Freitag, 29. März 2024

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Libyen-Konferenz in Berlin
"Ein bedeutender Erfolg deutscher Außenpolitik"

Dass es in Berlin zu einer Konferenz mit den Konfliktparteien im Bürgerkrieg in Libyen komme, sei an sich schon ein Erfolg, sagte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen (CDU) im Dlf. "Das hat es in diesem Konflikt noch nicht gegeben", sagte Röttgen, "die, die da sind, haben es in der Hand".

Norbert Röttgen im Gespräch mit Stephanie Rohde | 18.01.2020
Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender der Auswärtigen Ausschusses des Bundestags
Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender der Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestags (Imago / Jürgen Heinrich)
Deutschland sei im Libyen-Konflikt ein "ehrlicher Makler", weil es dort keine eigenen Interessen verfolge, sagte Norbert Röttgen (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestags, im Dlf. Frankreich und Italien etwa hätten in Libyen sehr handfeste Interessen und unterstützten deshalb unterschiedliche Konfliktgruppen. Mit Krieg verändere man zwar Machtverhältnisse, schaffe aber keine Lösungen, betönte Röttgen. Eine gemeinsame Erklärung am Ende der Konferenz wäre schon ein Erfolg, auf dem man dann aufbauen könne.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Vertreter von mehr als zehn Ländern für Sonntag nach Berlin zu Beratungen über die Lage in Libyen eingeladen. Einem internen UNO-Papier zufolge soll eine dauerhafte Feuerpause erreicht werden.

Das Interview in voller Länge:
Stephanie Rohde: Putin konnte seinen Verbündeten Haftar in dieser Woche nicht von einer Waffenruhe überzeugen. Warum sollte das jetzt Heiko Maas gelingen?
Norbert Röttgen: Es scheint ihm gelungen zu sein, denn der deutsche Bundesaußenminister hat sich ja stundenlang in Bengasi in Libyen mit Haftar getroffen und hat als Nachricht und Ergebnis dieses Gesprächs mitgeteilt, dass Haftar sich auch für eine Waffenruhe bekannt hat.
Rohde: Das hat er in Moskau auch gemacht und ist dann einfach nicht zur Unterzeichnung gekommen. Was spricht dafür, dass er das jetzt nicht macht?
Röttgen: Nein, er hat es in Moskau nicht gemacht, er hat in Moskau die Unterzeichnung verweigert, ist wieder abgereist, und es hat im Verhältnis zur Abreisehaft in Moskau in dem Gespräch mit Maas in Bengasi einen Fortschritt in der Zusage von Haftar zu einer Waffenruhe, zu einem Waffenstillstand gegeben. Damit heißt es nicht, dass das jetzt nun immer bleibt. Es hat jetzt schon Fortschritte gegeben. Es ist mehr oder weniger diese Waffenruhe eingehalten. Also es gibt auch am Boden schon gewisse Fortschritte. Ich will überhaupt keinen Überoptimismus hier oder auch nur Optimismus hier anklingen lassen, aber die realistischen kleinen Fortschritte darf man dann auch sehen.
"Das hat es in diesem Konflikt noch nicht gegeben"
Rohde: Und wie sieht es aus mit dem Plan eines Waffenembargos? Es ist ja gerade so, es gibt ein Waffenembargo, trotzdem liefern Staaten weiterhin Waffen. Wie kann Angela Merkel denn jetzt konkret die Türkei oder Russland davon überzeugen, dass sie das nicht mehr tun?
Die zerfetzte libysche Flagge, befestigt an einem LKW.
Heinrich (SPD) - "Es handelt sich schon jetzt um einen Stellvertreterkrieg"
Die SPD-Außenpolitikerin Gabriela Heinrich begrüßte die Bemühungen von Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdoğan, einen Stellvertreterkrieg in Libyen zu verhindern.
Röttgen: Also meine wirkliche Überzeugung ist, man kann es nur so tun, wie es zurzeit stattfindet und wie es unter deutscher Führung jetzt erreicht worden ist, nämlich der Erfolg, dass alle zusammenkommen. Das hat es in diesem Konflikt wie auch übrigens in anderen noch nicht gegeben, dass die Kriegsparteien in einer Stadt, in einem Raum und vielleicht an einem Tisch sitzen, dass Erdogan und Sisi, die unterschiedliche, auch ideologische und politische Interessen, machtpolitische Interessen verfolgen, an einem Tisch sitzen und dann auch sich öffentlich bekennen zu gemeinsamen Zielen. Ich glaube nur so, schrittweise, kann man vorgehen. Dass dieser erste Schritt gelungen ist, ist für sich schon ein Erfolg, nicht endgültig, aber doch der notwendige, wichtige erste Erfolg.
