Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


"Leider ist es bis jetzt nicht gelungen, Preisabsprachen zu beweisen"

Angesichts der hohen Benzinpreise prüft die Bundesregierung Gegenmaßnahmen, um "das Hin und Her an den Tankstellen" abzustellen, sagt Michael Fuchs, stellvertretender Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion. Eine Erhöhung der Pendlerpauschale komme wenn überhaupt nur langfristig infrage.

Michael Fuchs im Gespräch mit Christoph Heinemann | 30.03.2012
    Christoph Heinemann: Die Erregungsgemeinschaft der Autofahrer hat wieder Grund zur schlechten Laune: Das Bundeskartellamt hat nachgewiesen, dass die Benzinpreise in der Woche vor Karfreitag und in den Tagen nach Ostern regelmäßig steigen, und das hat vor den höchsten christlichen Feiertagen keine religiösen Ursachen, auch nichts zu tun mit höherer Nachfrage oder gestiegenen Beschaffungskosten. Vielmehr spricht das Kartellamt von einem "gezielten Preiserhöhungsverhalten der Mineralölunternehmen". Die "Big Five", die fünf großen Konzerne BP, Shell, Exxon, Total und Conoco-Phillips vergolden im Frühjahr ihre Bilanzen. Besonders ärgerlich sind die Preisschwankungen im Stundentakt. Noch vor den Sommerferien möchte die Bundesregierung gesetzlich gegensteuern, wie die "Bild"-Zeitung berichtet offenbar nach australischem Vorbild. Dort müssen Unternehmen täglich bis 14 Uhr beim Handelsministerium den Benzinpreis für den folgenden Tag melden.

    Am Telefon ist jetzt Michael Fuchs, stellvertretender Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion, dort zuständig für Wirtschaft. Guten Morgen.

    Michael Fuchs: Ja guten Morgen!

    Heinemann: Herr Fuchs, können Sie diesen Bericht bestätigen, soll es eine solche Meldepflicht auch in Deutschland geben?

    Fuchs: Ich weiß, dass wir an allen Stellen, sowohl im Wirtschaftsministerium als auch im Finanzministerium, überlegen, wie wir dieses Hin und Her an den Tankstellen abstellen. Es ist ja für niemanden erträglich, dass morgens der Sprit acht Cent mehr kostet als mittags und abends dann wieder vier Cent weniger und nachts dann wieder sieben Cent mehr. Das kann kein Mensch mehr verstehen. Wir überlegen, ob dieses australische Modell eine sinnvolle Variante sein könnte, in dem sich die Multis festlegen müssen auf einen Preis am Tag und den mittags melden müssen, damit dann eben die Schwierigkeit kommt, damit nicht permanent hin- und hergeguckt wird, was an der einen Tankstelle gilt und dann wieder gesenkt wird und dann wieder rauf, wie wir das jetzt erleben.

    Heinemann: Die Zugriffsrechte - das meldet auch die "Bild"-Zeitung - des Bundeskartellamtes sollten ausgeweitet werden. Wie soll man sich das vorstellen?

    Fuchs: Wir sind ja dabei, das Gesetz für Wettbewerbsbeschränkungen oder -behinderungen zu verändern, das GWB zu verändern. Wir wollen noch mehr in die Multis hineingucken können. Das ist sehr schwierig. Sie wissen, dass es kaum einen einzigen Bereich gibt, wo alle so viel versucht haben, wo das Kartellamt permanent versucht hat, Wege zu finden nachzuweisen, dass es Absprachen gibt. Wir überlegen, wie wir noch schärfere Waffen für das Kartellamt finden können, damit sie nun endlich die Beweise finden. Bis jetzt gibt es keine Beweise gegen die Multis und irgendwo muss ja auch Wettbewerb sein, sonst würden sie nicht mit den Preisen permanent hin- und hergehen.

    Heinemann: Gibt es denn Preisabsprachen?

    Fuchs: Das kann man eben nicht beweisen. Wenn es Beweise gäbe, Herr Heinemann, dann können Sie sicher sein, dass die Multis heftig zahlen müssten. Leider ist es bis jetzt nicht gelungen, Preisabsprachen zu beweisen.

    Heinemann: Die "Bild"-Zeitung schreibt, eine Zielsetzung sei es auch, die Vormachtstellung der Marktführer Aral und Shell zu brechen. Ist das die Aufgabe des Staates?

