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Lernen in Estland
Mit iPad in die erste Klasse

In kaum einem europäischen Land ist die Digitalisierung so weit fortgeschritten wie in Estland. Der Zugang zum Internet gilt dort als Grundrecht, die Esten wählen längst online und auch in den Schulen macht die Digitalisierung Fortschritte. Bereits in der ersten Klasse arbeiten die Schüler mit Tablets.

Von Gabor Paal | 28.03.2014
    Eine scheinbar normale Unterrichtsstunde an einer Grundschule in der Stadt Tartu. Mit einem kleinen Unterschied: Die Erstklässler haben kein Schulbuch vor sich - sondern jeder sein eigenes iPad, eingepackt in einer grasgrünen Schutzhülle. Liisi Griffel ist die eigens angestellte E-Learning-Beauftragte der Schule.
    "Wir benutzen die iPads in der ersten, der vierten und der siebten Klasse. Auf den iPads sind die Schulbücher geladen inklusive vieler spielerischer Übungsaufgaben. - Werden die iPads von der Schule gestellt? - Nein, das müssen schon die Eltern kaufen, aber sie können sie auch über drei Jahre in Raten abzahlen."
    Den Schüler jedenfalls gefällt der Unterricht mit Tablet. Jetzt in der Kunststunde sollen sie zum Beispiel ihre vorher gemalten Bilder fotografieren und am iPad zu einer Galerie zusammen stellen.
    "Ich finde das toll, die Lernspiele auf dem iPad machen Spaß. - Ich finde es vor allem gut in Mathe - ich in Englisch. - Ich lerne lieber mit den richtigen Büchern aus Papier, wo man mit der Hand was zeichnen und ausmalen kann und nicht wie im iPad nur irgendwo draufdrückt."
    Einige der Erstklässler besuchen zusätzlich zum regulären Unterricht auch schon eine Informatik-AG, wo sie kleine Lego-Roboter programmieren.
    "Nächstes Jahr wollen wir mit dem Programmier-AGs schon im Kindergarten anfangen."
    Digitales Klassenbuch
    Was das Programmieren in der Elementarstufe betrifft, ist diese private Schule auch in Estland eher die Ausnahme als die Regel. Doch fast alle Schulen im Land nehmen am sogenannten E-Kool-Programm teil. Das heißt: Sie führen eine Art digitales Klassenbuch, das auch übers Internet zugänglich ist. Das hat selbst die kleine christliche Schule am Stadtrand von Tartu mit ihren gerade mal 50 Schülern.
    "Hier sieht man zum Beispiel die neunte Klasse Physik. Als Lehrerin trage ich hier jeden Tag ein, was wir gemacht haben, was an Hausaufgaben auf ist und welche Schüler gefehlt haben. Jeder Schüler sieht auch alle seine Noten und ich als Klassenlehrerin sehe auf einen Blick, wenn jemand abrutscht."
    Sagt die Lehrerin Marika Eller. Aber auch die Eltern können sich zu Hause einloggen und bekommen angezeigt, wo ihre Kinder schulisch stehen, ob sie unentschuldigt gefehlt haben und natürlich auch: die Hausaufgaben. Das verändert einiges: Typische Situation: Der Sohn oder die Tochter kommt nach Hause und verkündet "Wir haben heute gar nichts auf". Estnische Eltern können das heute leicht im Internet überprüfen. Markus und Matthias sind 15 und gehen in die 8. Klasse. Fühlen sie sich kontrolliert durch das elektronische Klassenbuch?
    "Vielleicht ein bisschen. - Nein, gerade bei den Kleineren ist es ja auch wichtig, dass die Eltern mitbekommen, wenn es nicht gut läuft. Ich selbst nutze das System jeden Tag. Ich bin froh, dass ich mir die Hausaufgaben nicht mehr aufschreiben muss, sondern im Internet nachschauen kann."
    Der Lehrerin erspart das System auch das Ausfüllen der Zeugnisse.
    "Die Lehrer tragen die Noten ihrer Schüler einfach hier ein, und die werden dann automatisch ins Zeugnis übernommen – ich muss sie als Klassenlehrerin also nicht noch mal abschreiben. Manche Schulen sind sogar schon dazu übergegangen, die Zeugnisse gar nicht mehr auszudrucken, sondern nur noch als Datei zu verschicken."