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Lernalltag in der Peter-Petersen-Grundschule Berlin

Wochenbeginn in der Peter-Petersen Grundschule in Berlin-Neukölln. Dass Kinder montags erst einmal erzählen, was ihnen vom Wochenende her noch auf der Seele brennt oder was sie - etwa in der Vorweihnachtszeit - gemeinsam machen wollen, gehört hier zum Schulalltag.

Von Agnes Steinbauer | 11.11.2005
    " Am Wochenende wollte ich bei meinen Eltern im Bett schlafen, weil mein Vater wieder ins Krankenhaus gehen muss, weil jetzt seine Platten im Rücken rausgeholt werden, deswegen wollt ich noch bei meinen Papa schlafen."

    Das "Gespräch" ist reguläre Unterrichtsstunde - Teil des "Jena-Plans" nach dem Reformpädagogen Peter Petersen.

    "Das Gespräch, die Arbeit, das Spiel und die Feier haben ihren festen Standort im Ablauf eines Tages, einer Woche, eines Jahres und dieses realisieren wir in allen Stammgruppen. Soziales Lernen und Leistungslernen kann man nicht voneinander trennen. "

    Davon ist Ruth Weber, Schulleiterin der einzigen Jena-Plan-Schule Berlins, überzeugt. Erst wenn das Miteinander stimmt, stellt sich Lernerfolg ein, weiß die Pädagogin. Einer der wichtigsten reformpädagogischen Bausteine: Unterricht in altersgemischten Gruppen - drei Jahrgänge werden zusammengefasst. In "Stammgruppe" 2.3 der Berliner Schule ist das die vierte, fünfte und sechste Klasse:

    " Ich finde es sehr schön, dass die Klassenkameraden miteinander lernen können. In anderen Schulen gibt es 4a und 4b, das finde ich dann nicht so schön, weil das ist nicht so gut geordnet. "

    Mouad ist schon in der sechsten Klasse. In der zweiten Stunde heute morgen - in "Wochenaufgaben" - sitzt er mit jüngeren Mitschülern an einem Tisch. Er hat mit seiner "Wochenaufgabe" in Deutsch angefangen und zerlegt einen Satz in seine Bestandteile:

    "Am Wochenende besuchte er seine Oma." Da sollen wir die Verben unterstreichen - "besuchte" - und dann sollen wir die Personen schreiben: "Er" ist die dritte Person Singular. Dann sollen wir in Klammern dritte Person Singular und Präteritum schreiben.

    Mädchen:
    " Manchen Kindern helfe ich in Mathe, wenn sie etwas nicht mehr wussten, zum Beispiel bei "mal", wie man bei "mal" untereinander rechnet, dass man das so untereinander schreiben muss. "

    Hilfsbereitschaft ist nach Jena-Plan oberste Priorität. Zuerst sollen die Kinder versuchen, sich untereinander zu helfen - wenn sie nicht weiterkommen, sind die Lehrer gefragt. Nicht nur beim Lesenüben hat sie sich bewährt. Auch Kinder nichtdeutscher Herkunft - an der Petersen Schule fast 50 Prozent - können so ihre Leistungsfähigkeit steigern:

    " Zwei Jungs: der eine liest und der andere verbessert ihn"

    Für Lehrerin Beate Nitsche ist gegenseitige Unterstützung in erster Linie eine Art der Selbsthilfe; vor allem wegen einer Erfahrung:

    " Dass die Kinder nicht in solche Rollen verfallen: Dass einer immer der Schlechteste ist. Es ist nie einer der Schlechteste, weil er ist ja irgendwann mal sechste Klasse und dann ist er nicht mehr der Schwächste."

    Jedes Kind bekommt am Wochenanfang Aufgaben unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade aus den im Berliner Rahmenplan vorgeschriebenen Fächern und Lerninhalten, die es im Laufe der Woche in der eigenen Geschwindigkeit bearbeiten soll: In Gruppenarbeit, Einzelarbeit und so wenig Frontalunterricht, wie möglich. Mit Laisser-faire hat das aber nichts zu tun:

    " Dann bin ich nicht so ganz zufrieden, wie ihr eure Hefte führt. Manche schreiben da gar nicht rein, an welchen Tagen sie was gemacht haben. "

    Kontrolle gehört zum Schulalltag, ebenso wie Noten und Zeugnisse ab der vierten Klasse. Trotzdem kommen aus weiterführenden Schulen meist Erfolgsmeldungen von früheren Peter-Petersen-Schüler. Der elfjährige Mouad hat dafür seine eigene Begründung:

    " Wir verstehen uns hier zusammen gut und wenn hier mal jemand einen Radiergummi braucht oder was anderes, dann leiht er ihn auch aus. Wir sind eine sehr glückliche Klasse."