    Fuchs: Das ist eigentlich nicht eine Aufgabe des Staates, davon halte ich auch nichts. Es ist richtig, dass wir angewiesen haben, dass die kleinen Tankstellen keine höheren Preise, keine höheren Einkaufspreise von den Multis haben dürfen als die multieigenen Tankstellen, also Aral etc. Das ist richtig, das können wir machen. Das ist auch marktwirtschaftlich in Ordnung, dass man keinen diskriminiert quasi. Das muss auch so sein, muss auch möglichst kontrolliert werden, auch wenn das nicht ganz einfach ist. Aber auf der anderen Seite vorzuschreiben, wer nun Marktführer sein darf oder nicht, das ist meiner Meinung nach nicht eine Aufgabe des Staates.

    Heinemann: Sie haben, Herr Fuchs, gerade das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zitiert. Da geht es ja eben darum, dass großen Mineralölkonzernen untersagt werden soll, kleinen und mittleren Tankstellenbetreibern Kraftstoff eben zu höheren Preisen zu verkaufen, als sie selbst, als die großen, an ihren Tankstellen vom Kunden verlangen. Das klingt ja schön, aber das Problem ist nur: Dieses Verbot bestand bisher auch schon, hat aber nichts gebracht.

    Fuchs: Das Problem ist immer wieder der Nachweis, denn Sie müssen ja hingehen und den Multis nachweisen, dass sie etwas gegen dieses Gesetz machen. Deswegen versuchen wir, schärfere Kontrollmöglichkeiten für das Kartellamt einzubauen, überraschendere Kontrollmöglichkeiten etc. Das ist alles aber schwierig, denn in aller Regel klappt das ja, funktioniert ja unsere Wettbewerbssituation. Bei den Benzinpreisunternehmen haben wir die Schwierigkeit, dass die Kontrollmöglichkeiten extrem schwierig sind. Wir haben ja auch deswegen Fusionskontrollen eingebaut, all das gibt es ja, das hat ja auch im Wesentlichen funktioniert. Nur bei den Multis ist es ziemlich schwierig hier.

    Heinemann: Thüringens Verkehrsminister Christian Carius, Ihr Parteifreund, hat jetzt gefordert eine Datenbank im Internet, in die jede Tankstelle die Höchstpreise für den nächsten Tag einpflegen müsse, so dass Autofahrer, jedenfalls die mit internetfähigem Handy, die günstigste Tankstelle ermitteln könnten. Sollte ein solcher Vorschlag in eine gesetzliche Regelung einfließen?

    Fuchs: Also ich halte das für sehr unpraktikabel. Wenn Sie jetzt über Land unterwegs sind, werden Sie jeweils erst anhalten, eingeben wo Sie gerade sind, dann "wo ist die nächst günstigste Tankstelle" finden - das wird sehr schwierig. Ich meine, man muss das auch so machen, dass es für sowohl den Autofahrer als auch den Tankstellenbesitzer einfach ist, der ja nichts dafür kann. Wir wollen hier nicht die Tankstellenbesitzer treffen, sondern es sind die großen Konzerne, die dahinter stecken. Das ist kaum noch machbar. Das muss ja technisch handelbar sein. Ich weiß nicht, ob das technisch so machbar ist, dass es sowohl für den Tankstellenbesitzer als auch den Autofahrer zumutbar ist.

    Heinemann: War das ein Kaltstart von Herrn Carius?

    Fuchs: Ich würde nicht sagen ein Kaltstart. Jeder Versuch oder jede Idee ist mir zuerst mal willkommen, damit wir dieses Desaster einbremsen. Nur wenn es dann so schwierig wird, dass es nicht mehr handelbar ist, dann weiß ich nicht, ob es sinnvoll ist. Aber ich bin für jede Idee dankbar, für jeden, der eine gute hat. Wenn Sie mir heute Morgen eine sagen, Herr Heinemann, bringe ich die ganz sicher in das Verfahren ein.

    Heinemann: Kommt sofort! Der Staat verdient ja überall mit. Je höher der Benzinpreis, desto höher die Umsatzsteuereinnahmen des Finanzministers. Dann kommen ja noch die Mineralölsteuern dazu. Sollte der Staat wenigstens bei der Besteuerung die Menschen, die Bürger entlasten?