Rohde: Aber ist das tatsächlich schon ein Erfolg, weil zum Beispiel die Tunesier, die sitzen nicht mit am Tisch, beschweren sich darüber, weil die hunderttausende Flüchtlinge aufgenommen haben. Warum sind die nicht mit dabei?
Röttgen: Das war jedenfalls in der letzten Woche … Also weil man die Zahl derjenigen, die am Tisch sitzt, auch begrenzen wollte, auch in der Vorbereitung des Treffens, dann auch in der Konferenz. Wir haben uns da als Regierung auch nicht gegen gesperrt, einen Konsens dafür finden. Es gibt immer eine gewisse Unzufriedenheit. Die Griechen haben auch gesagt, eigentlich wären wir auch richtig am Tisch gewesen, aber irgendwie muss man die Zahl solcher Teilnehmer dann auch begrenzen. Die, die da sind und die Tatsache, dass so viele kontroverse und auf unterschiedlichen Seiten auch militärisch Aktive da sind, das bleibt der Erfolg.
"Die, die da sind, haben es in der Hand"
Rohde: Aber kann man eine Lösung finden, wenn nicht alle dabei sind am Ende?
Röttgen: Die Frage ist, wer sind alle. Ich glaube, man kann sagen, die Wichtigsten und die Wichtigen für diesen Konflikt und dafür, dass die militärische Unterstützung eingestellt wird, dass es zu einem Rahmen kommt, in dem dann innerlibysch etwas vorangehen kann, die sind da. Die, die da sind, haben es in der Hand, Fortschritte, Waffenruhe und innerlibysche Aussöhnung herbeizuführen. So viel kann man sagen.
Rohde: Und was würden Sie sagen ist Angela Merkel bereit, jetzt wegen Libyen tatsächlich auch Spannungen mit der Türkei oder Ägypten einzugehen, sich darauf einzulassen, dass man mit denen Streit bekommt deshalb?
Röttgen: Es wurde eben in dem Bericht, glaube ich, richtig gesagt, dass dieser Erfolg erreicht werden konnte, weil Deutschland ein ehrlicher Makler ist und auch so wahrgenommen wird. Wir haben erstens keine koloniale Vergangenheit, wir verfolgen keine eigenen Interessen.
Rohde: Keine koloniale Vergangenheit, meinen Sie, in dem Land selber.
Trümmerteile, Kleidungsstücke und Blutlachen liegen nach einem Luftangriff in einer Militärakademie in der libyschen Hauptstadt Tripolis.
Lacher (SWP) - "Europäer sind nicht bereit, Druck auf Haftars Unterstützer auszuüben"
Russland und der Türkei gehe es in Libyen vermutlich nicht um einen Waffenstillstand, sondern darum die Libyen-Initiative Berlins zu untergraben, sagte Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Röttgen: Ja, genau, natürlich, in dem Land. Wir haben ein großes Vertrauenskapital. Ich glaube, es gibt keinen Mangel an Spannungen, und ich wüsste auch nicht, welche Einheit dann wiederum bedeutend genug wäre, um durch Erzeugung von Spannung zur Lösung zu kommen, sondern ich glaube, wir brauchen Entspannung, und da ist es bemerkenswert, dass Deutschland diesen Beitrag leisten kann. Ich finde, wir sollten jetzt, wenn das ein gewisser Erfolg wird, man kommt zu einer gemeinsamen Abschlusserklärung, es gibt öffentliche Bekundungen, dann ist das etwas, worauf man weiter aufbauen kann. Ich würde genau den Prozess so fortführen.
"Das mit dem Überzeugen ist nicht so einfach"
Rohde: War es eigentlich ein Fehler, dass Angela Merkel nicht früher die Franzosen schon auf Linie gebracht hat, dass die EU mit einheitlicher Stimme sprechen kann und überzeugend ist?
Röttgen: Nein, ich finde, es ist … Also man kann sagen, es gibt schon viel zu viel Leid, viel zu lange Krieg, Haftar ist schon zu weit vorgerückt. Natürlich kann man das immer sagen, aber …
Rohde: Und Deutschland hat dabei zugeschaut, und die Europäer haben keine einheitliche Linie gefunden, weil Frankreich und Italien da unterschiedliche Kriegsparteien unterstützen.
