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Lieber Global statt kontinental

Europäische Firmen fürchten um ihre weltweite Weltbewerbsfähigkeit, sollte die EU die geplanten strikten Klimaschutzziele festschreiben. Besonders groß sind die Bedenken in Ländern mit sehr energieintensiven Industrien, darunter Finnland. Stefan Tschirpke berichtet.

08.03.2007
    Helsinki, Eteläranta 10: Sitz des Elinkeinoelämän Keskusliitto, des Zentralverbands der Arbeitgeber in Finnland, Sprachrohr von rund 16.000 Firmen, vor allem Unternehmen der Telekommunikation-, Papier- und Metallbranche. Riita Larnimaa, leitende Expertin des Verbandes für Umweltfragen, blättert in der druckfrischen Stellungnahme zur Klimapolitik. "Unsere Firmen nehmen den Klimawandel sehr ernst und unterstützen unverzügliche globale Vereinbarungen zu seiner Zügelung”, sagt Larnimaa. Das Wort "global” ist ihr besonders wichtig.

    ""In Finnland spielt neben Hochtechnologiefirmen die energieintensive Industrie eine wichtige Rolle. Unsere Papierfabriken und Metallfirmen sind globale Akteure. Rund 50 Prozent des Papiers und 60 Prozent des Stahls werden in Ländern produziert, die keinen CO2-Emissionsverpflichtungen unterliegen. Deshalb brauchen wir globale Vereinbarungen.”"

    Die aktuellen Pläne der EU, die C02-Emissionen um 20 Prozent bis zum Jahre 2020 innerhalb der Union zu senken, stößt daher auf Widerstand. Man dürfe sich nicht einseitig verpflichten, sondern es müssten alle aus Sicht des CO2-Ausstoßes wichtigen Länder einbezogen werden, heißt es im Zentralverband.

    ""Wenn sich die EU einseitig Emissionsziele stellt, dann besteht das Risiko, dass Stahlwerke und Papierfabriken in Europa ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der außereuropäischen Konkurrenz einbüßen. Einseitige Verpflichtungen sind der falsche Weg, denn es gibt keine Garantien, dass andere Länder mitziehen.”"

    Die finnische Regierung hatte für die Einwände der Industrie ein offenes Ohr. Beim letzten Treffen der Umweltminister in Brüssel leistete Finnland zunächst Widerstand gegen die Emissionsverpflichtungen. Sie stimmten erst zu, als zugesichert wurde, dass in Verhandlungen über die Lastenverteilung die Besonderheiten der finnischen Industriestruktur berücksichtigt werden.

    Professor Peter Lund von der Technischen Universität Helsinki sieht zur Vorreiterrolle der EU beim Klimaschutz keine Alternative. Lund ist ein führender Experte für erneuerbare Energieträger und stellvertretender Vorsitzender des WWF Finnland:

    ""Das wäre eine ideale Lösung, ein weltweiter Vertrag. Aber Europa muss den ersten Schritt machen. Die Entwicklungsländer könnten fragen: Wenn die entwickelten Länder nichts machen, warum sollen wir als arme Länder den ersten Schritt unternehmen? Es ist sehr wichtig, dass Europa den Weg zeigt.”"

    Sorgen bereitet der finnischen Industrie auch, auf welchen Wegen die EU ihre ehrgeizigen Emissionsziele erreichen will. EU-Ratspräsident Deutschland und die Kommission wollen eine deutliche Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energieträger an der Primärenergieproduktion, auf 20 Prozent bis zum Jahr 2020. Eigentlich könnte sich Finnland gelassen zurücklehnen. Der Anteil erneuerbarer Energieträger liegt in Finnland bereits bei 25 Prozent - ein Spitzenniveau in der EU. Über dieses Niveau hinausgehende Steigerungen könnten allerdings weitere Probleme verursachen. Larnimaa begründet:

    ""Eine herausragende Rolle spielen Holzabfälle, die in der chemischen Papierindustrie zur Energiegewinnung genutzt werden. Eine weitere Anhebung der holzbasierten Biobrennstoffe würde jedoch bedeuten, dass nicht nur Holzabfälle, sondern auch reines Rundholz verbrannt werden müsste. Holzverbrennungsanlagen würden mit Papierfabriken und Sägewerken um den gleichen Rohstoff konkurrieren.”"

    In diesem Punkt stimmt Peter Lund der Industrie zu. Zugleich macht er darauf aufmerksam, dass Finnland bei anderen erneuerbaren Energieträgern seine Möglichkeiten bei weitem nicht ausgeschöpft hat. Als Beispiel führt der Wissenschaftler und Klimaschützer die Windenergie an. Sie macht derzeit nur 0,1 Prozent der Stromerzeugung aus.

    ""Ich glaube, die Ursache ist, dass in Finnland die Energie- und Klimapolitik sehr viel von unserer Industrie und Schwerindustrie dirigiert wird. Wir haben die besten Verhältnisse für Windenergie in Finnland: Westküste, 1000 Kilometer. Alle Berechnungen zeigen, wir könnten gut sogar 20 Prozent von unserer Elektrizität mit Wind erzeugen. Das ist nicht unmöglich zu schaffen. Aber dazu braucht man politischen Willen.”"