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Leichtfertig oder mitschuldig?

Fast genau eineinhalb Jahre nach der Tat seines Sohnes muss sich ab morgen der Vater des Amokläufers von Winnenden und Wendlingen vor dem Landgericht Stuttgart verantworten. Der Traumapsychologe Thomas Weber warnt vor einem Stellvertreterprozess.

Von Uschi Götz | 15.09.2010
    Die 3. Große Jugendkammer des Landgerichts Stuttgart hat die Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart zugelassen. Dies jedoch mit der Maßgabe, dass sich der 51 Jahre alte Unternehmer nicht der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung in mehreren Fällen zu verantworten hat, sondern "nur" wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz. Verhandelt wird vor der 18. Strafkammer des Gerichts. Christian Laue, Kriminologe an der Universität Heidelberg:

    " Die Tat, die ihm vorgeworfen wird, dieser fahrlässige Verstoß gegen das Waffengesetz das ist natürlich nicht sehr schwerwiegend. Warum nicht wegen fahrlässiger Tötung angeklagt wird - das ist schwer zu beantworten. Vielleicht kommt es ja noch dazu. Durch eine Nachtragsanklage. "

    Am 11. März 2009 hatte der 17-jährige Tim K. mit der Sportpistole seines Vaters 15 Menschen - neun Schüler und drei Lehrerinnen - und sich selbst erschossen; weitere 13 Personen wurden verletzt.

    Die Staatsanwaltschaft wirft dem Vater vor, den Amoklauf ermöglicht zu haben, weil er seine Waffe und die Munition nicht - wie es Vorschrift ist - im Waffentresor weggeschlossen hatte. Die Pistole, so zitierte das Nachrichtenmagazin "Focus" aus der polizeilichen Vernehmung, habe der Vater aus Angst vor Einbrechern im Schlafzimmerschrank deponiert. Er habe leichtfertig gegen die gesetzlichen Aufbewahrungsvorschriften verstoßen in der Meinung, nur ihm seien die Verstecke bekannt, heißt es in der Anklageschrift. Dabei habe er die Gefahr verkannt, dass sein Sohn - der die Waffenleidenschaft des Angeklagten teilte - die Verstecke auskundschaften könnte.

    Tims Vater war leichtfertig im Umgang mit seinen Waffen. Laut "Focus" hat der angeklagte Unternehmer bei den polizeilichen Vernehmungen seine Mitschuld an der Tat des Sohnes eingeräumt. Er habe gesagt, für ihn selbst komme die Schuld hinzu, dass sein Sohn mit seiner Waffe den Amoklauf begangen hatte.

    Seit der Tat leben die Eltern und ihre Tochter an einem unbekannten Ort. Nach bisherigen Informationen wird der Vater morgen von zwei Anwälten begleitet vor Gericht erscheinen. Ihm gegenüber werden nach Angaben des Landgerichts 41 Nebenkläger sitzen, die mit insgesamt 19 anwaltlichen Vertretern zum Verfahren zugelassen sind. Unter den Nebenklägern sind Menschen, die beim Amoklauf verletzt wurden, vor allem aber Eltern, die ihre Kinder durch die Tat verloren haben. Als Nebenkläger haben sie das Recht, dem Vater Fragen zu stellen. Der Traumapsychologe Thomas Weber:

    "Natürlich wird es hier um die Verantwortung des Vaters gehen, natürlich wird es indirekt auch um den Täter gehen, in der Form, dass man versucht zu verstehen. Nur, die ganzen bohrenden Fragen, die die Betroffenen insbesondere haben, werden auch in diesem Prozess nicht beantwortet werden können."

    Nämlich die immer wiederkehrenden Fragen der Angehörigen: Warum gerade wir? Warum unser Kind, warum unser Partner? Und die Frage: Hätte der Amoklauf des 17-Jährigen verhindert werden können? Noch nie mussten sich in Deutschland die Eltern eines Amokläufers vor Gericht verantworten.

