Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Leiharbeit sorgt für Skandal in Pflegeheim

Gegen die Leitung des Heimes Casa Reha in Mainz-Finthen wird wegen Verdachts auf fahrlässige Körperverletzung ermittelt. Der Grund: zu wenig und schlecht ausgebildetes Personal. 20 Bewohner sollen zu wenig zu trinken bekommen haben, offene Wunden sollen stundenlang nicht versorgt worden sein.

Von Ludger Fittkau | 05.08.2013
    Ein modernes Gebäude am Rande des Mainzer Vorortes Finthen. Die Fassade des 180-Betten-Heimes ist in freundlichen Gelb- und Blautönen gehalten. Gleich neben dem Haupteingang ein großes Schild: "Herzlich Willkommen". Der Deutschlandfunk ist allerdings nicht willkommen. Zum Schutz von Personal und Bewohnern wolle man keine Presse ins Haus lassen. Das erklärt der Sprecher des Heimbetreibers, der "Casa Reha"-Unternehmensgruppe, die hierzulande 64 Pflegeheime betreibt.

    Die Heimbewohner Gertrud Dipiek, Ruth Rohendorf und Erich Wegener wollen freilich nicht vor der Presse geschützt werden. Sie sitzen auf einer Bank vor dem Haus und diskutieren engagiert über die Pflegemängel, die die Behörden in ihrem Heim festgestellt haben. Auch darüber, dass bei 20 Mitbewohnern deutliche Flüssigkeitsmängel registriert wurden:

    "Das Angebot ist da, wenn die Leute aber nicht trinken wollen - reinschütten kann man es nicht, also …"

    "Mit dem Trinken allein ist es ja nicht getan, es ist ja die allgemeine Hilfe. Und die lässt in vielen Dingen was übrig - es ist wenig Personal da."

    "Es kann ja sein, dass es an Zeitmangel liegt. Aber die Schwestern, die da sind, die geben sich alle Mühe. Die können nicht mehr tun."

    "Sind immer freundlich und geben ihr Bestes."

    "Und wenn wirklich hier mal zu wenig Personal da ist, weil die Leute mal in Urlaub fahren, das haben sie sich verdient. Und dann wird eine Fremdfirma bestellt, die Ersatzkräfte herschickt."

    Genau in dieser Praxis sieht der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Alexander Schweitzer einen Hauptgrund für die gravierenden Pflegemängel im Mainzer "Casa Reha"-Heim:

    "Also ich denke, ein Ansatzpunkt ist sicherlich der, dass es eine hohe Personalfluktuation gab. Dass es auch Personalengpässe gab und dass es einen extrem hohen Anteil von Leasing-Arbeitskräften gab. Also Leiharbeitnehmern, wie man sie auch nennt. Die gibt es auch in der Pflege, nicht nur in anderen Branchen, auch in der Pflege. Aber hier in einem besonders hohen Maß. Und dadurch entsteht kein wirkliches Team-Building, dadurch entsteht keine wirklich trainierte Pflegequalität. Und das kann dazu führen, dass in einer solchen Situation auch wirkliche Mängel auftauchen und Menschen nicht in allerbestem Sinne und nicht im allerbesten Maße versorgt werden."

    Heimbewohnerin Gertrud Diepiek sagt: Alle Bewohner des Mainzer "Casa Reha"-Heimes seien jetzt darüber informiert worden, dass in Zukunft weniger Leiharbeiter in der Pflege eingesetzt werden sollen:

    "Wir haben alle einen Brief bekommen heute und das wird abgeändert."

    Minister:

    "Ja klar, weil wir das als Auflage formuliert haben. Weil wir gesagt haben: Ihr müsst das verändern. Ihr braucht mehr Personal, es muss auf jeden Fall mehr Fachpersonal sein. Und reduziert natürlich auch den Anteil derjenigen, die kommen und gehen. Das ist ja bei Leiharbeitskräften oftmals der Fall. Also reduziert die Fluktuation, es braucht eingeübte Verhältnisse zwischen Bewohnerinnen und Bewohnern und Personal. Und es braucht Fachkräfte und das haben wir als Auflage formuliert und das werden wir auch eng begleiten."

    "Eng begleitet" wird der Fall nun auch von der Mainzer Staatsanwaltschaft:
    Gegen die Heim- und Pflegedienstleitung des Mainzer "Casa-Reha"-Heimes wird wegen Verdachts auf fahrlässige Körperverletzung ermittelt. Dafür hat der sozialdemokratische Gesundheitsminister Alexander Schweitzer persönlich gesorgt:

    "Wir können in einer solchen Situation nicht Fünfe gerade sein lassen. Das ist überhaupt nicht möglich. Die Menschen erwarten, das wir mindestens fahrlässige Vergehen stark ahnden. Und deswegen war mir wichtig, dass die Staatsanwaltschaft informiert ist und alles Weitere wird man dann sehen müssen."

    Zweimal wöchentlich sollen ab jetzt auch Vertreter der Gesundheitsbehörden in das Mainzer "Casa-Reha"-Heim geschickt werden, um nach dem Rechten zu sehen. Der zuständige Minister Alexander Schweitzer droht auch mit Schließung, sollte sich die Pflegequalität nicht schlagartig verbessern:

    "Wenn es am Ende keine nachhaltige Verbesserung gibt, bin ich auch zu weiteren Schritten bereit und werde dann auch deutlich machen: Wir werden keine weiteren Qualitätsmängel dieser Art in Zukunft akzeptieren."

    Es ist also wohl die letzte Chance für das Pflegeheim in Mainz-Finthen, das schon 2007 einmal mit Pflegemängeln aufgefallen war. Die Heimbewohner Gertrud Dipiek, Ruth Rohendorf und Erich Wegener finden es gut, dass das Heim nicht sofort geschlossen wird. Denn sie haben auch schon schöne Momente in Mainz-Finthen erlebt:

    "Über unser Gartenfest, da stand nichts in der Zeitung. Das war so was von schön."

    "Und die Menschen haben sich gefreut und innerlich aufgelebt."

    Nun soll aber dafür gesorgt werden, dass die Menschen im Heim nicht nur an Festtagen, sondern auch in Alltag innerlich aufleben. Dank kontinuierlicher Pflege mit Dauer-Beschäftigen.