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Letzter Kraftakt zur Rettung

Daimler-Benz und AEG, die Namen stehen für Solidität und Tradition. Als der Elektrokonzern Anfang der 80er Jahre ins Schlingern geriet, kam es zu einer der spektakulärsten Übernahmen in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Der Autobauer stieg bei AEG ein, die folgende Zerschlagung des Hausgeräteherstellers 1996 konnte das nicht verhindern.

Von Irene Meichsner | 13.02.2006
    Man sprach von einer Elefantenhochzeit, und so manchem Zeitgenossen war dabei nicht ganz wohl in seiner Haut. Strahlende Gesichter dagegen bei den Vorstandsvorsitzenden der Daimler-Benz AG und des angeschlagenen Elektrokonzerns AEG, die in einem gemeinsamen Papier ihre Zukunftspläne präsentierten.

    "Der Automobil-Konzern Daimler-Benz, 1984 knapp 200.000 Beschäftigte und rund 43 Milliarden Mark Umsatz, beteiligt sich am Elektrokonzern AEG. Für rund 1,6 Milliarden Mark erwirbt Daimler Firmenanteile, die sich bislang im Besitz von Großbanken befinden. Daimler-Benz hält damit künftig gut 60 Prozent der Firmenanteile an der AEG, wird also Mehrheitsaktionär und kann folglich die Geschäftspolitik des Frankfurter Unternehmens entscheidend mitbestimmen."

    Bei einem ausgedehnten Spaziergang am Bodensee hatten AEG-Chef Heinz Dürr und Edzard Reuter, damals Finanzvorstand von Daimler-Benz, die Mammutfusion angebahnt. Im Oktober 1985 lag das Konzept auf dem Tisch. Fehlte nur noch der Segen des Kartellamts, den die Bundesbehörde aber gar nicht hätte verweigern können - wie Kurt Markert, Leiter der zuständigen Beschlussabteilung, am 13. Februar 1986, dem Tag des positiven Bescheids, vor der Presse versicherte:

    "Im geltenden Fusionskontrollrecht ist die Unternehmensgröße allein kein materieller Kontrollmaßstab für das Amt, weil geprüft werden muss nach dem Gesetz, ob auf den einzelnen Märkten der Zusammenschlusspartner, wie wir das ja dann getan haben hier, Marktbeherrschung entsteht oder verstärkt wird."

    Eben erst hatte sich Daimler-Benz die MTU "Motoren- und Turbinen-Union" einverleibt und eine Mehrheitsbeteiligung am Luftfahrtunternehmen Dornier gesichert. Konsequent folgte man einem allgemeinen Trend zur "Diversifizierung" - weg vom klassischen Automobilhersteller, hin zum Hochtechnologie-Riesen, der künftig auch Mikroelektronik, Automatisierungstechnik, Bürokommunikation, ja sogar Hausgeräte wie Kühlschränke und Geschirrspüler im Angebot hatte. Und die Zeichen standen weiter auf Expansion, wie Werner Breitschwerdt, der Vorstandsvorsitzende von Daimler-Benz, bei einer Pressekonferenz unter dem Blitzlichtgewitter der Fotografen durchblicken ließ:

    "Wissen Sie, es ist so, dass man sich solche Beteiligungen ja nicht in der Zeitung aussuchen kann. Wenn Sie fragen, wollen Sie heute so was Weiteres tun, dann muss ich Ihnen sagen: nein. Aber ich würde auch ganz klar sagen, es muss sicher nicht das Letzte sein, was wir getan haben."

    Fast 300.000 Mitarbeiter, ein Jahresumsatz von gut 60 Milliarden Mark: Dass sich mit dem nunmehr größten deutschen Industriekonzern eine enorme wirtschaftliche Macht zusammenballte, war vielen klar - auch dem Bundeskartellamt, wo man die Verantwortung für die politischen Folgen gleichwohl nicht zu übernehmen gedachte.

    Markert: "Über die Einführung einer wie auch immer motivierten allgemeinpolitisch, wettbewerbspolitisch, gesellschaftspolitisch motivierten reinen Größen-Kontrolle kann in einem auf dem Gewaltenteilungsprinzip beruhenden Staat wie dem unsrigen legitimerweise nur das Parlament durch Gesetz entscheiden."

    Indes stand diese Ehe ohnehin unter keinem guten Stern. 1983 hatte sich die AEG noch durch einen Vergleich vor dem Konkurs retten können. Auf Dauer gelang es ihr aber auch mit dem starken Partner nicht, sich zu konsolidieren. 1996, 113 Jahre nach seiner Gründung, wurde das Unternehmen zerschlagen, die verbleibende Aktiengesellschaft verschmolz mit der Daimler-Benz AG, die 1998 mit dem US-Konzern Chrysler fusionierte. Übrig blieb ein legendärer Name, den über 30 Firmen in Lizenz weiter als Markenzeichen verwendeten, so dass, wie es in einer Firmengeschichte heißt,

    "manchem externen Beobachter eine Zeitlang noch der Eindruck vermittelt wurde, als existiere die AEG auch weiterhin."

    2004 wurden die globalen Rechte an der Marke AEG von der schwedischen Electrolux-Gruppe aufgekauft, die jetzt durch die Schließung des AEG-Stammwerks in Nürnberg Negativschlagzeilen macht. Größe allein ist eben noch kein Garant für Erfolg, "big" nicht zwingend auch "beautiful". So gesehen, war das, was 1986 als pompöse Elefantenhochzeit begann, für die ehrwürdige AEG nur der Anfang vom definitiven Ende.