Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Lissabon in der Warteschleife

Bereits am Freitag, dem 13. Juni, als am frühen Nachmittag das negative Abstimmungsergebnis des irischen Referendums bekannt wurde, war EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso einer der ersten, der dafür warb, dass man die skeptischen Iren, aber nicht nur die, sondern auch die Bürger Europas überhaupt, mit konkreten Ergebnissen für das gemeinsame Projekt wieder gewinnen müsse.

Von Volker Finthammer, Thomas Rautenberg, Peter Hornung und Burkhard Birke | 03.07.2008
    Die institutionelle Debatte wirke da eher abschreckend, weil sich die wenigsten mit dem Lissabon-Vertrag auseinandergesetzt hätten. Deshalb lautete seine Botschaft:

    "Die europäischen Institutionen und die Mitgliedsstaaten werden ihre Arbeit an konkreten Ergebnissen fortsetzen: für Wachstum und Beschäftigung, den sozialen Zusammenhalt, die Energiesicherheit, den Klimawandel und den Kampf gegen die Inflation. In diesen Fragen in der EU zusammenzuarbeiten ist der beste Weg, um den Herausforderungen zu begegnen, mit denen die Bürger konfrontiert sind. "
    Auf dem EU-Gipfel, gut eine Woche nach dem irischen Referendum, sollte alles getan werden, um eine neue Depression zu vermeiden. Allen war klar, dass der irische Regierungschef Brian Cowen, der gerade mal vier Wochen im Amt war, keine Antworten würde präsentieren können.

    "Das Referendum war eine irische Angelegenheit, aber das hat natürlich Auswirkungen für all unsere europäischen Partner. Ich habe erläutert, dass wir jetzt Zeit brauchen für eine genaue Analyse und alle möglichen Schlussfolgerungen. Nur so können wir entscheiden, wie die möglichen Auswege für Irland und die EU aussehen könnten."
    Die Zeitspanne bis Oktober, die den Iren eingeräumt wurde, sorgt jedoch für weitere Irritationen, weil sich jetzt auch andere Kritiker des Reformvertrages, wie etwa der polnische Präsident Lech Kaczynski aus der Reserve wagen und ihre alten Vorbehalte deutlich machen. Und nicht zuletzt müssen sich auch die Verfassungsgerichte in Tschechien und in Deutschland mit der Frage befassen, ob der Vertrag von Lissabon die Souveränität der Staaten in Frage stellen und ein mögliches demokratisches Defizit des Reformvertrages legitimieren würde.
    Dem aber widerspricht der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament, Martin Schulz. Der Reformvertrag würde erstmals in der Geschichte die demokratische Kontrolle der Entscheidungsprozesse in der EU fest verankern:

    "Mehr Rechte für das nationale Parlament, wenn man an Deutschland denkt, mehr Rechte für den deutschen Bundestag, mehr Rechte für das Europäische Parlament, eine viel größere Anzahl von Entscheidungen, die dem Parlamentarismus, sowohl dem nationalen als auch dem europäischen unterworfen würden. Verkürzt gesagt, Europa wird ein Stück demokratischer, weil die Kommission a) kleiner und b) an die Kette gelegt wird."
    In Brüssel gibt es auch keinen Zweifel daran, dass der Ratifizierungsprozess fortgesetzt werden muss. Denn schließlich hätten die Staats- und Regierungschefs auf dem Sondergipfel in Lissabon im vergangenen Dezember einen völkerrechtsverbindlichen Vertrag unterzeichnet, an den sie sich jetzt halten müssen:

