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Leitzins in den USA
Nur niemanden erschrecken

Die Finanzwelt schaut gebannt nach Washington. Es geht um zwei Stellen hinter dem Komma. Die US-Notenbank könnte kurz nach 20 Uhr deutscher Zeit die erste Leitzinserhöhung seit fast zehn Jahren verkünden. Die hätte Auswirkungen nicht nur in den USA.

Von Martin Ganslmeier | 17.09.2015
    US-Notenbankchefin Janet Yellen von unten fotografiert am mächtigen Holzpodium der US-Notenbank Fed.
    US-Notenbankchefin Janet Yellen (picture alliance/dpa/Jim Lo Scalzo)
    An die letzte Leitzinserhöhung der US-Notenbank kann sich kaum mehr jemand erinnern: Sie fand im Juni 2006 statt, also deutlich vor der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Ende 2008 senkte die Federal Reserve die Leitzinsen auf nahezu null Prozent, um die notleidende US-Wirtschaft wieder anzukurbeln. Dass die Abkehr von diesem historisch niedrigen Zinsniveau noch in diesem Jahr erfolgen soll, das hat Notenbank-Chefin Janet Yellen mehrfach angekündigt. Ob die Zinswende jedoch schon heute oder erst auf einer der beiden nächsten Sitzungen Ende Oktober oder Mitte Dezember beschlossen wird, das macht Fed-Chefin Janet Yellen von zwei Faktoren abhängig: "Ausschlaggebend wird sein, ob wir dann unseren beiden Zielen nahegekommen sind: Vollbeschäftigung und Zwei-Prozent-Inflation."
    Das Ziel der Vollbeschäftigung ist mittlerweile erreicht. Die Arbeitslosenquote liegt bei 5,1 Prozent - so niedrig wie seit fast acht Jahren nicht mehr. Über drei Millionen Jobs entstanden im vergangenen Jahr. Und die amerikanische Wirtschaft wuchs im zweiten Quartal um satte 3,7 Prozent. Vor allem die Nachfrage nach Autos und Häusern ist weiter stark.
    Doch das zweite Ziel der Notenbank - eine Inflationsrate um zwei Prozent - liegt in weiter Ferne: Billiges Öl und der starke Dollar haben dafür gesorgt, dass die Preise in den USA im vergangenen Monat sogar gefallen sind. Die Inflationsrate bewegt sich nur noch knapp über null Prozent.
    Ein Viertel, ein Achtel oder einfach nichts
    Sollte sich die US-Notenbank dennoch schon heute zu einer Leitzinserhöhung durchringen, dann werde diese sehr moderat ausfallen, versuchte Janet Yellen auf ihrer letzten Pressekonferenz zu beruhigen: "Die Bedeutung der ersten Zinsanhebung sollte nicht überbetont werden. Unsere Geldpolitik würde auch anschließend für geraume Zeit sehr locker bleiben."
    Von 0,25 Prozentpunkten ist die Rede oder gar nur von einem Achtelpunkt. Auf keinen Fall will Janet Yellen den Fehler der japanischen Notenbank wiederholen, die vor 15 Jahren die Leitzinsen zu früh anhob und die Konjunktur damit wieder abwürgte. Gerade weil Janet Yellen sehr vorsichtig ist und eine Verfechterin des billigen Geldes, rechnen die meisten Wirtschaftsexperten für heute noch nicht mit einer Zinswende, sondern erst Ende Oktober oder im Dezember. Diese Einschätzung teilt auch Kathy Jones, die Vizepräsidentin des Finanzunternehmens Charles Schwab, im Sender Bloomberg. Zumal die Weltwirtschaft schwächelt: "Wir haben lange an die Zinswende im September geglaubt. Aber die schlechte Lage in China macht dies unwahrscheinlicher. Dennoch würde ich es noch nicht ausschließen."
    Nicht nur die Börsenturbulenzen in China sorgen für Verunsicherung der Märkte, auch die Wirtschaftsprobleme in Brasilien, Russland und Indonesien. Gerade die Schwellenländer könnte eine Leitzinserhöhung in den USA hart treffen. Denn es würde viel Kapital von ihnen in die USA abfließen. Auch deshalb plädiert der Chefvolkswirt der Weltbank für eine Verschiebung der Zinswende. Umgekehrt warnen deutsche Ökonomen vor zu langem Abwarten: Wenn die Politik des billigen Geldes zu lange andauert, drohen neue Spekulationsblasen an den Aktien- und Immobilienmärkten. All dies muss Janet Yellen heute berücksichtigen und die Entscheidung dann so verkünden, dass die Märkte möglichst nicht verschreckt werden.