    Zweieinhalb Monate nach dem Blutbad von Winnenden hatte die Bundesregierung eine Verschärfung des Waffenrechts beschlossen. Seither können die Behörden "verdachtsunabhängig" überprüfen, ob ein Sportschütze seine Waffen zuhause ordnungsgemäß weggeschlossen hat. Großkalibrige Waffen dürfen in den Schützenvereinen nur noch von Volljährigen in die Hand genommen werden; zuvor war das ab 14 Jahren erlaubt. Den Opferfamilien geht die Novellierung nicht weit genug: Sie hatten unter anderem gefordert, dass großkalibrige Waffen - wie es die Tatwaffe war - ganz verboten werden.

    In einigen Medien wird bereits ein Mammutprozess angekündigt. Zahlreiche Zeugen - darunter Angehörige des Angeklagten - und Sachverständige werden gehört. Traumapsychologe Weber dämpft indes die Erwartungen der Öffentlichkeit, aber auch die seiner Patienten. Seit der Tat betreuen Weber und sein Team viele betroffene Familien sowie Schülerinnen und Schüler, die das Massaker überlebt haben.

    "Die Erwartungen im Prozess sind sehr, sehr unterschiedlich; es gibt doch einige Betroffene, die sehr hohe Erwartungen an den Prozess legen. Denn, das heißt, dass es denen unwahrscheinlich wichtig ist, dass sich hier Verantwortlichkeiten gestellt wird. Wiederum andere - und das sind doch sehr viele, erwarten von dem Prozess eigentlich nicht viel."

    Das Interesse an der Verhandlung ist groß. Vor Prozessbeginn hat das Landgericht Stuttgart die Anzahl der Journalisten durch ein Akkreditierungsverfahren begrenzt. Für Fernsehteams und Fotojournalisten sind sogenannte Poollösungen vorgesehen.
    Adolf Gallwitz kann sich an keinen vergleichbaren Gerichtsfall in Deutschland erinnern. Gallwitz arbeitet seit fast zwanzig Jahren als Professor für Psychologie und Soziologie an der Polizeihochschule in Villingen-Schwenningen:

    "Eine Erwartung, die einige Menschen haben, ist, dass dieses Verfahren dann endlich einen Abschluss hat. Es gibt ja alle möglichen Vermutungen und Gerüchte und Zusammenhänge, die man versucht hat zu klären ... oder nicht zu klären. Jetzt geht es darum, nachdem der Täter, der Beschuldigte, nicht überlebt hat, jemanden zu finden, der das Ganze möglicherweise hätte verhindern können; da wären auch alle möglichen anderen Institutionen denkbar gewesen, aber jetzt geht es eben um die Sicherheit der Waffen. Ob das zu einer Zufriedenheit führt, müssen wir sehen. Aber dann hat das Verfahren zumindest einen Abschluss."

    Christian Laue vom Kriminologischen Institut der Universität Heidelberg war Mitglied der Expertenkommission, die die baden-württembergische Landesregierung kurz nach dem Amoklauf ins Leben gerufen hatte. Der Kriminologe sieht in dem nun beginnenden Prozess auch eine Chance:

    "Wenn es gelingt, allen Prozessbeteiligten gelingt, Objektivität zu bewahren, wenn natürlich dem Vater seine Schutzrechte nicht genommen werden- durch die Medien oder auch durch das Gericht selbst, durch die Nebenklagevertreter, dann ist es schon eine sehr große Chance. Ich bin so ein bisschen skeptisch. Wir hatten in der Expertenkommission eine Anhörung auch der Staatsanwaltschaft und da kam es mir nicht unbedingt so vor als wäre die Staatsanwaltschaft wirklich sehr objektiv und offen, diesem Fall gegenüber. Ich habe den Eindruck sie wollen ihn eher vom Tisch haben, so schnell wie möglich. Aber, so eine Eigendynamik kann so ein Prozess immer entwickeln und da muss man abwarten."

    "Der Amoklauf von Winnenden kann erst gesühnt werden, wenn die Eltern des Attentäters bestraft werden",

    schrieb der Kommentator der "Bild"-Zeitung vor einigen Monaten. Das Blatt zeigte in einer Ausgabe eine Fotomontage des früheren Jugendzimmers von Tim K. Statt Poster hängen Waffen an der Wand, so war die Einrichtung des Zimmers beschrieben worden.