    "Die Europäische Union ist kein Bundesstaat, in dem Irland auf der Ebene eines Bundeslandes der Bundesrepublik Deutschland wäre, sondern wir sind ein Verbund souveräner Staaten, in dem die Iren ihre Meinung sagen, genauso wie alle anderen Länder auch ihre Meinung sagen ... Und ich finde ein bisschen merkwürdig, dass die Leute, die jetzt immer rumlaufen und sagen, die Iren haben nein gesagt, damit ist Schluss, anderen Völkern das Recht wegnehmen, ihre Meinung auch sagen zu dürfen. Das finde ich nicht fair und geht übrigens auch rein juristisch nicht."
    Das aber hält die Kritiker jedoch nicht davon ab, die Verzögerungen und Krise für ihre Interessen zu nutzen.
    Zum Beispiel in Polen. Jacek Kurski ist dort der Mann fürs Grobe bei den polnischen Nationalkonservativen. Ein politischer Wadenbeißer der Zwillingsbrüder Lech und Jaroslaw Kaczynski. Immer wenn Jacek Kurski von der Leine gelassen wird, passiert das nicht von ungefähr. Erst kürzlich hatte er wieder einen seiner großen Auftritte, als er die Ratifizierung des EU-Reformvertrages durch den polnischen Präsidenten Lech Kaczynski in Frage stellte:

    "Wir werden in Polen ein Problem bekommen. Das letzte Wort bei der Ratifizierung des EU-Vertrages gehört dem Präsidenten. Und der muss nicht unterschreiben!"
    Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich die Euro-Skeptiker um die Gebrüder Kaczynski wieder zu Wort melden würden. Und Anfang der Woche hat Präsident Lech Kaczynski ganz offiziell erklärt, er werde den Lissabonner EU-Vertrag nicht ratifizieren. Nach dem Nein beim irischen Referendum sei das Papier für ihn gegenstandslos geworden, sagte der Präsident der polnischen Tageszeitung "Dziennik". Die Behauptung, die EU könne ohne diesen Vertrag nicht weiterleben, sei nicht seriös - mit diesen Worten legte Kaczynski den Lissabonner Vertrag symbolisch zu den Akten.
    Vor einigen Monaten hatte sich das noch ganz anders angehört. Lech Kaczynski stand damals an der Spitze der polnischen Delegation in Lissabon und Brüssel und hatte die Formulierungen innerhalb des Vertrages als ganz großen Sieg seiner Verhandlungstaktik verkauft:

    "Die Bedingungen wurden gut durch uns ausgehandelt. Polen hat im Verlauf der Gespräche viele Erfolge erreicht. Jetzt erwartet Europa im Gegenzug die Ratifizierung von uns, und ich bin tief überzeugt, dass diese Ratifizierung in kürzester Zeit realisiert wird."
    Da hat der polnische Präsident die Rechnung aber offensichtlich ohne seine eigene Person gemacht. Die Lust zur Ratifizierung scheint Lech Kaczynski gründlich vergangen zu sein, nicht zuletzt wohl, weil sein Zwillingsbruder, der polnische Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski, auf eine Blockade drängt. Dieser Sinneswandel bei den Nationalkonservativen hat den innenpolitischen Widersacher der Kaczynskis, den polnischen Premierminister Donald Tusk, nicht sonderlich überrascht:

    "Die Umgebung der Kaczynskis ist zum großen Teil antieuropäisch eingestellt. Die Ereignisse zwangen die nationalkonservative PiS-Partei seinerzeit dazu, für Europa zu sein. Aber in ihrem Inneren setzen viele von ihnen Europa immer noch mit Horden von Germanen und Homosexuellen gleich, die ihnen nach der Würde und Ehre trachten."
    Polens Parlamentschef Bronislaw Komorowski sieht den Präsidenten sogar in der Pflicht, die Ratifizierungsurkunde zu unterzeichnen:

