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Linken-Politiker Ritter zu "Todeslisten"
"Eine Verharmlosung, die nicht zu tolerieren ist"

Auf einer Namensliste der rechtsextremen Gruppe "Nordkreuz" taucht auch der Linken-Politiker Peter Ritter auf. Dass die Sicherheitsbehörden trotzdem nicht von einer konkreten Gefährdung ausgingen, sei für ihn wenig glaubwürdig, sagte er im Dlf. Er werde in seinem Umfeld "sehr sensibel" sein.

Peter Ritter im Gespräch mit Claudia Hennen | 26.07.2019
Das Foto zeigt ein Absperrband mit der Aufschrift "Polizeiabsperrung" ist vor dem Haus des getöteten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke.
Ermittlungen nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (dpa-Bildfunk / Swen Pförtner)
Claudia Hennen: Wir haben vorgestern in unserer Sendung darüber berichtet, dass das Landeskriminalamt von Mecklenburg-Vorpommern diese Tage über tausend Personen in einem Brief informiert hat, dass sie auf einer Namensliste des mutmaßlich rechtsextremistischen Netzwerks "Nordkreuz" stehen. Auch wenn in dem Brief steht, es gäbe keine Gefährdung – so dürften die Empfänger doch ziemlich verunsichert sein. Denn das Netzwerk "Nordkreuz" steht im Verdacht, eine schwere staatsgefährdende Straftat vorbereitet zu haben. Und daher ist bereits von "Todeslisten" die Rede. Zur Erinnerung: Das NSU-Trio hatte eine Liste mit Feinden angelegt. Auch der Name des ermordeten CDU-Politikers Walter Lübcke wurde auf einer Liste gefunden.
Der Linken-Politiker Peter Ritter, seit 25 Jahren Landtagsabgeordneter in Mecklenburg-Vorpommern, hat ebenfalls einen Brief vom LKA erhalten - Wie es ihm damit geht, auf so einer Namensliste zu stehen, wollte ich von ihm wissen.
Peter Ritter: Nun, wissen Sie, das ist ja nicht das erste Mal, dass ich auf einer solchen Liste auftauche. Schon als der NSU vor vielen Jahren aufgeflogen ist, hat man mich darüber informiert, dass ich auch da auf Listen gestanden habe beziehungsweise Anschriften von meinen Büros. Ich bin auch in der jüngsten Vergangenheit Opfer eines gezielten Hackangriffs gewesen auf alle möglichen Seiten im Netz, wo man dann rassistisches Material auf meinen Seiten gepostet hat. Es ist also nichts Neues für mich, und das erschüttert mich auch nicht. Mich erschüttert eher der Umgang der Behörden mit diesem Thema, dass man verharmlost und relativiert. Wenn ich von Listen höre, wo Materialsammlungen von Menschen auftauchen, dann gehen bei mir alle Alarmglocken an, das ist aber bei den zuständigen Behörden leider nicht der Fall.
"Das klingt eben genau nach Relativierung"
Hennen: In dem Brief vom Landeskriminalamt steht ja, dass Sie nicht konkret gefährdet sind. Wie glaubwürdig ist das für Sie?
Ritter: Das ist für mich angesichts aktueller Ereignisse wenig glaubwürdig. Ich will hier an den Mord an Lübcke erinnern, ich will hier an die Bombendrohung gegen die Parteizentrale der Linken in Berlin erinnern oder jüngst den Sprengstoffanschlag auf eine Linke-Staatsrätin in Zittau. Wenn man in solchen Zusammenhängen dann davon redet, dass es keine akuten Bedrohungssituationen gäbe, dann ist das für mich wenig nachvollziehbar, und das klingt eben genau nach Relativierung und Verharmlosung.
Hennen: Was heißt das jetzt konkret für Sie, ergreifen Sie jetzt bestimmte Maßnahmen, also posten Sie jetzt zum Beispiel Ihren Urlaubsort nicht mehr auf Facebook?
Ritter: Nein, das ist ja genau das, was diese Menschen versuchen. Sie wollen uns einschüchtern, sie wollen uns in unserem Aktionsrad einschränken, sie wollen uns einfach Angst machen, und das darf nicht passieren. Deswegen wird mein Leben ganz normal weitergehen, aber ich werde natürlich genauso, wie ich das vorher getan habe, sehr sensibel in meinem Umfeld sein und alle Dinge, die passieren, sehr aufmerksam auch verfolgen. Ich will nur kurz dran erinnern, dass zum Beispiel am 8. Mai in Demmin, wo ich auch ein Wahlkreisbüro habe, kurz vor dem Aufmarsch der NPD mein Wahlkreisbüro angegriffen worden ist. Das hab ich angezeigt, ich hab auch hier bis heute leider keine Reaktion. Ich werde aber trotzdem immer wieder diese Dinge auch öffentlich machen, ich werde sie beim Namen nennen, ich werde mich keinesfalls zurückziehen.
"Bislang sind keine Ergebnisse bekannt geworden"
Hennen: Sie sagen, Sie haben keine Reaktion erhalten – auf was keine Reaktion, also seitens der Polizei?