    "Eine Mutter oder ein Vater, die dieses Zimmer betreten und sich nichts dabei denken, gehören ins Gefängnis",

    urteilte die "Bild" wortwörtlich.

    Ginge es in dem Prozess tatsächlich "nur" um den Verstoß gegen das Waffengesetz, so wäre der Fall in ein paar Verhandlungstagen abgewickelt. Doch für die Angehörigen und Betroffenen steht eine andere Frage im Mittelpunkt: die Frage nach der Verantwortung der Eltern, vor allem der des Vaters.

    Verantwortung oder Schuld? Tragen die Eltern von Amokläufern eine Mitschuld an der Tat ihrer Kinder? In den vergangenen 18 Monaten war viel über die Rolle der Eltern von Tim K. diskutiert worden. Doch bis auf einen erklärenden Brief an die Opferfamilien haben sich die Eltern bislang nicht geäußert. Das könnte sich nun ändern. Laut einer Gerichtssprecherin kann während des Verfahrens gegen den Vater der Vorwurf der fahrlässigen Tötung und fahrlässiger Körperverletzung noch einmal aufgegriffen werden.

    Das Gericht sieht zunächst 27 Verhandlungstage bis zum 11. Januar des kommenden Jahres vor. Kriminologe Laue:

    "Diese Tat hat ganz Deutschland dermaßen erschüttert, dass ich denke, und das ist die einzige Möglichkeit, durch ein Gericht diese Tat aufzuarbeiten. Deswegen denke ich, dass man das nicht in einem kurzen Verfahren wie es zum Teil auch diskutiert wurde von der Staatsanwaltschaft im Strafbefehlsverfahren, also ohne Öffentlichkeit, abhandeln dürfte."

    Wenige Tage nach dem Amoklauf war bekannt geworden, dass der 17-Jährige in ambulanter psychologischer Behandlung war. Weshalb auch eine Psychologin, bei der Tim K. in Therapie war, vor Gericht aussagen soll. Wie aus den Ermittlungsakten hervorgeht, hatte der junge Mann wohl selbst das Gefühl, dass irgendetwas mit ihm nicht stimme. Bereits zu Beginn einer Therapie habe der Jugendliche Tötungsfantasien geäußert. Die Eltern wussten wohl von den Nöten ihres Sohnes. Die Mutter jedenfalls begleitete ihren Sohn zu einer Therapiestunde. Im Prozess gehört werden auch Sachverständige, unter anderem zwei Psychiater und drei Rechtsmediziner.

    In dem Brief an die Opferfamilien schrieben die Eltern, Zitat: "Wir hätten Tim so etwas nie zugetraut und kanten ihn anders." Zitat Ende. Aber befreit diese hilflose Erklärung den Vater von einem Schuldvorwurf? Polizeipsychologe Gallwitz:

    "Also als Beschuldigte kann man Eltern und Geschwister auf alle Fälle sehen, aber genauso gut kann man auch Klassenkameraden und Eltern und Schulleiter als Beschuldigte sehen. Also, moralisch ist das alles möglich, ob man das gesellschaftlich umsetzen muss und möchte, ob man das juristisch beurteilen kann, das ist glaube ich eine ganz andere Baustelle."

    Der Direktor der Heidelberger Kinder- und Jugendpsychiatrie, Professor Franz Resch, gibt zu bedenken, dass die Frage nach der elterlichen Schuld im Fall von Taten psychisch kranker Kinder und Jugendlichen grundsätzlich schwer zu beantworten sei:

    "Ich denke, dass es verständlich ist, dass man hier nach Schuldfragen sucht und in juristischen Kontexten können auch gar nichts anderes als Schuldfragen behandelt werden. Ich bin mir aber in einem tieferen Sinne nicht sicher, ob das Thema Schuld alleine diesen katastrophalen Vorgängen, die auch ein ungeheueres Ausmaß an Tragik besitzen gerecht werden kann."

    Die Frage von Schuld und Tragik sei in der Psychiatrie eine ganz zentrale Frage, so Resch:

    "Wenn Kinder psychisch auffällig sind, fühlen sich meistens die Eltern schuldig. Und es ist ein Teil des therapeutischen Zugangs und des therapeutischen Vorgehens, Eltern gerade im Zugang und Umgang mit ihrem Kind dieses Schuldgefühl zu nehmen, weil es nämlich therapeutische Fortschritte eher verhindert als ermöglicht."