    "Mich beunruhigt die Aussage des Herrn Präsidenten, denn Polen sollte doch zu jenen Ländern gehören, die Irland bei der Überwindung der Krise helfen, indem der Prozess der Ratifizierung hierzulande möglichst schnell beendet wird. Das polnische Parlament hat seine Aufgabe erfüllt, und jetzt muss nur noch der Präsident seine Unterschrift unter jenes Vertragswerk setzen, das er selbst ausgehandelt hat. "
    Präsident Lech Kaczynski aber denkt offenbar gar nicht daran, zu unterschreiben. Der Europa-Skeptiker will Zeit gewinnen. Zum einen hofft er wohl, der Reformvertrag könnte nach dem irischen Nein nun auch in anderen EU-Ländern ins Trudeln geraten. Und zum anderen will er seiner konservativen Wählerschaft beweisen, dass er, der Präsident, polnische Interessen mit aller Härte vertritt. Marek Safjan, langjähriger Chef des polnischen Verfassungsgerichtes, bezweifelt dagegen, dass Lech Kaczynskis Zeitspiel in Übereinstimmung mit der Verfassung steht:

    "Ich sehe mit großer Sorge, dass wir in einer Sackgasse landen könnten, wenn die Ratifizierung nun in Zweifel gezogen wird. Ich wiederhole meine Auffassung, dass der Präsident nach dem Beschluss des Parlaments die Ratifizierung gar nicht mehr ablehnen darf. Es sei denn, er hat verfassungsrechtliche Zweifel, wegen der er sich dann an das Verfassungsgericht wenden müsste. Da er das aber nicht macht, sollte er ganz schnell unterschreiben."
    In der polnischen Regierung liegen die Nerven blank. Premier Donald Tusk fürchtet wieder einmal zwischen alle europäischen Fronten zu geraten, bestätigt der Chef der Regierungskanzlei Slawomir Novak:

    "Derartige Äußerungen des Präsidenten helfen Europa in diesem schwierigen Moment nicht weiter. Lech Kaczynski stellt sich in eine Reihe mit dem tschechischen Präsidenten Klaus, der als der führende Euro-Skeptiker gilt. "
    Nicht nur hinter vorgehaltener Hand wird in der polnischen Innenpolitik bereits über ein Impeachment, also ein Amtsenthebungsverfahren gegen den polnischen Präsidenten debattiert. Nach Artikel 145 der polnischen Verfassung wäre ein solches Verfahren möglich, wenn der Präsident gegen verfassungsrechtliche Grundsätze verstößt.
    Und auch in der polnischen Öffentlichkeit wird Präsident Lech Kaczynski mit seinem Blockadekurs nicht punkten können, denn dreiviertel aller Polen glauben an die Vorteile des EU-Reformvertrages und wollen keine Diskussion mehr um dessen Ratifizierung.
    Von Warschau der Blick nach Prag. Sarkozy, auf diesen Namen reagiert man dort langsam allergisch. Vor gut zwei Wochen freute man sich noch über den Besuch des Franzosen, das tschechische Fernsehen berichtete ausführlich. Schon damals kündigte sich jedoch an, was sich nun bestätigte: Die französische EU-Ratspräsidentschaft will Druck auf Staaten machen, die den Lissabon-Vertrag noch nicht ratifiziert haben. Das jedoch werde man sich nicht gefallen lassen, heißt es aus tschechischen Regierungskreisen. Europaminister Alexander Vondra.

