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Liedpoet Georg Ringsgwandl
"Die Amerikaner brauchen von den Deutschen keine Ratschläge"

Die US-Bürger hätten zumindest keinen Hitler und keinen Stalin gewählt, sagte Ringsgwandl im DLF nach der US-Wahl. Deshalb sei es falsch, das Wahlergebnis zu verurteilen. Auch auf seinem neuen Album "Woanders" geht der bayerische Liedermacher kritisch mit Macht und Heimatliebe um. Denn: "Kunst muss immer einen gewissen Stachel haben".

Georg Ringsgwandl im Corso-Gespräch mit Achim Hahn | 09.11.2016
    Der bayerische Kabarettist und Musiker Georg Ringsgwandl
    "Die ernsten Dinge brauchen immer einen gewissen Schuss an Humor": Der bayerische Kabarettist und Musiker Georg Ringsgwandl (dpa / picture alliance / Armin Weigel)
    Achim Hahn: Seit fast 40 Jahren ist erals bekennender Multi-Dilettant auf der Bühne, immer in den verschiedensten, schillernden Rollen. Auf der neuen CD ist er nun ganz der bayrische Songpoet. Hallo, Georg Ringsgwandl.
    Georg Ringsgwandl: Grüß Gott.
    Hahn: In den neuen Songs geht es ja viel um die unmittelbare Heimat. Das Dorf, den Stadtteil, eigentlich vornehmlich um den eigenen Tellerrand. Auf der anderen Seite schaut gerade jeder über den großen Teich. Fasst Sie das an, was sich da in der ältesten Demokratie der Welt ereignet hat?
    Ringsgwandl: Das interessiert mich schon. Ich glaube, dass Amerika für uns sehr wichtig ist. Die Amerikaner haben ja den Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg die Demokratie aufgezwungen, und dem sind wir auch zu gewissem Dank verpflichtet. Und mich interessiert auch die ganze Kultur, die Musik vor allem. Das ist ja etwas, was wir von den Amerikanern geerbt haben. Und gerade ich, meine Generation, die nach dem Krieg versucht hat, populäre Musik zu machen - wir haben uns ja immer sehr stark nach den Amerikanern irritiert - orientiert, Entschuldigung.
    Jetzt sind wir irritiert. Deswegen ist natürlich schon interessant, was die machen. Deswegen schaut man mit großer Aufmerksamkeit darauf. Auf der anderen Seite bin ich jetzt nicht großartig geschockt irgendwie, weil ich denke: Das sind 300 Millionen Leute, die nicht dumm sind. Die werden schon wissen, was sie machen. Und ich glaube auch nicht, dass jetzt eine große Katastrophe ausbricht. Weil: Egal wer der Präsident ist, es gibt immer noch einen großen Teil von Leuten, die sehr gebildet sind, die guten Willens sind. Ich glaube auch nicht, dass die Amerikaner von den Deutschen Ratschläge brauchen wie Politik funktioniert, weil die Deutschen in puncto politischer Ratschläge seit dem 20. Jahrhundert desavouiert sind.
    Alte Songs werden plötzlich aktuell
    Hahn: Amerika soll wieder groß gemacht werden. Und dieses "Wir sind besser als die Anderen", das ist ja auch in dem Song thematisiert worden, den wir eben gehört haben ["Woanders", Anm. d. Red.]. Es ist ja nicht nur eine Amerikanische, sondern durchaus eine bayerische Vorstellung, irgendwie übertragbar auf Aspekte der deutschen Politik. Wie wirkt dieser von einem übersteigerten Patriotismus getragener Wahlsieg auf Sie?
    Ringsgwandl: Ich habe diesen Song woanders geschrieben. Vor sechs, sieben Jahren mal, aus einer Stimmung heraus, wo es mir sehr gegen den Strich ging, dass verschiedene Kollegen von mir, auch Künstlerkollegen aus dem schönen Oberbayern - was ein wirklich von Geld und Sicherheit und schöner Landschaft geprägter Landstrich ist -, und da hat sich so eine gewisse süffisante Selbstsicherheit verbreitet: "Dass das bei uns ja alles total in Ordnung wäre. Aber im Irak und in China und in Russland und in Amerika herrschen furchtbare Zustände. Da wird nicht auf die Umwelt geachtet, da gibt es Korruption und keine demokratischen Verhältnisse und so weiter. Aber wie es bei uns ist, ist es richtig." Das kam mir einfach etwas zu selbstzufrieden vor. Aus dieser Emotion heraus entstand der Song. Und jetzt ist er sechs, sieben Jahre alt und ist immer noch relativ frisch. Deswegen ist es der Titelsong dieser neuen CD geworden.