    Grundsätzlich warnt der Heidelberger Kinder- und Jugendpsychiater Resch jedoch davor, im Vorfeld des beginnenden Prozesses gerade im Einzelnen spezifische Antworten zu geben, die dem Thema Amok gerecht werden würden:

    "Weil in so einer Katastrophe ja die Opfer auch von derartigem Leid umgeben sind, dass jegliche Schuldzurücknahme sozusagen auch etwas Verhöhnendes für die Opfer hat."

    Einige der betroffenen Eltern erhoffen sich, durch die Aussage des Vaters von Tim K. etwas über den Mörder ihrer Kinder zu erfahren. Nach Ansicht des Kriminologen Laue müssen in diesem Verfahren alle Aspekte beleuchtet werden:

    "(Und) das ist natürlich auch aus wissenschaftlicher Sicht sehr interessant, was bei diesem Prozess herauskommen wird. Denn, die Täterpersönlichkeit ist ja etwas ganz Entscheidendes, auch bei dieser Amoktat, und an die kommt man wohl nur durch so einen Prozess."

    "Die Täterpersönlichkeiten sind wohl in weitaus höherem Maß psychopathologisch auffällig als bisher angenommen. Die Täter zeigen nicht die Verhaltensweisen eines typischen Gewalttäters, das heißt, sie sind in der Schule und unter Gleichaltrigen nicht mit Störungen des Sozialverhaltens, Gewalt oder Aggression auffällig",

    schreibt die Gießener Kriminologin Britta Bannenberg in ihrem, nach dem Massaker von Winnenden und Wendlingen erschienen Buch "Amok". Bannenberg hat viele Fälle ausgewertet, auch viele Elternhäuser von Amokläufern analysiert. Die Kriminologin kommt zu dem Fazit:

    "Die Elternhäuser der Täter weisen keine Risikofaktoren wie bei typischen Gewaltentwicklungen auf. Für Außenstehende sind diese Familien normal, unauffällig. Es sind in keiner Weise "broken homes", sondern kleinbürgerliche Elternhäuser oder Mittelschichtfamilien, in denen ein gemeinsames Familienleben mit geregelten Mahlzeiten und Sorge um das Wohlergehen der Kinder festzustellen ist. Dieses Bild zeigt Risse, allerdings nur bei genauem Hinsehen."
    Bannenbergs Kollege Laue von der Universität Heidelberg hofft, dass nun, eineinhalb Jahre nach der Tat, weitere Fakten auf den Tisch kommen:

    "Das ist ganz entscheidend, auch die Zeugen, die befragt werden aus dem Umfeld des Täters. Diese, wie man das nennt psychologische Obduktion, des meist ja toten Täters, die ist sehr, sehr schwierig, weil das Umfeld darüber nicht sprechen will, auch aus Gründen des Selbstschutzes, weil sie sich selber auch mitverantwortlich fühlen. Und jetzt, in diesem Prozess, müssten eigentlich alle mal reden und da wird es interessant herauszufinden, was tatsächlich in diesem Täter vorgegangen ist."
    So ein Prozess sei auch für den Angeklagten eine Chance:

    "Der Vergleich zu den Vernehmungen vorher ... jetzt ist es natürlich so, jetzt wird er natürlich auch von den Nebenklägern vernommen werden und da gibt es schon neue Facetten. Und da werden Gutachten eingebracht in den Prozess; also das ist im Ermittlungsverfahren recht eindimensionales Bild kriegt da mehr Facetten und da kann man schon besseren Aufschluss erwarten als durch das reine Ermittlungsverfahren."