    "Wir sagen: Machen Sie keinen Druck auf uns, stellen Sie uns nicht in die Ecke. Wir haben hier einen autonomen Prozess. Der Vertrag liegt jetzt bei dem Verfassungsgericht. Das muss die ganze Sache unabhängig bewerten. Danach kommt der Vertrag wieder ins Parlament, und das wird darüber entscheiden. Wir haben auch gesagt: Machen Sie keinen Druck auf Irland. Das wäre das Schlechteste, was man machen kann. Die Europäer dürfen auf keinen Fall das Gefühl haben, dass die Integration unter Druck stattfindet."
    Noch ist völlig unklar, ob Tschechien den Vertrag ratifizieren wird. Wie in Deutschland muss auch in Tschechien zuerst das Verfassungsgericht entscheiden. Die zweite Parlamentskammer, der Senat, hatte das Dokument bereits im April dorthin zur Prüfung geschickt. Die Frage lautet: Ist der Lissabon-Vertrag mit der tschechischen Verfassung vereinbar oder nicht?
    Schnell wird diese Entscheidung nicht kommen: Frühestens im September, heißt es, vielleicht auch erst im Oktober. Eilig hat man es ohnehin nicht. Dem Gericht lag bis vor kurzem nicht einmal eine offizielle Übersetzung des Vertrages ins Tschechische vor.
    Und auch wenn die Richter im Herbst grünes Licht geben, muss der Vertrag in Tschechien noch weitere Hürden nehmen. Erst muss der Senat zustimmen, und dann muss noch der Staatspräsident unterschreiben. Schon die Zustimmung des Senats gilt keineswegs als sicher, haben dort doch die Konservativen von der ODS die Mehrheit, genau diejenigen, die die Überprüfung des Vertrages durch das Verfassungsgericht initiiert hatten.
    Ein Nein des Senats gilt durchaus als möglich, der Ratifizierungsprozess in Tschechien wäre damit gescheitert. Einem Ja des Senats würde sehr wahrscheinlich ein Nein des Staatspräsidenten folgen. Das hätte allerdings nur aufschiebende Wirkung. Was Václav Klaus vom Vertrag hält, ist schließlich bekannt.

    "Das irische Nein bedeutet ganz klar, dass der Vertrag am Ende ist. Ihn wiederzubeleben? Wiederbeleben kann man nur Patienten, aber nicht Verträge der Europäischen Union."
    Der Konservative Václav Klaus, Ehrenvorsitzender der größten Regierungspartei ODS, ist der prominenteste Vertreter der Nein-Fraktion - und die Ablehnung aus Dublin war für ihn der Startschuss für eine Medien-Offensive gegen den Lissabon-Vertrag. Damit gebe Tschechien einen großen Teil seiner Staatlichkeit auf, sagt Klaus seither fast täglich in Interviews, es verliere seine Souveränität an Brüssel.
    Künftig werde den Tschechen von dort diktiert, was sie zu tun und zu lassen hätten. Gerne bemüht der Präsident auch immer wieder den Vergleich zwischen dem EU-Zentrum Brüssel und Moskau als Zentrum der früheren Sowjetunion. So wolle er den Bürgern Angst machen, werfen ihm seine Kritiker vor, und tatsächlich: Seine Worte werden gehört, er gilt vielen Tschechen als Autorität.
    Dennoch: Die öffentliche Meinung auf seine Seite zu bringen, das ist dem Euroskeptiker Klaus noch nicht gelungen. Die letzten Umfragen zeigen, dass 53 Prozent der Tschechen für den Lissabon-Vertrag sind und für dessen Ratifizierung durch die Tschechische Republik. Sie sind damit weit weniger euroskeptisch als ihr Staatspräsident.
    Ein Staatspräsident, der gegen den Lissabon-Vertrag wettert. Eine Öffentlichkeit, die pro-europäisch ist und den Vertrag gutheißt. Und mittendrin steht ein Mann, der als Regierungschef eigentlich die Richtung vorgeben sollte: Mirek Topolanek, Premierminister und Chef der konservativen ODS. Doch der wirkt wie ein Getriebener, er sitzt zwischen allen Stühlen. Viele Mandatsträger dieser Partei sind Euroskeptiker und Vertragsgegner. Ihre Wähler aber - nur scheinbar ein Paradox - sind mehrheitlich pro-europäisch. Sie sind jung und qualifiziert, die ODS unterstützen sie wegen ihres wirtschaftspolitischen Kurses.
    Parteichef Topolanek jedenfalls hatte den Lissabon-Vertrag für sein Land unterschrieben, und er muss ihn, auch wenn ihm das sichtlich schwerfällt, jetzt verteidigen gegen seine Parteifreunde und gegen den wortmächtigen Präsidenten. Keine leichte Aufgabe. Dass nun erst das Verfassungsgericht entscheiden muss, verschafft Topolanek Luft, wie er immer wieder betont.

