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Lieber Mitglied als Nachbar

Letztes Jahr im Mai hat die EU in Prag eine tiefere Zusammenarbeit mit sechs Staaten der ehemaligen Sowjetunion vereinbart. Mitglieder dieser sogenannte Östlichen Partnerschaft sind die Ukraine, Weißrussland, Georgien, Armenien, Aserbaidschan und auch Moldau. Heute stellt die EU-Komission in Brüssel ihren Partnerschaftsbericht vor.

Von Doris Simon | 12.05.2010
    Es gibt einen Moment, den fürchtet der moldauische Diplomat: Wenn seine Brüsseler Gesprächspartner ihn fragen, aber was hat denn Moldau der EU zu bieten? Genau das ist das Hauptproblem des kleinen Landes zwischen Rumänien, der Ukraine und Russland: Moldau ist arm, besitzt kein Öl oder andere Bodenschätze, hat keine strategische Bedeutung, dafür aber einen veritablen vergessenen Konflikt. Seit 20 Jahren führt das abtrünnige Transnistrien im Osten Moldaus ein gefährliches Schmuggler- und Waffenschieber-Eigenleben.

    Weltweites Aufsehen brachten dem Land erst die blutigen Unruhen nach den gefälschten Wahlen im letzten Jahr. Seither hat sich vieles geändert. Die neue Vierparteienregierung orientiert sich anders als die kommunistischen Vorgänger klar in Richtung EU. Igor Corman ist der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des moldauischen Parlamentes.

    Die neue moldauische Regierung hat längst überfällige Reformen und schmerzhafte Sparmaßnahmen in Angriff genommen, trotz anhaltender Staatskrise und gespaltenem Parlament. Angst vor Unpopularität sei kein guter Ratgeber, findet Premierminister Vlad Filat.

    "Die Mehrheit der Menschen in unserem Land versteht durchaus die Bedeutung der Reformen, die wir bis jetzt in die Wege geleitet haben."

    In Brüssel erkennt man die Anstrengungen der moldauischen Regierung. So lobte der zuständige EU-Kommissar Stefan Füle zuletzt die Bemühungen bei Wirtschafts- und Verwaltungsreformen, im Kampf gegen Korruption und für die Unabhängigkeit der Justiz. Moldau ist inzwischen einer der Hauptempfänger der Europäischen Nachbarschaftspolitik, mit 273 Millionen über die nächsten drei Jahre. Seit dem Januar laufen Verhandlungen über ein EU-Assoziierungsabkommen mit Moldau. Das Land soll an die Europäische Union gebunden werden, aber nicht mehr. Ein EU-Beitritt, von dem viele Moldauer träumen, ist ganz klar nicht das Ziel Europäischer Nachbarschaftspolitik. Deshalb setzt die moldauische Regierung nun auf das erreichbare und populäre Ziel Visa-Freiheit. Premierminister Vlad Filat:

    "Der Visa-Dialog ist von vitaler Bedeutung für Moldau. Wir hoffen, dass wir beim nächsten Treffen mit der EU im Juni mit den offiziellen Verhandlungen beginnen können."

    Bisher gibt es in Moldau nur zwei Wege für Reisen in die EU: teure Visa oder einen rumänischen Pass. Die Verbindungen ins Nachbarland sind traditionell eng und man spricht dieselbe Sprache. Doch für die moldauische Regierung ist beides keine Option. Verständlich fand das zuletzt ein hoher Beamter der EU-Kommission:

    "Es ist frustrierend für sie, zu Recht, finde ich persönlich, dass die Menschen in Moldau sich nicht frei in der EU bewegen können. Aber das ist für unsere Mitgliedsstaaten ein sensibles Thema, und wir müssen sicherstellen, dass wir gemeinsam nach und nach die nötigen Voraussetzungen schaffen, damit wir uns langsam, aber sicher in Richtung Visa-Freiheit bewegen."

    Moldau erfüllt bereits einige Vorbedingungen für die Visa-Liberalisierung, doch die ungeschützte Ostgrenze des Landes bleibt ein großes Problem. Auf diesen 450 Kilometern kontrollieren keine moldauischen Grenzer, dort haben 1000 russische Soldaten und die von niemandem anerkannten Führer der selbst ernannten Dnjestr-Republik das Sagen. Zugleich will Moldau an der internen Grenze nichts einrichten, was nach einer Anerkennung der Teilung aussieht. Schmuggel und illegale Grenzübertritte sind deshalb die Regel.

    Inzwischen gibt es eine EU-Mission an der Grenze und den Vorschlag, die Moldauer könnten durch zunehmende Zoll- und Polizeikontrollen auf ihrer Seite für geordnete Zustände sorgen, ohne die Grenze damit offiziell anzuerkennen. Gibt es für moldauische Bürger keinen Visumszwang mehr für Reisen in die EU, dann könnte dies auch zur Lösung des Transnistrien-Problems beitragen. Wenn immer mehr Bürger aus dem abtrünnigen Landesteil moldauische Pässe beantragen, um frei reisen zu können, und sich darüber wieder mit einem Leben in der Republik Moldau anfreundeten.