    "Uns liegt es immer sehr nahe, dieses Verurteilen"
    Hahn: Man hört so einen Song ja auch immer unter der Folie der Zeit, die grade stattfindet. Auch, wenn er jetzt sechs Jahre alt ist, dann hat man schon einen Bezug als Hörer dazu und ich denke mir, dass im Augenblick diese übersteigerte Heimatliebe, die da zum Ausdruck kommt, das hat mich sehr stark an die Amerikaner erinnert und ihren Wunsch, Amerika wieder groß zu machen. Das ist ja auch die Absicht der Wähler gewesen, die Donald Trump gewählt haben.
    Ringsgwandl: Das weiß ich nicht. Das ist das, was der Trump natürlich sagt. Aber das sagen die gern, die Politiker. Das sagt auch der Putin. Und das sagt natürlich auch jeder Ministerpräsident, der sein Land nach vorne bringen will. "Wir machen jetzt NRW, oder Bayern oder welchen Fleck auch immer, den machen wir jetzt schöner und größer und erfolgreicher." Das ist die Propaganda einfach.
    Warum die Amerikaner letztlich so gewählt haben, das weiß ich nicht. Weil: Ich bin nicht irgendjemand, der in Wisconsin oder in Chicago, in Los Angeles lebt. Ich weiß nicht, welche Probleme die Amerikaner haben, ich bin da nicht so drin. Ich weiß ja nur was bei uns in den Zeitungen steht, was bei uns in den Medien so ventiliert wird. Man weiß ja, das Bild, dass in den Medien von anderen Ländern gezeichnet wird, ist immer ein Bild. Aber die tiefe Daseins-Situation der Amerikaner ist anders, als das, was wir kennen. Deswegen bin ich da sehr vorsichtig irgendjemanden zu verurteilen.
    Bei uns liegt es immer sehr nahe, dieses Verurteilen, dass die Amerikaner aus einem riesigen Haufen von Dumpfbacken, von Rednecks, von stiernackigen, rotgesichtigen, überfressenen Leuten besteht, die mit großen Autos rumfahren, die zu viel Sprit verbrauchen und so weiter. Aber das ist nicht so.
    Ich bin öfter in Amerika gewesen und mein Neffe, der ein hochintelligenter, netter junger Mann ist, lebt seit Jahren in Seattle, was anscheinend eine sehr kultivierte Gegend ist. Und ich bin sehr vorsichtig da irgendwie mit dem Finger auf jemanden zu zeigen und da Vorwürfe zu äußern. Weil ich glaube, dass die Leute überall so guten Willens sind und überall so schlau sind, wie wir es sind. Ich denke nicht, dass es einen Grund gibt anzunehmen, dass die Amerikaner weniger intelligent wären als wir. Zumindest haben sie schon mal keinen Hitler und keinen Stalin gewählt.
    "Ich drehe jeden Stein um"
    Hahn: Nun sind die Menschen, die Trump gewählt haben, Menschen, die mit ihrem Leben nicht zufrieden sind, mit ihrer Rolle in ihrer Gesellschaft. Und solche Menschen bevölkern auch manche Ihrer Songs. Es geht da viel um die Sehnsucht nach dem guten, richtigen Leben. Das ist fast der rote Faden in Ihrem Werk, habe ich den Eindruck. Hadern Sie damit?
    Ringsgwandl: Ja, natürlich! Der Künstler ... da kann man drüber lächeln oder man kann das ernst nehmen, aber das ist einfach: Wenn man sich in einen künstlerischen Beruf bewegt hat, dann hat das oft den Grund, dass man mit den bestehenden Verhältnissen nicht zufrieden ist. Und die Künstler, die darin schwelgen, dass alles klasse ist, so wie es ist, die machen vielleicht Gemälde mit einem röhrenden Hirsch vor einem Wald oder mit einer Spanierin irgendwie mit einem schönen Kopfschmuck oder so. Aber alles, was an Kunst interessant ist, beschäftigt sich damit, dass die Existenz zum Teil furchtbar ist. Oder ein Pendel schlägt zwischen schön und furchtbar.
