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Liberale hoffen auf Trendwende durch Schleswig-Holstein-Wahl

Unerschütterlich: Trotz des Wahldesasters im Saarland glaubt der FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki fest an einen Einzug seiner Partei in den Kieler Landtag. Er gilt als einer der letzten Hoffnungsträger der Liberalen.

Von Dietrich Mohaupt | 19.04.2012
    Wahlkampf in Schleswig-Holstein – seit Wochen schon ist der FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki auf Tour durch das Land. Keine Fußgängerzone, kein Marktplatz ist derzeit vor ihm sicher. Leicht hat er es dabei nicht. Erst der Absturz seiner Parteifreunde im Saarland – und jetzt die scheinbar endlose Zitterpartie im eigenen Wahlkampf. Zwar scheint zum ersten Mal seit Monaten der Einzug in den Landtag wieder möglich – mit genau fünf Prozent, so die heute veröffentlichte Prognose von Infratest dimap im Auftrag des NDR. Trotzdem – es bleibt verdammt knapp. Einen Wolfgang Kubicki kann das aber nicht erschüttern. Unverdrossen erklärt er seinen Zuhörern: Die Zahlen sind nur Schall und Rauch.

    "Dankenswerterweise entscheiden ja nicht Meinungsumfragen, wie Parlamente zusammengesetzt werden, sondern die Wählerinnen und Wähler am Wahltag. Und deshalb, liebe Freunde, kann ich mit stolzgeschwellter Brust als Schleswig-Holsteiner sagen: Wahlkampf können wir … und es werden sich noch einige wundern darüber, was das am 6. Mai abends auch wirklich bedeutet.""

    Seine FDP wird wieder in den Landtag einziehen – mehr noch, es wird sogar für eine Regierungsbeteiligung reichen, glaubt Kubicki felsenfest. Und dann werde er, nach langem Zögern, noch einmal richtig angreifen, verkündete der 60-Jährige der begeisterten Parteibasis beim Landesparteitag im März:

    ""Ich gebe meine Bescheidenheit, bisher nicht in ein Kabinett einzutreten auf … und sage von dieser Stelle ausdrücklich: Wenn es denn die Wählerinnen und Wähler wollen, werde ich mich darum bemühen, Finanzminister dieses Landes zu werden."

    Kubicki, einer der letzte Hoffnungsträger der Liberalen. "Er muss mal kurz die Welt retten" – so hatte eine Tageszeitung in Schleswig-Holstein Anfang des Monats getitelt. Darin scheint Wolfgang Kubicki derzeit tatsächlich seine wahre Bestimmung zu sehen – vielleicht nicht gerade die Welt, aber doch zumindest die FDP. Dafür setzt er alles auf den eigenen Erfolg am 6. Mai – und auf Christian Lindner, der als Spitzenkandidat für die FDP eine Woche später in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geht. Christian Lindner – das ist für Wolfgang Kubicki ganz klar der kommende starke Mann bei den Liberalen.

    "Die FDP darf sich nicht reduzieren und fokussieren lassen auf eine reine Wirtschaftspartei, darf nicht nur ausschließlich mit Steuersenkungen in Verbindung gebracht werden, sondern sie muss einen ganz klaren ordnungspolitischen Kurs haben aber deutlich machen, dass niemand in der Gesellschaft zurückgelassen werden darf. Und Christian Lindner ist einer, der versucht hat, dies deutlich zu machen, und ich bin sicher, dass er als Spitzenkandidat auch ein gutes Ergebnis einfahren wird – und dann wird man anschließend von Christian Lindner auf Bundesebene mit Sicherheit mehr hören als gegenwärtig."

    Das klingt fast wie eine Drohung in Richtung des Bundesvorsitzenden. Und es passt zu den vielen Spitzen, die Kubicki in den vergangenen Wochen schon auf Philip Rösler losgelassen hat. Philip Rösler selbst reagiert darauf eher gelassen. In Norderstedt bei Hamburg besucht er im Wahlkampf ein SOS-Kinderdorf, die FDP-Kandidatin des Wahlkreises hat ihn eingeladen. Nur kurz geht er auf die Attacken ein – so etwas könne er locker wegstecken, versichert er.

    "Also – zunächst einmal gehört es immer zur Stellenausschreibung eines Bundesvorsitzenden mit dazu, dass man kritisiert wird, und zwar von allen in der Partei aber auch außerhalb. Das weiß ich, das kann man auch ganz gelassen sehen. Wolfgang Kubicki ist ein hervorragender Wahlkämpfer, er sagt, was er denkt – aber er denkt immer wenn er etwas sagt, und das gibt einem auch als Parteivorsitzender eine gute Gewissheit, dass das hier sehr erfolgreich sein wird in Schleswig-Holstein."

    Und dann gilt sein Interesse auch schon wieder den Kindern. Wahlkampf in Schleswig-Holstein steht für ihn erst wieder am 3. Mai auf dem Programm, bei der großen Abschlussveranstaltung der FDP in Kiel. Bis dahin – so scheint es – heißt die Devise: Angriffe ignorieren und bloß nicht weiter Öl ins Feuer gießen. Der Druck im Kessel ist schon hoch genug, Explosion nicht ausgeschlossen. Die Stimmung an der Basis ist entsprechend – eher mittelprächtig. An den FDP-Wahlkampfständen in Schleswig-Holstein wird fleißig diskutiert und orakelt. Knapp 15 Prozent bei der Landtagswahl im Oktober 2009, und jetzt… wird es diesmal wirklich reichen für den Einzug in den Landtag?

    "Ich weiß es nicht … ich denke ja."

    "Ich bin ein Liberaler, ich denke wir schaffen das."

    "Ich war früher selber mal FDP-Mitglied und ich glaube, dass sie das nicht schaffen werden, die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen."

    "Wenn wir die nächsten beiden Wahlen nicht gewinnen oder nicht reinkommen über die Fünf-Prozent-Hürde, dann ist die FDP in echter Gefahr, und dann ist das ein sehr langer Weg, um da wieder rauszukommen."

    Immerhin – das haben inzwischen wohl alle erkannt. Und so kommt es denn auch, dass sogar Guido Westerwelle für die Parteifreunde im Norden wieder in den Ring steigt. Dabei war der Bundesaußenminister in seiner Zeit als Parteivorsitzender selbst noch unter schweren Beschuss von Kubicki geraten: Völlig abgehoben von dem was in der FDP passiere seien diejenigen, die in Berlin in der Regierungsverantwortung sitzen – so hatte Kubicki noch vor gut einem Jahr gepoltert. Alles Schnee von gestern – beim offiziellen Wahlkampfauftakt Mitte März heizte Westerwelle den vom Dauertief in den Umfragen so arg gebeutelten FDP-Anhängern ganz gehörig ein. Sein Motto in der Stadthalle von Neumünster: Von Schleswig-Holstein lernen heißt siegen lernen.

    "Auch wenn es der FDP insgesamt nicht so gut gegangen ist – vor 30 Jahre, vor 20 Jahren, vor zehn Jahren und auch jetzt – die FDP in Schleswig-Holstein hat stets die Wende geschafft für die liberale Sache. Weil die Liberalen in Schleswig-Holstein wissen: Man steht gegen den Wind, und man lässt sich nicht umwerfen vom Wind – es mag der Zeitgeist Gegenwind sein, aber wir wissen, wofür wir kämpfen."

    In gut zwei Wochen wird sich zeigen, ob der Zeitgeist nicht doch stärker war, als die Liberalen in Schleswig-Holstein – und damit das erhoffte Signal für eine Trendwende bei der FDP ausbleibt.