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Leuchtendes Leben

Technik. - Die so genannte "Zwei-Photonen-Mikroskopie" ermöglicht ganz neue Einsichten in die zellulären Lebensprozesse. Mit Geldern des Bundesforschungsministeriums sollen Wissenschaftler der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) und der TU Braunschweig die "Zweiphotonen-Mikroskopie" weiter entwickeln, um die biochemischen Prozesse in lebenden Zellen "online" zu verfolgen.

Von Michael Engel | 31.08.2005
    Die Ventilatoren verraten, dass bei der Zweiphotonen-Mikroskopie viel Abwärme entsteht. Hochenergetisches Laserlicht spielt hier nämlich eine zentrale Rolle. Herzstück ist ein etwa Koffer großer schwarzer Kasten, der mit Prismen, Umlenkspiegeln und einem Objektträger bestückt ist. Mikroskopische Präparate werden auf diese Weise "abgerastert".

    " Was hier besonderes dran ist, dass in diesem Scankopf der Laser aufgespalten wird in viele Strahlen, und das macht diesen Scankopf so besonders. Er ist dadurch nämlich wesentlich schneller als alles, was es sonst gibt. "

    Und rasend schnell muss auch der Laser sein, so Dr. Heinrich Spiecker vom Herstellerunternehmen LaVision Biotec in Bielefeld. Es handelt sich um gepulste Laserblitze, die nur 100 Femtosekunden lang leuchten und deshalb nur von Farbstoffmolekülen wahrgenommen werden, nicht aber von Proteinen. Dr. Matthias Gunzer, der ein 450.000 Euro teures Gerät für die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung in Braunschweig kaufen konnte, ist begeistert:

    " Das ganz Entscheidende ist, dass man mit der Zweiphotonen-Mikroskopie sehr, sehr tief in biologisches Gewebe hineinschauen kann, und das ist genau das, was wir vorhaben. "

    Um tief ins Gewebe eindringen zu können, darf der Laser nur im infraroten Spektrum arbeiten. Leider ist Infrarotlicht aber nicht sehr energiereich, um Farbstoffe zum Leuchten zu bringen. Bei hoher Lichtintensität indes gelingt es. Das heißt: Zwei Photonen regen das Farbmolekül an, aber nur ein Photon kommt als Floureszenz wieder heraus. Deshalb der Name: Zwei-Photonen-Mikroskopie. Die angeschlossene Kamera kann - je nach Vergrößerung - sogar in eine einzelne Zelle hineinzoomen. Besonderes Augenmerk richtet Dr. Gunzer auf die Substanz "NADPH":

    " Das NADPH hat zwei Vorteile. Es ist ein endogenes, das heißt von Anfang an sich in Zellen befindendes Molekül, das müssen Sie dann nicht extra reinbringen. Und es flouresziert sehr schön. "
    NADPH wird von den Mitochondrien - den Kraftwerken der Zelle - mit chemischer Energie aufgeladen, um z.B. bestimmte Proteine bei der Herstellung von Speicherstoffen zu unterstützen. Dort, wo NADPH in der Zelle besonders lange leuchtet, ist das Molekül gerade bei der Arbeit - also "gebunden". Dort, wo die Floureszenzlebensdauer nur kurz ist, ruhen die chemischen Prozesse.

    " Ein freies Molekül hat etwa die Halbwertszeit - die Lebensdauer - von einer halben Nanosekunde und ein gebundenes von 2,5 also von zwei ein halb Nanosekunden, das heißt, fünfmal so lang. Und das kann man sehr, sehr gut unterscheiden. "

    Die Forscher möchten aber keine statischen Einzelbilder schießen, sondern bewegte Bilder in Echtzeit bekommen. Nur leider scheitert dieser Wunsch an der großen Datenmenge, die dann verarbeitet werden müßte. Deshalb erarbeitet Professor Karl Heinz Gericke vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der TU Braunschweig eine Software, die das alles bewältigen soll: durch Datenreduktion.

    " Ja, das sind gigantische Datenmengen im Grund. Wir haben ein Bild, das hat rund eine Million Pixel. Und zu jedem einzelnen Pixel muss man diese Zerfallszeit aufnehmen. Und das bedeutet, man hat pro Pixel noch einmal zusätzlich einige zehn bis 100 Informationen. Und hinterher hat man dann ein Bild, wo man also mit höchster Auflösung in einer Zelle sich dreidimensional die relevanten Vorgänge angucken kann, die wirklich dann für die Prozesse, die man untersuchen möchte, wichtig sind. "

    Wenn alles funktioniert, im nächsten Jahr, sollen als erstes Pankreaszellen untersucht werden, um zu sehen, wann, wo und wie der Energieträger "NADPH" bei der Herstellung von Insulin mitwirkt. Bislang weiß man nur, dass die Insulin-Synthese innerhalb einer einzelnen Zelle nicht kontinuierlich abläuft, sondern "oszillierend" - mal stärker, mal schwächer. Gründe für diese zeitlichen Schwankungen sind weitgehend unbekannt. Die Zweiphotonen-Mikroskopie könnte - im wahrsten Sinne des Wortes - Licht in den zellulären Steuerstand der Insulinproduktion bringen.