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Leiden fürs Showgeschäft

Sofia Coppola, Tochter der Regielegende Francis Ford Coppola, gab ihr Schauspieldebüt bereits als Neugeborene - in dem Film "Der Pate". Doch auch hinter der Kamera macht sie zumindest keine schlechte Figur, wie in ihrem neuen Werk "Somewhere" zu sehen ist.

Von Josef Schnelle | 11.11.2010
    Es gibt ein Foto von Francis-Ford Coppola und seiner Tochter Sofia. Da ist sie vielleicht elf Jahre alt und schmiegt sich in einem Sessel in einem Hotel-Foyer eng und glücklich an ihren damals schon berühmten Vater. Genau dieses Bild findet sich im Film wieder, der von einem berühmten Schauspieler und seiner elfjährigen Tochter Cleo erzählt. Dass autobiografische Erfahrungen des Filmkinds Sofia Coppola in den Film eingeflossen sind, hat sie in vielen Interviews schon betont. Irgendwie ist die Entfremdung im Luxusambiente ja auch ihr Generalthema wie schon in "Lost in Translation" 2003 und in "Marie Antoinette" 2006.

    Auch Johnny Marcos Leben im goldenen Käfig ist öde und leer und luxuriös bis an die Grenze des Erträglichen. Zwischen zwei Dreharbeiten hängt er im sagenumwobenen Hollywood-Luxushotel Chateau Marmont herum. Eines Tages wird aber seine Tochter Cleo aus einer längst vergangenen Beziehung bei ihm abgesetzt.

    Johnny: "Das ist aber ne schöne Überraschung. Komm rein. Nimm dein Zeug mit. Wieso bist du denn nicht in der Schule."

    Cleo: "Heute ist Sonntag."

    Sind wir vorher dem Alltag eines gelangweilten und vollkommen antriebslosen Menschen gefolgt, der mit seinem Sportwagen ziellos herumfährt und sich Tabledance-Girls aufs Zimmer bestellt, bei deren lustlosen enterotisierten Gezappel aber nur einschläft, zieht nun ein anderer Lebensstil ein. Irgendetwas längst verschüttetes erwacht in Johnny. Großartige Veränderungen treten nicht ein in seinem Leben. Doch es fühlt sich sogar anders an, gemeinsam mit Cleo und cooler Sonnenbrille am Rand des Pools herumzuliegen. Offenbar ist Johnny ein liebevoller Vater, der nun den Kinderalltag mit Videospielen und Eisessen in seine Agenda integriert. Schwache aber immerhin deutliche Lebenszeichen eines liebenswerten Daddys. Die Angewohnheit, mal eben in die Hotelbar zu gehen und dort eine Frau aufzugabeln mit der es schon nach wenigen Minuten zum Sex kommt, gibt er offenbar ohne großes Bedauern nun auf.

    "Hi,Ich bin Johnny."

    "Hi Johnny."

    Auch mit Cleo ist sein Alltag aber noch fremdbestimmt. Johnny jettet mal eben nach Italien, um einen Preis in Empfang zu nehmen in einer knallbunten lächerlichen Fernsehshow. Aus der philosophischen Tristesse des Filmanfangs wird nun eine deftige Satire auf den Medienbetrieb, was sich auch in einer satirisch überhöhten Pressekonferenz mit lauter dummen Fragen ausdrückt. Keiner will wirklich zuhören und wirklich etwas wissen von Johnny Marco.

    Reporterin: "Wie repräsentiert diese Rolle die Italoamerikaner?"

    Kollege flüsternd: "Sie stellt immer die gleiche Frage."

    Andere Reporterin: "Würden Sie gerne mal nach China reisen? "

    Johnny: ""Ja."

    Reporterin: "Sie haben dort sehr viele Fans?"

    Reporter: "He Johnny, Sie sehen immer blendend aus. Können Sie uns ihre Workoutgeheimnisse verraten? In meinem nächsten Buch, dass ich für Russland schreibe, geht es um die Workoutgeheimnisse der Hollywoodstars."

    Johnny: "Ich mach nur die basics."

    Reporterin: "Reflektiert dieser Film die heutige postmoderne Globalisierung?"

    Reporter: "Wer ist diese Cleo auf ihrem Gips."

    So sind Journalisten. Sind sie wirklich so? Sofia Coppola hat sicher genügend Pressekonferenzen miterlebt, um wenigstens eine bestimmte Spezies des Berufsstandes korrekt zu karikieren. "Somewhere" ist streckenweise eine pointenreiche Farce, bevor der Film wieder zu seinem Hauptthema - zur Leere und zur Absurdität des Celebrity-Lebens zurückkehrt. In ihrem filmischen Stil findet Sofia Coppola, die spätestens seit ihrem Goldenen Löwen von Venedig für diesen Film in die erste Liga des Autorenkinos aufgerückt ist, mühelos die filmischen Entsprechungen für die Entschleunigung und Verlangsamung aller Lebensäußerungen, die den Alltag dieses modernen Taugenichts bestimmen. Und sie taucht diese "Menschen im Hotel" in unwirkliches strahlendes Licht, das diese Welt seltsam entrückt. Vielleicht nehmen auch wir die Illusionswelt des Kultes um die Stars in allen Lebensbereichen viel zu wichtig. Das ist es unter anderem, was uns Sofia Coppola mit dieser kleinen Geschichte aus den Bauch des Showbusiness sagen will.