwieweit das erfolgreich sein wird, muss man mal im Einzelnen sehen. Gerade was etwa die Frage des Übergangs in den Master angeht, erfahren wir eher eine gewisse Harthörigkeit. Die natürlich auch dem Umstand geschuldet ist, dass man sich nicht entschieden hat in den Bundesländern, mehr zu investieren in den Wissenschaftsbereich und zu sagen, nun ja wir haben Bologna gewollt. Das heißt aber, dass wir im Ernstfall auch davon ausgehen müssen, dass 100 Prozent Bachelorabsolventen, so wie das die Bundesregierung ja auch gefordert hatte, tatsächlich einen Master machen können müssen, wenn sie das wollen.

    Maleike: Die Hochschulrektorenkonferenz fordert verbesserte Rahmenbedingungen auch für die Zuwanderung und internationale Mobilität in der Wissenschaft. In "Campus und Karriere" war das der HRK-Vizepräsident Professor Dieter Lenzen. Ganz herzlichen Dank nach Berlin!

    Lenzen: Gerne, auf Wiederhören!