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Leuchtspur im Monolithen

Chemie.- In München findet zurzeit die Messe "Analytica" statt. Chemische Analysen sind in der Lebensmittel- und Umweltüberwachung unverzichtbar geworden. Aber auch die Industrie benötigt immer bessere Analyseverfahren, zum Beispiel, um neue Medikamente zu finden. Auf der Messe wird dafür eine neue Methode vorgestellt.

Von Hellmuth Nordwig | 23.03.2010
    Die Münchner Firma NanoTemper gibt es noch nicht einmal zwei Jahre. Kein Schild weist den Weg in die von der Universität angemieteten Kellerräume. Und den Unternehmer sieht man dem 30-Jährigen Philipp Baaske mit seinem Kapuzensweatshirt auch nicht auf den ersten Blick an.

    "Das ist mehr so eine Verwirklichung von unseren Träumen. In der Doktorarbeit hatten wir das Problem, dass wir sehr viele Messungen in kleinen Volumina machen mussten, und es keine Messmethode dafür gab. Und dann haben wir die einfach entwickelt."

    Und daraus ein Messgerät gebaut, das in einem schwarzen Kasten steckt, so groß wie ein Schuhkarton.

    "Wir haben es Monolith genannt, nach dem Monolithen aus dem Film Odyssee 2001, der den Menschen die Intelligenz gebracht hat. Den haben wir angesehen und am nächsten Tag beschlossen, das Gerät Monolith zu nennen. Es bringt nicht die Intelligenz zu den Menschen, aber eine einfache und funktionierende Messtechnik zu Medizinern und Biologen."

    Im Monolithen wird getestet, ob eine Chemikalie an ein Eiweißmolekül im Blut andockt. Den Forschern geht es vor allem um Proteine, die bei Krankheiten eine Rolle spielen. Das könnte zum Beispiel ein Wachstumsfaktor für Brustkrebs sein. Bindet eine chemische Substanz an dieses Eiweiß, wirkt es oft nicht mehr so wie vorher. Dann könnte es sein, dass diese Chemikalie als Medikament in Frage kommt.

    Für den Test der Firma NanoTemper genügt ein Tröpfchen Blut. In einer Zentrifuge werden zunächst die Zellen abgetrennt. Übrig bleibt das durchsichtige Blutplasma, das noch alle gelösten Bestandteile enthält. Dann wird der potenzielle Medikamentenwirkstoff zugegeben. Das Ganze passiert in einem Röhrchen, das innen nicht viel dicker ist als ein Haar. Nun richten die Forscher auf die Mitte des Röhrchens eine Sekunde lang einen Laserstrahl. Wo der auftrifft, wird es wärmer – wenn auch nur ein kleines bisschen.

    "Aber weil alles mikroskopisch ist, sind das riesige Kräfte. Man muss sich vorstellen: Wir erzeugen auf ein paar Mikrometern eine Temperaturerhöhung von zwei Grad. Wenn man das hochrechnet, wären das zwei Millionen Grad pro Meter. Das ist viel mehr als der Unterschied zwischen der Sonnenoberfläche und hier."

    Die lokale Erwärmung bewirkt, dass die Eiweißmoleküle zu wandern beginnen. Wenn sie das potenzielle Medikament im Schlepptau haben, sind sie langsamer. Genau wie ein Läufer, der durch einen schweren Rucksack behindert wird. Bei der Messung wird also verglichen: Wie schnell wandern die Moleküle weg vom Lichtpunkt – und werden sie langsamer, wenn man den Wirkstoff-Kandidaten zugibt? Um das erkennen zu können, haben die Forscher zuvor die Eiweiße mit einem Fluoreszenzfarbstoff markiert.

    "Da braucht man einen ganz sensitiven Detektor. Das sieht man mit bloßem Auge nicht. Und das muss man auch im Dunkeln machen, deswegen ist es ein schwarzer Kasten. Denn das Licht, das von den Molekülen ausgesandt wird, ist sehr schwach."

    Und doch lässt sich mit dieser Methode zweifelsfrei feststellen, ob die zugefügte Substanz an das krank machende Eiweiß bindet. Was aber noch nicht bedeutet, dass sie wirklich als Medikament taugt. Das zeigt sich erst in einer späteren klinischen Testphase - daran ändert auch das neue Verfahren nichts, sagt Philipp Baaske.

    "Diese klinische Phase dauert teilweise zehn Jahre und kostet sehr viel Geld. Teilweise scheitert sie daran, weil man die Wirkstoffe nicht in Blut testet, wo sie wirken müssen, sondern an Goldoberflächen. Und da kann man keine Aussage darüber machen, ob es im menschlichen Körper auch im Blutkreislauf wirken wird. Wir sind ein Stück näher dran und können vor der klinischen Phase bessere Aussagen darüber machen, ob es sich überhaupt lohnt, mit diesem Medikament-Kandidaten in die klinische Phase zu gehen."

    Die ersten "Monolith" genannten Messgeräte sind im Einsatz, in Uni-Forschungslabors und in der Pharmaindustrie. Noch sind es handgefertigte Einzelstücke aus der Münchner Kellerwerkstatt. Doch schon bald will das Unternehmen in Serie