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Leistungssportreform
Kritik am Bewertungssystem von Potas

Rudern und Kanu haben beim Zwischenbericht der Potas-Analyse, die die Grundlage für die Zuteilung von Fördergeld für Sportarten darstellt schlecht abgeschnitten. Nun fordern die Verantwortlichen eine Überprüfung der Bewertungskritierien.

Von Robert Kempe | 20.11.2019
Riemen mit in den Farben der deutschen Flagge beim Deutschlandachter.
Riemen mit in den Farben der deutschen Flagge beim Deutschlandachter. (imago sportfotodienst)
Es herrscht Ratlosigkeit bei Siegfried Kaidel, dem Präsidenten des Deutschen Ruderverbandes. Sein Verband holte bei Olympia 2016 in Rio drei Medaillen. Bei der WM in diesem Jahr sechs. In einem vorläufigen Bericht der sogenannten Potas-Kommission sind die Ruderer nun Letzter. Für Kaidel hat die Kommission vorrangig das Produzieren von Papier und Formalismen positiv bewertet.
"Also ich denke, falsch gemacht in dem Sinne haben wir nichts. Es kann sein, dass natürlich von der Bewertung her manche Dinge herangezogen werden wie ein Papier, wo alles fein säuberlich draufsteht. Das kann natürlich sein. Aber so richtig falsch?"
Ruderer beklagen Fixierung aufs hauptamtliche Strukturen
Potas ist das Herz der Leistungssportreform. Eine unabhängige Kommission soll die Erfolgspotenziale der Verbände analysieren. Das Verfahren ist komplex: Die Verbände mussten 132 Fragen beantworten, daraus ergibt sich durch ein mathematisches Rechenmodell die kontrovers diskutierte Rangliste. Dem Ruderverband wurde unter anderem die ehrenamtliche Führungsstruktur zum Verhängnis, so Kaidel, Potas bevorzuge das Hauptamt.
"Eine erfolgreiche Struktur, die wir seit Jahrzehnten haben, zu kritisieren, dass die nicht oder vielleicht null - ich kenne die Einzelheiten nicht - aber schlecht bewertet wird, das verstehen wir natürlich auch nicht."
Kanu-Chef fordert Überprüfung von Potas
Auf der Sonnenseite der Potas-Rangliste steht der Deutsche Badminton-Verband, bei Olympia noch ohne Medaille. Doch die Rangliste vermittelt ein schiefes Bild. Von den drei Hauptkriterien: Erfolgsbilanz, Kaderpotenzial und Verbandsstruktur ist nur das letzte komplett in den Bericht eingegangen. Von den 26 überprüften Verbänden kommt der deutsche Kanu-Verband auf Platz 14. Thomas Konietzko, Präsident des erfolgreichsten deutschen Sommersportverbandes, regt eine Überprüfung von Potas an.
"Wenn die erfolgreichsten Verbände bei Olympischen Spielen hinten platziert sind und Verbände, die weniger erfolgreich sind, oben platziert sind, dann glaube ich nicht, dass es die Realität widerspiegelt. Ob die Wertung dieser einzelnen Attribute dann wirklich effizient und gerechtfertigt ist? Ich glaube, da sollte dann auch noch nochmal das Bewertungssystem hinterfragt werden."
Denn Potas könnte größere Auswirkungen haben. Bei Einführung des Systems wollte das Bundesinnenministerium der Kritik des Bundesrechnungshofs folgen. Die Sportförderung sollte transparenter und nachvollziehbarer werden. Potas sollte die Kriterien für die finanziellen Zuwendungen liefern. Und auch jetzt bestehe bei den Sportverbänden eine große Unsicherheit, welche Auswirkungen die Potas-Analyse bei den Fördergesprächen haben werde, so Thomas Konietzko. "Ich glaube nicht, dass das Bewertungssystem so aussagekräftig ist, dass darauf jetzt auch Förderentscheidungen getroffen werden sollten."
Staatssekretär will auf Potas beharren
Welche Rolle Potas in den nun anstehenden Fördergesprächen spielen wird, ist unklar. Seit Einführung wurde das Konzept immer mehr aufgeweicht. Dennoch stellt Markus Kerber, Staatssekretär im Bundesinnenministerium klar, dass es beim Geld auch zu Konflikten kommen könne.
"Dann werden wir sicherlich unsere Analyse und unsere Interpretation der Potas-Ergebnisse nehmen müssen, um auf unserem Standpunkt zu beharren. Der Steuerzahler draußen und die breite Öffentlichkeit wird kein Verständnis dafür haben, wenn eine Verwendung von Steuergeldern für den Spitzensport, die in den letzten Jahren auch angestiegen sind, ohne maßgeblichen Einfluss des Bundesinnenministeriums in Zukunft stattfinden wird."