    Der Polizeipsychologe Gallwitz von der Polizeihochschule Villingen- Schwenningen glaubt indes nicht daran, dass der Prozess wegweisend neue Erkenntnisse befördern wird:

    "Ich halte nicht viel von psychiatrischen und psychologischen Autopsien. Wir haben in der Vergangenheit versucht, bei den wenigen Amokläufern so ein bisschen nach dem Tod Informationen zu sammeln und zu gewichten. Das wird hier nicht anders sein. Und hier kommt noch hinzu, dass auf dem Hintergrund natürlich des Beschuldigten, die Situation nicht ganz entspannt und locker sein wird. Das heißt, man wird die Informationen, zumindest die Rechtsvertreter werden die Informationen, immer auf dem Hintergrund beurteilen müssen, ob sich damit der Familienangehörige mehr oder weniger schuldig macht. Und das trägt, glaube ich, zur Wahrheitsfindung eines davon zwar abhängigen, aber im Prinzip unabhängigen Prozesses, nämlich die Art und Weise wie der Amokläufer sich in diese Situation hinein manövriert hat, nicht viel bei."

    Die Eltern des Amokläufers von Winnenden und Wendlingen werden sich nach ihrem Teil der Verantwortung und ihrer Schuld hinterfragt haben. Vielleicht kommen tatsächlich während des Prozesses Details auf den Tisch, die die Öffentlichkeit so nicht kennt. Wie weit es gelingen wird, dass zumindest die Opfer des Amoklaufs vom 11. März 2009 während des Prozesses Antworten auf ihre Fragen erhalten, hängt nicht zuletzt davon ab, ob der Angeklagte bereit ist, über mehr als die Aufbewahrung seiner Waffe zu reden. Traumapsychologe Weber warnt vor Vergleichen:

    "Es ist sehr viel passiert und die Ereignisse von Erfurt und Winnenden sind nicht zu vergleichen. Man neigt sehr schnell dazu, aufgrund der Größe des Ereignisses gerade Winnenden mit Erfurt zu vergleichen. Das ist nicht zulässig. Das ist fachlicherseits unseriös und insofern können wir hier keine Empfehlung für die Winnenden, für die Hauptbetroffenen abgeben. Tatsache ist, dass es im Moment sehr viele Opfer gibt, die im Moment nicht in der Lage sind, dem Täter bzw. der Familie zu verzeihen. Und das wird die Zukunft zeigen, ob das jemals möglich sein wird."

    Die Chance besteht darin, dass der Vater vor Gericht auch über seine Hoffnungen und Enttäuschungen in Bezug auf seinen Sohn spricht. Bei der polizeilichen Vernehmung soll der Angeklagte gesagt haben, er habe Tim bei seinen sportlichen Aktivitäten unterstützt; bei Misserfolgen habe er ihn getröstet. Keinesfalls habe er seinen Sohn unter Druck gesetzt. Kriminologe Laue:

    "Es besteht ja auch für den Vater die Möglichkeit, seinen Standpunkt darzulegen. Man hat das jetzt in dem 'Brunner-Prozess' gesehen. Da wurden die Angeklagten vorher auch auf das Heftigste vorverurteilt und der Prozess hat doch geschafft, in dem er ordentlich geführt wurde, dass sich das Bild der Angeklagten etwas anders darstellt."
    Der morgen beginnende Prozess ist in der deutschen Rechtsgeschichte wohl bisher einmalig. Nicht der Amokläufer steht vor Gericht, sondern sein Vater. Der Täter ist tot. Er hat sich nach seiner furchtbaren Tat selbst gerichtet.

    Sollte sein Vater sich zu seiner Verantwortung, zu seiner möglichen Schuld bekennen, könnten die vielen Betroffenen zumindest in ihrer unermesslichen Trauer ein Stück weiter kommen. Für die Verarbeitung ihres schweren Traumas sind gerade sie auf ein Schuldgeständnis angewiesen. Eine Vergebung aber für eine derartige Tat könne es nicht geben, sagt ein Elternpaar, das sein einziges Kind beim Amoklauf verloren hatte. Der Traumapsychologe Thomas Weber schließt nicht aus, dass es in vielen Jahren einmal eine Versöhnung mit der Familie des Täters geben könnte:

    "Langfristig ist diese Chance sicher nicht komplett ausgeschlossen. Aber, wir müssen dafür den Prozess jetzt abwarten. Wir müssen gucken, wie sich das jetzt in der Öffentlichkeit bzw. im Gerichtssaal selbst auch stellt."