Röttgen: Gut, aber wir haben uns vor einiger Zeit praktisch erst mal als einzige diese Zuschauerrolle oder die des einseitig Engagierten verlassen und haben das zustande gebracht. Also ich würde jetzt mal sagen, ausnahmsweise, würde ich mal sagen, ist jetzt hier nicht so viel Kritik fällig, sondern es ist ein bedeutender – wir sind ja immer sehr bescheiden, uns selber etwas Positives zu sagen –, es ist ein bedeutender Erfolg deutscher Außenpolitik und das Vertrauen, das unser Land insgesamt hat, und das mit dem Überzeugen ist nicht so einfach. Frankreich hat sehr handfeste Interessen in seiner Parteinahme zugunsten der einen Seite, und Italien war auf der anderen Seite engagiert. Die warten dann nicht darauf, dass sozusagen, wenn Deutschland kommt, sie ihre Politik grundlegend verändern. So einfach ist es eben nicht.
"Den Prozess angehalten, dass Libyen zu einem zweiten Syrien wird"
Rohde: Aber wie viel Gewicht hat Europa eigentlich? Also wenn man sich anschaut, Russland und die Türkei, die haben sich innerhalb von wenigen Wochen als wichtige Mächte in Libyen etabliert, weil sie russische Söldner und türkische Soldaten geschickt haben. Das erzeugt doch den Eindruck, in Libyen schafft man militärisch Fakten, und dann hat man was zu sagen, anders nicht.
Röttgen: Und anders nicht ist falsch, aber was leider richtig ist, ist, dass durch militärischen Einsatz, dadurch, dass man Truppen schickt, dass man Waffen schickt, militärische Konflikte auslöst, Krieg führt, natürlich auch machtpolitisch sich etwas verändert und man Machtfaktor wird. Das ist das ganze Kapitel zum Beispiel etwa der russischen Politik im Mittleren Osten Dadurch, dass Russland in Syrien Krieg führt, ist Russland ein Machtfaktor geworden. Da er sich mit Iran verbündet, mit Assad verbündet und so weiter, ist es ein Machtfaktor geworden. Ja, das stimmt.
Rohde: Und muss man aus Syrien nicht gerade lernen, dass man vielleicht militärisch sich engagieren muss, dass Europa Soldaten schicken muss?
Röttgen: Aus Syrien muss man lernen, dass wenn erst mal ein Konflikt total komplett durch innerstaatliche Konflikte geprägt ist und dann Stellvertreterkriege von außen geführt wird, ein solcher Konflikt dann total militärisch wird, dass in einer solchen Situation eine politische Lösung kaum noch möglich ist. Hier sind wir davor, und auch durch unseren Einsatz ist es gelungen, dass wir den Prozess, dass Libyen zu einem zweiten Syrien wird, jetzt erst mal angehalten haben. Es ist noch nicht alles abgewendet, aber dieser Prozess ist gerade angehalten.
"Eine militärische Lösung gibt es nicht"
Rohde: Der EU-Außenbeauftrage Josep Borrell, der sagt, wir müssen darüber nachdenken, dass es auch eine militärische Lösung geben könnte. Gehen Sie da mit?
Röttgen: Also eine militärische Lösung gibt es nicht. Ich habe ja eben beschrieben, dass leider durch Kriegführung Fakten geschaffen werden, Macht begründet werden, aber Lösungen im Sinne dessen, dass Länder stabil werden und so weiter, die gibt es nicht. Kriegseinsatz verändert Machtverhältnisse, aber erzeugt keine Lösungen. Was er meinte, ist, wenn man politisch weitergekommen ist, wenn es eine innerlibysche Verständigung geben sollte, dann kann es sein, dass die auch der militärischen Absicherung bedarf, damit nicht von außen wieder Störeinflüsse kommen. Das kann sich im weiteren Prozess ergeben. Der Prozess ist ja UN-geführt, sodass es dann auch eine Mandatsgrundlage gäbe. Das ist eine denkbare Entwicklung, die sogar dann eine positive Entwicklung ist, weil sie eine innerlibysche Verständigung voraussetzt.
Rohde: Also Deutschland soll im Fall der Fälle Blauhelme schicken.
Röttgen: Ich glaube, das ist heute zu früh zu sagen. Was Deutschland möchte, ist, dass durch das politisch-diplomatische Engagement Einstellungen von militärischer Unterstützung ein innerlibyscher Prozess überhaupt erst mal beginnt. Die Parteien, wir haben noch nicht zusammengesessen. Das ist Krieg, der dort bislang geführt wurde und noch nicht beendet ist. Das ist, glaube ich, wirklich jetzt noch zu früh, darüber zu sprechen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.