Freitag, 19. April 2024

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Leitzinserhöhung in den USA
"Eine positive Nachricht"

Adalbert Winkler von der Frankfurt School of Finance and Management begrüßt die Erhöhung des Leitzinses in den USA. "Wir sind aus dem Krisenmodus heraus,"sagte er im DLF. Die Zeiten absolut niedriger Zinsen seien aus geldpolitischer Sicht vorbei - das habe auch Auswirkungen auf Spareinlagen und Staatsanleihen.

Adalbert Winkler im Gespräch mit Matthias von Hellfeld | 16.12.2015
    Die Präsidentin der US-Notenbank Fed, Janet Yellen, während einer Pressekonferenz.
    Die Präsidentin der US-Notenbank Fed, Janet Yellen, äußerte sich am 16.12.2015 zur Leitzinserhöhung. (picture alliance / dpa / EPA / Michael Reynolds)
    Matthias von Hellfeld: Die US-amerikanische Wirtschaft brummt in ausreichendem Maße, um eine moderate Anhebung der seit neun Jahren nicht mehr angehobenen Zinsen vorzunehmen. Das war die verbreitete Stimmung an den Börsen im Vorfeld der Entscheidung der amerikanischen Notenbank in Washington. Und dann fiel sie auch aus wie erwartet: Die Fed erhöhte den Leitzins und sie signalisierte damit großes Vertrauen in die amerikanische Wirtschaft. Nach neun Jahren also die erste Zinserhöhung. Über die Auswirkungen in den USA, Europa und Deutschland spreche ich jetzt mit Professor Adalbert Winkler von der Frankfurt School of Finance and Management. Guten Abend.
    Adalbert Winkler: Guten Abend.
    von Hellfeld: Ist die Entscheidung für Sie überraschend gekommen?
    Winkler: Nein, die war lange vorbereitet. Deswegen konnte sie nicht überraschen. Wenn es anders ausgegangen wäre, wenn heute keine Zinserhöhung gewesen wäre, dann wäre das überraschend gewesen.
    von Hellfeld: Erklären Sie noch mal kurz, warum das Ausmaß der Zinserhöhung, 0,25 Prozent, richtig gewählt ist.
    Winkler: Wir beginnen ja von einem sehr, sehr niedrigen Niveau. Dann muss man sehen: Wenn jetzt um 0,25 Prozentpunkte erhöht wird, dann ist das, wenn Sie so wollen, ja eine Verdoppelung, weil bisher war ja der Zins bei 0,25 und jetzt ist er auf 0,5. Und angesichts auch der Tatsache, dass die Inflationsrate in den USA ja immer noch weit vom Ziel entfernt ist, gab es auch keinen Anlass für größere Zinsschritte. Die Federal Reserve, die US-Notenbank hat in ihrer Begründung auch ja zum Ausdruck gebracht, dass sie angesichts dieser Tatsache auch nur einen moderaten weiteren Zinsstieg erwartet, vorausgesetzt die wirtschaftliche Entwicklung verläuft so, wie sie es derzeit erwartet.
    "Zinserhöhung wird an die Märkte weitergegeben"
    von Hellfeld: Können Sie mal ganz kurz sagen: Was passiert jetzt eigentlich genau? Welche Zinsen für den Verbraucher, für die Industrie, für die Firmen, welcher Zins ändert sich jetzt?
    Winkler: Zunächst ändert sich überhaupt nur der Zins, zu dem sich Kreditinstitute in den USA Geld bei der Notenbank leihen können. Und wie auch hier bei uns in Europa ist die Vorstellung, dass dann diese Zinserhöhung über die verschiedenen Kanäle an die Märkte weitergegeben wird, das heißt, auch auf die Märkte für Bankeinlagen, also auch Spareinlagen und für Zinsen für andere Finanzaktiva, also auch zum Beispiel für Staatsanleihen oder für Unternehmensanleihen. Das ist die Vorstellung dessen, wie Geldpolitik wirkt. Sie erhöht den Zins, zu dem sich Kreditinstitute bei ihr Geld leihen, und diese Erhöhung wird weitergegeben.
    von Hellfeld: Es erhöhen sich auch die Hypothekenzinsen, aber auch möglicherweise die Sparzinsen, wenn es geht beide gleichzeitig, sodass man auf beiden Seiten etwas davon hat?
    Winkler: Genau.
    von Hellfeld: Denken Sie, dass die Entscheidung von heute Abend Einfluss auf die Weltwirtschaft hat?
    Winkler: Sie hat insofern Einfluss auf die Weltwirtschaft, weil sie das Signal gibt, die Federal Reserve denkt, dass eine Normalisierung der Geldpolitik angezeigt ist. Das ist, wie ja auch gesagt worden ist, die erste Zinserhöhung seit neun Jahren. Insofern ist das auch für sich genommen ja eine positive Nachricht. Es bedeutet, wir sind aus dem Krisenmodus in dem Sinne heraus, dass wir nicht mehr an der Null-Zins-Grenze operieren, und insofern ist das natürlich eine Entscheidung, die auch die Weltwirtschaft beeinflusst.