    Fuchs: Wir haben eine Mehrwertsteuer auf einen Verkaufspreis. Die muss so bleiben. Wir können jetzt nicht das ganze Mehrwertsteuersystem wieder aushebeln. Es gibt bei dem Mehrwertsteuersystem schon viel zu viele Ausnahmen. Deswegen bin ich dagegen, dass wir jetzt daran herumbasteln. Die Mineralölsteuer bleibt ja gleich.

    Heinemann: In Frankreich gab es im Jahr 2000 eine flexible Mineralölsteuer, die sogenannte "taxe flattante", das heißt, die bei steigenden Benzinpreisen sich automatisch verringert, um den Preis so einigermaßen stabil zu halten. Wäre das kein Rezept?

    Fuchs: So weit ich weiß, sind die französischen Benzinpreise höhere als unsere. Also insofern ist das da nicht unbedingt ein Erfolgsrezept gewesen.

    Heinemann: Aber immerhin kann der Staat gegensteuern, wenn er möchte. Sie wollten doch gute Ideen hören.

    Fuchs: Ja, ich bin für jede gute Idee dankbar. Aber ich bin der Meinung, dass wir in dem Steuersystem nichts verändern sollten, denn wir können nicht bei Steuern jedes Mal, wenn irgendwo Preisveränderungen sind, sofort auch noch Veränderungen hinterherschieben. Da gibt es ja nun auch genügend andere Dinge, wo Preissteigerungen etc. sind. Deswegen meine ich, wir sollten das Steuersystem dabei außen vor lassen.

    Heinemann: Verstehe ich nicht. Warum?

    Fuchs: Weil wir meiner Meinung nach nicht jedes Mal bei jedem Gut, bei jedem Wirtschaftsgut, wenn es teurer wird oder billiger wird etwas machen. Was machen wir denn? Wenn es billiger wird, steigt es - das möchte ich mal erleben, was dann für ein Geschrei da ist.

    Heinemann: Welche Folgen sollten denn die hohen Spritkosten für die Pendlerpauschale haben?

    Fuchs: Hier gilt das gleiche. Die Pendlerpauschale ist eine Pauschale und deswegen auch zum Teil höher angesetzt, vor allen Dingen für diejenigen, die relativ kurze Wege haben, als sie benötigt würde. Bei der Pendlerpauschale, da wäre ich vielleicht noch eher bereit zu sagen, wir müssen darüber nachdenken, ob die über einen längeren Zeitraum, wenn der Spritpreis über einen längeren Zeitraum so bleibt, wie er jetzt ist, so hoch bleiben kann. Aber dennoch: Auch da gilt das vorher Gesagte, nämlich dass wir nicht unbedingt jeden Tag Preise oder beziehungsweise Steuern verändern können.

    Heinemann: Aber Sie schließen es nicht aus, eine höhere Pendlerpauschale?

    Fuchs: Bei der Pendlerpauschale muss man über einen längeren Zeitraum hinschauen und dann, wenn es ungerecht wird, nachsehen. Denn es kann nicht sein, dass die Pendlerpauschale nicht mehr die Kosten abdeckt.

    Heinemann: Herr Fuchs, die USA wollen, und Frankreich schließt es nicht aus, die strategischen Ölreserven anzapfen. Sollte die Bundesregierung diesem Beispiel folgen?

    Fuchs: Ich weiß nicht, ob unsere strategischen Ölreserven dazu führen, dass wir nachhaltig die Preise damit runterdrücken können. Die strategischen Ölreserven sind ja nun auch notwendig für Fälle, die man durchaus sich vorstellen kann. Ich sage jetzt mal ein Stichwort: Sie wissen, dass es mit dem Iran erheblichen Ärger und Streit gibt. Wenn der Iran beispielsweise die Straße von Hormus zumachen würde - durch die geht ungefähr ein Viertel der gesamten Welt-Erdölförderung -, dann kann es durchaus zu Knappheiten kommen. Deswegen in einer solchen Situation jetzt unsere strategischen Ölreserven anzugreifen, halte ich für gefährlich, weil es durchaus dann dazu führen kann, dass wir urplötzlich zu Knappheiten kommen, das wäre noch schlimmer.

    Heinemann: Michael Fuchs (CDU), stellvertretender Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Fuchs: Guten Morgen, danke schön.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.