Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Libyen
Hoffnung auf ein Libyen ohne Terror

Er ist Botschafter eines zerfallenden Staates: Ibrahim Omar Dabbashi vertritt Libyen bei den Vereinten Nationen in New York, während sein Land im Chaos des Bürgerkriegs zu versinken droht. Für Dabbashi kann es nur eine Lösung geben - eine Einheitsregierung.

Von Georg Schwarte | 11.06.2015
    Ibrahim Omar Dabbashi vertritt Libyen bei den Vereinten Nationen in New York
    Libyens UN-Botschafter Ibrahim Omar Dabbashi (picture alliance / dpa / Jason Szenes)
    Ibrahim Omar Dabbashi, der UN-Botschafter Libyens, hat schon so einiges erlebt. 2011 war er es, der sich - damals schon in gleicher Funktion wie heute - unter dramatischen Umständen von Diktator al-Gaddafi lossagte.
    Jetzt sitzt er in seinem New Yorker Büro und sagt, sein Land stehe wieder vor dem Abgrund: In Libyen, zählt er auf, gebe es alle Arten von Milizen. Es gebe Al Kaida, die Kämpfer des Islamischen Staates, Verbrecher, Gesetzlose ...
    Wird es also in Libyen, wo derzeit eine international anerkannte und eine islamistische Regierung um die Macht streiten, eine vom Westen und den Vereinten Nationen geforderte Einheitsregierung geben?
    Der Botschafter, der schon so viel erlebt hat, lacht da sein Diplomatenlachen: "Wissen Sie, auf meinem Posten kann Ihnen alles passieren."
    "Wir brauchen endlich Frieden"
    Dann aber wird Dabbashi sehr schnell sehr ernst: "Wir brauchen eine Einheitsregierung, das Ende des Blutvergießens, ich spreche hier für alle einfachen Libyer. Wir brauchen endlich Frieden."
    Libyen jedenfalls droht zu zerfallen. IS-Terroristen erobern die Küstenstadt Sirte. Al Kaida erklärt dem IS in Libyen den Krieg. In Tripolis herrschen Milizen, in Tobruk sitzt die vom Westen anerkannte, aber machtlose Regierung, für die auch der UN-Botschafter spricht. Und mittendrin die Europäische Union, die jetzt militärisch gegen Schleuserbanden vor Libyens Küste vorgehen will, die Flüchtlinge übers Mittelmeer nach Europa schaffen. Dafür aber braucht die EU ein robustes UN-Mandat. Libyens Botschafter Dabbashi aber hat auch hier für die EU schlechte Nachrichten.
    Hiobsbotschaften für die EU
    Militärische Gewalt sei nicht die Art, ein Flüchtlingsproblem zu lösen, sagt er. Eine solche Resolution des Sicherheitsrats werde es sicher nicht geben. Und schon gar nicht unter Kapitel sieben, betont Dabbashi. Keine Resolution also. Im Gegenteil.
    Und Dabbahsi hat weitere Hiobsbotschaften für die EU. Es würden noch viel mehr Flüchtlinge über das Mittelmeer kommen, prophezeit er, weil die EU ja offen sage, sie schicke keinen einzigen Flüchtling sofort wieder zurück. "Jetzt denken die Flüchtlinge, die es bis nach Libyen oder aufs Mittelmeer geschafft haben, dass sie in Europa bleiben dürfen. Jetzt ist es kein Wagnis mehr, sondern eine reguläre Reise."
    Dass Tausende bei dieser vermeintlich "regulären Reise" ertrinken, sagt Dabbashi vorsichtshalber nicht. Alle in Libyen aber wüssten, wo die Schleuserbanden sitzen, von wo ihre Boote starteten, alle würden die Schleuser kennen. Seine These: Sollte es demnächst mit internationaler Hilfe eine einzige, legitime Regierung geben, würde der Strom der Flüchtlinge enden: "Wenn die Regierung ihre Arbeit machen kann, ohne Milizen wie jetzt, dann stoppen wir in zwei Monaten den Flüchtlingsstrom", sagt der UN-Botschafter in New York, der derzeit für eine Regierung ohne Macht hier in der Weltgemeinschaft die libysche Fahne hochhält - und die kleine Hoffnung auf ein Libyen ohne Terror.