    Weitere Erhöhung abhängig von Inflationsrate und Beschäftigung
    von Hellfeld: Es ist gesagt worden, dass in einem überschaubaren Zeitraum von ungefähr einem Jahr dieser Zinssatz auf 1,4 Prozent steigen soll. Das jedenfalls ist das Ziel, wenn sich die entsprechenden Parameter so entwickeln, wie man das denkt. Ist das dann so ein Ende, oder bis wohin geht das dann? Ist das jetzt so ein Prozess, der wie so eine Lawine ins Rollen geraten ist, oder stoppt der auch irgendwann?
    Winkler: Der Prozess ist ja immer davon abhängig, auch die heutige Entscheidung war allein davon abhängig, wie die Federal Reserve die Gefährdung für ihre beiden Ziele, die ihr vom Gesetzgeber vorgeschrieben sind, wie sie diese Gefährdung einschätzt. Und diese beiden Ziele sind Preisniveau-Stabilität und Vollbeschäftigung. Das sind die Ziele, die die US-Notenbank hat. Und da wir in den USA Vollbeschäftigung praktisch haben - die Arbeitslosenrate ist in den letzten Jahren immer weiter gesunken -, ist es der Federal Reserve nun möglich gewesen, den Zins zu erhöhen, weil sie befürchtet, dass wenn jetzt die Effekte des niedrigeren Ölpreises und anderer kurzfristiger temporärer Effekte wie zum Beispiel die Dollar-Aufwertung abflauen, dass sich dann auch die Inflationsrate wieder auf den Zielwert von zwei Prozent zubewegt, und dass man dann sagt: Okay, vor diesem Hintergrund ist es jetzt richtig zu handeln, weil wir wissen auch, dass die Geldpolitik immer mit einer gewissen Verzögerung wirkt. Das heißt, wenn heute die Zinsen erhöht werden, heißt das ja nicht, dass morgen dann die Inflationsrate schon eingedämmt wird. Deswegen hat sie sich auf dieser Basis entschieden, heute schon den Zins zu erhöhen. Aber das ist immer abhängig vom Mandat. Das heißt, wir wissen nicht genau, wie hoch der Zins steigen wird, weil das davon abhängig wird, wie wird sich die Inflationsrate und die Beschäftigung in den USA in den nächsten Monaten und Jahren entwickeln.
    "Die Zeiten absolut niedriger Zinsen sind aus geldpolitischer Sicht vorbei"
    von Hellfeld: Wie wird sich das jetzt in Europa entwickeln, wenn die amerikanische Währung ja eine Leitwährung ist?
    Winkler: Wir haben seit 1973 einen flexiblen Wechselkurs zwischen der D-Mark und jetzt dem Euro zum US-Dollar. Das ist zunächst einmal nichts Neues, dass die geldpolitischen Kurssetzungen in den USA und in Europa nicht übereinstimmen. Dafür hat man sich ja für flexible Wechselkurse entschieden. Insofern hat das zunächst einmal für Europa vergleichsweise geringe Auswirkungen. Es bedeutet natürlich - auch das wissen wir aus vielen Untersuchungen -, dass Europa sich nie ganz von dem Zinstrend in Amerika abkoppeln kann. Das heißt, auch hier werden wir eine ganz, ganz leichte Erhöhung der Zinsen sehr wahrscheinlich erleben, aber dann mit einem etwas längerfristigen Ende, nicht am kurzfristigen Zins. Der wird ja von der EZB bestimmt.
    von Hellfeld: Wer sich jetzt überlegt, ein Haus zu kaufen, ein Auto zu kaufen oder ähnliche größere Anschaffungen, der muss jetzt nicht morgen sofort zur Bank rennen, weil die Zinsen gerade niedrig sind?
    Winkler: Nein. Das Signal ist, zumindest was die USA angeht, die Zeiten absolut niedriger Zinsen sind aus geldpolitischer Sicht vorbei. Allerdings der langfristige Zins wird überwiegend vom Markt bestimmt und wie der sich dann entwickelt, das hängt nur, wie ich eben schon sagte, indirekt von dem ab, was die Notenbank tut. Aber ich würde im Moment niemandem raten, jetzt deswegen sofort morgen zur Bank zu laufen und einen zehnjährigen Kredit aufzunehmen.
    von Hellfeld: Soweit Professor Adalbert Winkler von der Frankfurt School of Finance and Management, mit dem ich vor dieser Sendung gesprochen habe.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.