Ritter: Auf die Anzeige. Wir haben ja diesen Angriff auf mein Wahlkreisbüro bei der Polizei angezeigt, bislang sind keine Ergebnisse bekannt geworden, es gibt auch keinerlei Informationen, ob das Verfahren eingestellt worden ist. Das ist im Übrigen so das, was uns ja auch täglich begegnet, dass wenn man Dinge anzeigt, wie auch den Hackerangriff, man zunächst sozusagen die Ermittlungsarbeiten aufnimmt, aber früher oder später dann die Information erhält, man konnte die Täter nicht ermitteln, deswegen ist das Verfahren eingestellt. Das passt so alles ein bisschen in das Bild des Umgangs mit diesen vielen Tausend Namen und Adressen, die gesammelt worden sind. Wenn dann behauptet wird, es sind keine Todeslisten, keine Feindeslisten, dann muss ich sagen, das ist mir relativ egal, wie man diese Listen bezeichnet. Es gibt hier Menschen, es gibt hier eine Gruppierung, eine mutmaßlich rechtsextremistische Gruppierung, die Daten von Menschen gesammelt hat, und das machen die nicht zum Spaß oder weil sie Langeweile haben, sondern sie verfolgen eine Absicht. Und genau das muss öffentlich gemacht werden. Auch das liest man leider in dem Brief, den jetzt auch 1.200 Menschen in Mecklenburg-Vorpommern erhalten haben, nicht. Da ist nur die Rede davon, dass es ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Beschuldigte aus MV gibt, dass man dort aufgetaucht ist mit Namen und Adresse, aber wer die Beschuldigten sind, was dahintersteckt, das geht leider auch aus diesem Brief nicht hervor. Und wenn man nicht zufällig aus den Medien die Information erhalten würde, dass es hier um einen rechtsextremistisches Netzwerk, nämlich Nordkreuz handelt, das Adressen gesammelt hat, würden die Betroffenen, die jetzt auch diesen Brief erhalten haben, gar nicht wissen, worum es geht. Eine Verschleierungstaktik, eine Verharmlosung, die nicht zu tolerieren ist.
Hennen: In dem Brief wird auf die laufenden Ermittlungen verwiesen, deswegen könne man nicht nähere Angaben machen, so steht da drinnen. Immerhin sind Sie informiert worden, könnte man auch argumentieren. Ihre Kollegin aus Sachen, die Linken-Politikerin Kerstin Köditz, fordert genau das auch für sächsische Betroffene, die eben nicht informiert werden. Ja, wie sollen wir denn umgehen mit den Namenslisten rechtsextremistischer Netzwerke?
Ritter: Zunächst einmal ist es richtig, dass wir informiert worden sind, und es ist auch höchste Zeit, dass die Betroffenen informiert worden sind. Und das erwarte ich auch für alle anderen Personen, dass sie eine Information bekommen, dass sie eben auf diesen Listen stehen. Das ist nun keine Heldentat des hiesigen Innenministers, er hat einfach auf den öffentlichen Druck reagiert, den wir hier auch alle aufgebaut haben. Und es ist schon interessant, dass noch vor 14 Tagen von 29 Personen die Rede war, die informiert worden sind – die haben eine Vorladung vom Bundeskriminalamt erhalten. Dort ist ihnen mitgeteilt worden, dass das BKA schon sehr frühzeitig auch die hiesigen Behörden sensibilisiert hat, die betroffenen Personen zu informieren. Das hat man zwei Jahre lang nicht getan. Nachdem diese Mitteilung – da 29 – der Öffentlichkeit deutlich geworden ist, hat dann das Innenministerium jetzt reagiert und hat gesagt, okay, wir informieren jetzt 1.200. Wie innerhalb von 14 Tagen die Zahl von 29 auf 1.200 anwachsen kann, auch diese Erklärung ist man uns bislang schuldig gewesen. Also, dass es die Information gibt, das ist, ja, hoch anzurechnen, aber der Informationsgehalt in diesem Informationsbrief, der tendiert gegen null. Und das ist wiederum nur eine Beruhigungspille, die dort gegeben wird, weil keinerlei Hinweise auf den eigentlich Hintergrund gegeben werden, sondern nur, dass es eine Materialsammlung gibt, dass mein Name dort zufälligerweise aufgetaucht ist und dass kein Gefährdungspotenzial zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht.
"Wir müssen die Öffentlichkeit aufrütteln"
Hennen: Also Sie fordern maximale Transparenz.
Ritter: Ja, natürlich, maximale Transparenz, und dazu gehört Öffentlichkeit, weil mir nützt es überhaupt nichts, wenn ich im Innenausschuss hinter verschlossenen Türen in einer nicht öffentlichen Sitzung irgendwelche Informationen erhalte oder in anderen Gremien und damit in der Öffentlichkeit nicht arbeiten kann. Wir müssen die Öffentlichkeit aufrütteln, wir müssen öffentlich machen, welche Gefahren hier für den demokratischen Rechtsstaat entstehen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.