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Letzte Sondierungswoche
Kein Spaziergang nach Jamaika

Es menschelt zwischen den Jamaika-Sondierern in Berlin – doch inhaltlich bleiben tiefe Gräben zum Beispiel bei Klimathemen zu überwinden. Bei innerer Sicherheit und vielleicht beim Migrationsthema zeichnen sich dagegen Kompromisse ab. Ausblick auf eine schwierige letzte Sondierungswoche.

Von Katharina Hamberger | 13.11.2017
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geht vor Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, einer Mitarbeiterin (Parteizugehörigkeit unbekannt), Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender, Cem Özdemir, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen (verdeckt) und Horst Seehofer, CSU-Parteivorsitzender am 07.11.2017 im Bundestag in Berlin zu einer weiteren Verhandlungsrunde der Sondierungsgespräche zur Bildung einer Regierung aus CDU, CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen.
    Auf in die letzte Sondierungswoche: Angela Merkel (CDU, ganz rechts), Katrin Göring-Eckardt (Grüne, zweite von rechts), Christian Lindner (FDP, hinten links) und Horst Seehofer (CSU, ganz hinten ohne Brille) (Michael Kappeler/dpa)
    "Jürgen Trittin ist echt eine coole Socke. Hätte ich gar nicht gedacht" – dass ausgerechnet CDU-Politiker Jens Spahn das über den Grünen Trittin sagen wird, wie nun dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, das hätte wohl so mancher in Berlin auch nicht gedacht. Die Jamaika-Sondierer scheinen sich also zumindest auf der persönlichen Ebene anzunähern.
    Inhaltlich gibt es aber immer noch zum Teil tiefe Gräben. Um diese nun zu überwinden, setzten sich die Verhandlungsführer mit den Berichterstattern zusammen. Deutlich ist allerdings schon jetzt: Ein Spaziergang wird diese Sondierungswoche nicht für Union, Grüne und FDP – in der Nacht zum Freitag wollen und müssen die potenziellen Koalitionäre mit ihren Gesprächen fertig sein. Danach wird jede Partei für sich entscheiden, ob sie in Koalitionsverhandlungen eintreten wird.
    Fünf Themen stehen heute auf der Tagesordnung, heute Mittag der schwierige Bereich Klima und Umwelt. Anfang vergangener Woche haben die Grünen schon ein Kompromissangebot gemacht:
    "Indem wir gesagt haben, die Klimaschutz-Ziele, die sind nicht verhandelbar, bis 2020 minus 40 Prozent CO2-Emissionen im Verhältnis zu 1990. Aber die Wege, wie man dann die Klimaziele 2020, '30, '50 erreicht, über die kann man gerne reden, wenn es andere Vorschläge gibt. Die muss es halt auch mal geben, und in dem Prozess sind wir jetzt", sagte Grünen-Chef Cem Özdemir heute im Deutschlandfunk.
    Verständigung bei innerer Sicherheit?
    Allerdings ist noch nicht abzusehen, wie dieser Prozess enden wird. So sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt heute in der ARD:
    "Einen Kohleausstieg – das ist vollkommen abwegig – den wird es natürlich nicht geben. Wir können nicht die Energie an allen Ecken und Enden beschneiden und sagen, jetzt kommt der Strom aus dem Kernkraftwerken oder den Kohlekraftwerken aus dem Ausland", so der CSU-Politiker.
    Bei anderen Themen scheint es wiederum etwas voranzugehen. So meldet die dpa eine Verständigung bei der inneren Sicherheit, die heute auch nochmal aufgerufen werden soll. Aller vier Parteien wollen das gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern reformieren. In einem Papier dazu heißt es laut dpa, dieses soll nicht nur dem Austausch von Informationen dienen, sondern auch verbindliche Absprachen gewährleisten.
    Wird die Union beim Migrationsthema weich?
    Als einer der schwierigsten Themenbereiche gilt Migration und Flucht. CDU und CSU hatten sich auf eine gemeinsame Position geeinigt. Unter anderem wollen beide Parteien den Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige weiter aussetzen. Das wollen die Grünen nicht. CDU-Politiker Jens Spahn deutet nun Bewegung bei den Christdemokraten an: Wer legal ins Land komme, sich anpasse, Deutsch lerne, Arbeit habe und so beweise, dass er Teil dieser Gesellschaft sein wolle, solle auch dauerhaft bleiben dürfen und erleichtert die Möglichkeit zum Familiennachzug erhalten, sagte Spahn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die CSU hingegen hält von solchen Vorstößen nicht, möchte das Unionspapier zur Migration ohne Kompromisse einzugehen durchsetzen:
    "Ja, also es ist klar, dass das, was wir aufgeschrieben haben gemeinsam mit der CDU, das ist das, was wir zwischen CDU und CSU vereinbart haben, das liegt auf dem Tisch und wir werden das so umsetzen", so CSU-Landesgruppenchef Dobrindt.
    FDP-Chef Lindner sieht Ball vor allem bei CSU
    Weil sich die Union, vor allem die CSU in solch entscheidenden Fragen noch nicht bewegt hat, wiederholte FDP-Chef Christian Lindner nun seine Forderung vom Wochenende heute ein weiteres Mal. Die vergangene Woche habe ihn optimistischer gemacht, denn es habe Bewegung bei FDP und Grünen gegeben, die sich von Maximalforderungen verabschiedet hätten. Man schaue nun auf die Unionsparteien, ob es da Bewegung gebe. Für die FDP steht dabei vor allem die Themen Bildung und Digitalisierung im Vordergrund. Aus Sicht der Grünen hängt nun viel vor allem von einer Person ab:
    "Frau Merkel muss sich eindeutig stärker einbringen und eben auch zeigen, wo auch die CDU Kompromissbereitschaft hat und auch bereit ist, auf die beiden Partner zuzugehen, das ist Merkels Aufgabe jetzt in dieser Woche. Sie muss natürlich auch mit der CSU schauen, dass die weiterhin an Bord bleibt", sagte Grünen-Politikerin Franziska Brandtner unserem Hauptstadtstudio.