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Liedermacherin Sarah Lesch
Dem Terror trotzt nur Liebe

Chanson, Punk und Theatermusik - für die Liedermacherin Sarah Lesch sind das keine Gegensätze. Mit ihren gesellschaftskritischen Texten ist sie im vergangenen Jahr zu einer streitbaren Songpoetin geworden. Ihr Lied "Testament" erreichte Menschen aller politischen Couleur, auch wenn nicht alle ihre Maxime von Freiheit und Liebe teilen.

Am Mikrofon: Thekla Jahn | 17.03.2017
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    Sarah Lesch mit Gitarrist Bennie Benson auf dem Dresdner Theaterkahn. (Carsten Nüssler)
    Sarah Lesch hat in kurzer Zeit gleich eine ganze Reihe von Auszeichnungen erhalten: den ersten Preis beim Troubadour Chanson & Liedwettbewerb 2015 und ebenfalls den ersten Preis beim Protestsongcontest 2016 in Wien. Im selben Jahr belegte sie den zweiten Platz des Udo-Lindenberg-Hermann-Hesse Panikpreises, dazu bekam sie diverse Förderpreise für Songpoeten und Kleinkünstler.
    "Ich habe mein Leben lang immer bei solchen Preissachen mitgemacht - eigentlich habe ich es nie gerne gemacht, weil ich habe immer verloren - Auf einmal war das aber so, plötzlich kamen ganz viel Preise und ich dachte: Huch, was ist denn jetzt los. Also was man so richtig dafür machen muss, weiß ich gar nicht, vielleicht muss es einem einfach egal sein, damit es dann funktioniert."
    Sarah Lesch ist eine ungewöhnliche, zierliche Frau mit blonden, langen Dreadlocks, Tattoos und ein Lippen-Piercing, von dem sie selbst meint, dass es überhaupt nicht störe beim Singen.
    Lange hat die Liedermacherin, die bis Anfang zwanzig in Bad Friedrichshall und Tübingen lebte, die Singer/Songwriter-Szene nur beobachtet, bis sie irgendwann selbst die Gitarre in die Hand nahm und sich ausprobierte.
    "Bei mir zuhause ist es so, dass die Küche immer so der Lebensraum war, wo sich alle irgendwie aufhalten, und ich bin ja sehr früh Mama geworden, mit 18 schon, und da war ich viel zuhause während alle meine Freunde studieren gegangen sind oder ins Ausland, und da habe ich meine Sehnsucht abends in der Küche in Lieder verpackt, so ist das erst einmal entstanden."
    "Es hilft auch total, den Abwasch stehen zu lassen"
    Getraut hat sie sich anfangs nicht, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, doch vor fünf Jahren kündigte sie ihren Erzieherinnenberuf, zog nach Leipzig und macht seither nur noch Musik. 2012 brachte sie in Eigenregie ihr erstes Album heraus, das folgerichtig: "Lieder aus der schmutzigen Küche" hieß.
    "Also es hilft auch total den Abwasch stehen zu lassen und dann zu warten, solange bis man sich schlecht fühlt, und dann das Schlechtfühlen einfach umzuwandeln in einen Song, der total positiv ist zum Beispiel so: Lass Hocker, Tassen und Teller stehen…"
    Nach ihrem aktuellen, zweiten Album "Von Musen und Matrosen" soll im Sommer ihr drittes Werk erscheinen.
    "Das neue Album hat den Titel 'Da draußen'. Also es sind weniger Lieder aus meine Küche, mehr aus allen möglichen. Oder auch von der Autobahn. Es beschäftigt sich auch schon viel mit dem Geschehen der Zeit, das Thema Angst,und das eben viel, was sich in uns drin uns bewegt, sich auch draußen spiegelt."
    Sarah Lesch packt diese Themen in kluge Texte, die viel Empathie aber manchmal auch eine gehörige Portion Sarkasmus verraten.Von Liebe und Verlust, von den kleinen und großen Helden des Alltags, von Ausbeutung und Ignoranz handeln die Texte von Sarah Lesch, die sich das Schreiben zunächst gar nicht zutraute. Sie las viel, gerne Gedichte, aber selber texten? Das kam ihr erst während ihrer Ausbildung als Erzieherin in den Sinn.