    Kunst muss immer einen gewissen Stachel haben, sonst ist es ja langweilig, sonst sagt es ja auch nichts aus. Deswegen bin ich natürlich der Künstler so mit einem Leben ... ich bin sehr privilegiert, das weiß ich. Aber ich lasse nicht gerne einen Stein auf dem anderen. Ich drehe jeden Stein um, ich schaue, was darunter ist. Wenn ich nicht so wäre, dann wäre ich einfach Doktor geblieben auf meiner schönen Lebenszeitsstelle.
    "Die Existenz ist eine abenteuerliche Mischung aus Grausamkeit und Schönheit"
    Hahn: Manchmal wirken Ihre melancholischen, vielleicht auch deprimierenden Geschichten in den Songs auf mich etwas abgeklärt. Klingt da so eine gewisse Altersmilde durch? Mit viel Verständnis, dass es ja schon schwer ist den Mut zu haben, aus einem unglücklichen Leben auszubrechen?
    Ringsgwandl : Ja. Wenn man etwas älter wird, dann sollte sich das darin äußern, dass derjenige so mit den Narreteien und diesen etwas unausgewogenen Ausbrüchen der Jugend, dass er die etwas besser in den Griff bekommt. Dass er vielleicht allmählich mitbekommt, dass nicht jeder, der anderer Ansicht ist als er, zwangsläufig ein Trottel ist.
    Trotzdem ist es so, dass die Existenz zum Teil lächerlich ist und zum Teil passieren furchtbare Dinge, die so Schlimm sind, dass sie kaum zu fassen sind. Und es passieren Sachen, die ausgesprochen berührend sind. Das heißt, die Existenz ist wirklich schon eine abenteuerliche Mischung aus Grausamkeit und Schönheit und Schrecken und Freude - und damit müssen wir irgendwie zurechtkommen. Und das ist nicht einfach.
    Es wundert mich nicht, dass wir in Deutschland inzwischen eine riesige psychotherapeutische Industrie haben. Weil ganz viele Leute ganz einfach mit diesem Leben nicht mehr zurecht kommen. Es wird immer schneller und es wird immer schwerer überblickbar. Es ist wirklich so, dass du leicht wahnsinnig werden kannst. Diese ganzen Dinge sollte man alltäglich erfassen, wenn man älter wird. Und deswegen hoffe ich schon, dass jemand mit 60 seine Songs anders schreibt, wie ein 23-jähriger Punk aus dem Elendsviertel.
    "Eine der größten Gefahren ist, dass jemand versucht, rein ernst zu sein"
    Hahn: Warum sind eigentlich die Texte auf diesem Album weniger satirisch - vielleicht mit Ausnahme von dem Lied "Das Dorf", wo Sie die Gewerbegebietsverschandelung in Bayern kritisieren. Ist das ein Kurswechsel von Georg Ringsgwandl oder nur eine andere Facette?
    Ringsgwandl: Ich habe ungefähr 12 oder wie viele CDs lang genug satirische und witzige Texte gemacht. Ich kann jeden Tag, den ich halbwegs ausgeschlafen bin, einen Schwung satirische Texte schreiben. Aber: Es ist nicht alles. Die Satire und der Witz, ist ja auch eine sehr wohlfeile Methode, sich aus einer kritischen Situation rauszustehlen. Grundsätzlich habe ich schon immer gemeint, dass worüber wir hier reden, wenn man über künstlerische Äußerungen spricht, da geht es ja um das Leben. Was grundsätzlich eine ernsthafte Situation ist.
    Alles, was wir im Leben behandeln, ist eine ernste Geschichte. Nur die Art und Weise, wie man es behandelt, das kann auf humoristische Weise sein oder mal mehr ernst. Ich meine, dass die ernsten Dinge immer einen gewissen Schuss an Humor brauchen. Und dann sind die Texte offensichtlich mal lustig und manchmal etwas verdeckter lustig. Aber ich meine, dass es auf dieser Platte keinen einzigen Song gibt, der ironiefrei oder humorfrei ist. Das geht, glaube ich, auch nicht. Eine der größten Gefahren ist, dass jemand versucht, rein ernst zu sein. Weil: Dann lauert die Lächerlichkeit wirklich hinter dem nächsten Eck.
    Hahn: Vielen Dank, Georg Ringsgwandl, für dieses Corso-Gespräch. "Woanders" heuißt die neue CD - und damit ist er auch live wieder unterwegs. In diesem Monat zum beispiel am 15. in Köln und dann folgen Düsseldorf, Bonn, Bochum, Marburg und Starnberg. Vielen Dank.
    Ringsgwandl: Dankeschön auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.