    "Erst Ausbildung, dann Rock´n Roll machen"
    "Ich habe diese Ausbildung angefangen, weil ich immer schon gerne Kinder mochte und das war auch so ein bisschen, weil meine Mama sagte: Mach doch mal was mit Kindern, das kannst Du so gut. Und dann habe ich das lange gar nicht machen wollen, will man hat oft einen schlechten Betreuerschlüssel, viele Kinder und kann vieles nicht umsetzen. Und dass ich sie fertig gemacht habe, habe ich eigentlich nur gemacht, weil ich Musikerin werden wollte und weil ich dachte, ich muss da was Ordentliches zu Ende machen, das hat mein Opa mir nämlich gesagt: Erst Ausbildung fertig und dann los Rock´n Roll machen."
    Rock'n'Roll ist zwar nicht ganz ihr Genre geworden, aber ihr Konzertterminkalender ist derzeit voll. Mit Ukulele, Mundharmonika und Akustikgitarre war die Liedermacherin nach Dresden gekommen, begleitet von dem Augsburger Gitarristen Benni Benson, der zu ihren gezupften Harmoniefolgen mal akustische, mal elektrisch verzerrte Melodieläufe fand.
    Die Beschäftigung mit Kindern, die spiegelt sich nach wie vor in ihren Texten wider, in der Art, wie Sarah Lesch sich Themen nähert und sie in ihren Liedern umsetzt.
    "Ich glaube das allerwichtigste ist, dass man Kinder beobachtet und auch wirklich hinschaut und viel Zeit mit denen verbringt und nicht glaubt irgendwas besser zu wissen, sondern das mit denen zusammen einfach viele Dinge zu entdecken und dann die Bedürfnisse der Kinder erkennen und sie darin stärken auch ihre eigenen Bedürfnisse zu spüren und zu vertreten. Ich glaube, wer dann so erwachsen wird, der kann auch ganz gut sagen: Du, das will ich nicht oder Ja, okay."
    Filterblasen im Internet
    In diesem Sinn hat Sarah Lesch im vergangenen Jahr ein Stück geschrieben: "Testament", ein Stück, das sie ihrem mittlerweile dreizehnjährigen Sohn gewidmet hat und in dem sich auch eine gewisse Ähnlichkeit zu der Liedermacherin Bettina Wegener Bahn bricht. In den sozialen Netzwerken wurde der Song, der sich gegen Angepasst sein und Konsum richtet und gegen einen Staat, der Freigeister frisst, zu einem Klick-Hit. Und er wurde auch auf Seiten geteilt, die rechtspopulistisch oder offen rechtsextrem sind.
    "Ich war wütend und sehr traurig auch und habe halt gedacht, das ist schade, weil, ich möchte ja keinen Menschen ausschließen, aus dem, was ich da erzähle. Natürlich finde ich die Gemeinsamkeit schön, das sich da Leute angesprochen fühlen, aber wenn es natürlich für so etwas benutzt wird, ist es für mich schlimm und nicht, was ich wollte. Das ist ganz klar. Interessant finde ich, was ich daraus gelernt habe. Ich habe ganz viel in so einer Blase gelebt, wie ich habe natürlich auch auf meiner Internetplattform immer nur das gesehen, was ich like und habe daher gar nicht gewusst, dass es Bewegungen da draußen gibt, die mittlerweile gar nicht so leicht zu erkennen sind als rechts oder rassistisch, sondern dass sich das so fein gesponnen in der Gesellschaft mittlerweile bewegt, dass man gar nicht mehr richtig sagen kann: Ah, okay schwarz und weiß. Und das fand ich sehr, sehr spannend und habe mich viel damit beschäftigt."
    Aufnahme vom 3. 3.17 auf dem Theaterkahn Dresden
    Diese Sendung können Sie nach Ausstrahlung sechs Monate online nachhören.