    "Wir haben den Vorteil im Gegensatz zu anderen, dass wir uns nicht entscheiden müssen, ob der Ratifizierungsprozess unterbrochen wird oder nicht, weil wir ihn praktisch schon unterbrochen haben, dadurch, dass der Senat den Lissabonner Vertrag zur Prüfung an das Verfassungsgericht geschickt hat."
    Wohl auch mit einem Wutanfall beim jüngsten EU-Gipfel hat er durchgesetzt, dass in die Abschlusserklärung ein Verfassungsvorbehalt der Tschechen eingefügt wurde. Ein kleiner Sieg für Topolanek, der immerhin sein politisches Schicksal mit dem Vertrag verbunden hat. Dass seiner Regierung dennoch schwere Zeiten bevorstehen, dürfte ihm klar sein.
    Dem von den Tschechen gewünschten EU-Beitritt Kroatiens wurde von Frankreichs Präsident Sarkozy bereits eine Absage erteilt. Ohne den Lissabon-Vertrag habe Zagreb das Nachsehen. Und dann rückt schließlich auch der Januar 2009 immer näher: Denn nach den Franzosen übernehmen nämlich die Tschechen die Ratspräsidentschaft der EU. Kaum auszudenken, wenn dann noch immer ungewiss wäre, ob Tschechien den Schritt mitgeht in die weitere Integration der Europäischen Union oder nicht.
    Einen Vorteil haben die Franzosen: An Verständnis für Nein-Sager mangelt es ihnen nicht. Vielleicht hält sich auch deshalb der sonst so impulsive Staatspräsident Nicolas Sarkozy mit guten Ratschlägen an die Iren zurück. Die Tschechen versuchte Sarkozy bei einem Besuch in Prag unlängst zu umgarnen und beim polnischen Präsidenten Lech Kaczynski kann er sich nicht vorstellen, dass dieser letztlich seine eigene Unterschrift, die er in Brüssel und später in Lissabon unter den Vertrag gesetzt hat, in Frage stellen könnte, sagte Sarkozy:

    "Je eine peux pas m'imaginer que le Président qui a lui-même signe en bas du document à Bruxelles d'abord, après à Lisbonne puisse remettre en cause sa propre signature."
    Als innenpolitisches Manöver, nicht als dauerhaftes Störfeuer betrachtet Paris die Haltung Kaczynskis.

    "Ich erinnere daran, dass das polnische Parlament den Vertrag ratifiziert hat. Der Präsident will ihn in diesem Augenblick nicht unterzeichnen. Es wird andere Momente geben, da bin ich zuversichtlich. "
    Der Optimismus von Außenminister Bernard Kouchner geht allerdings einher mit handfesten Drohungen des Präsidenten. Noch vor Bekanntwerden der polnischen Verzögerungstaktik hatte Nicolas Sarkozy in einem Fernsehinterview klargestellt:

    "Wenn man Lissabon nicht will, hat man den Vertrag von Nizza, also das Europa der 27 - ohne Kroatien. Ich wünsche die Mitgliedschaft Kroatiens, also brauchen wir Lissabon."
    Polen wünscht die Aufnahme Kroatiens. Nicolas Sarkozy setzt also den Hebel an. Inhaltlich liegt er dabei mit Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einer Linie: Ohne Lissabonner Vertrag keine Erweiterung der EU. Beim Krisenmanagement muss Sarkozy auf Deutschland setzen, selbst wenn dort auch noch nicht klar ist, wie sich das Bundesverfassungsgericht zum Lissabonner-Vertrag entscheiden wird.
    Was im Übrigen in Paris offiziell ignoriert wird. Denn jedem ist klar, dass eine negative Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes unweigerlich zum Todesstoß für den Lissabonner Vertrag werden würde.
    Auf die Iren indes lässt sich kaum Druck ausüben, denn das würde wohl kontraproduktiv sein. Also setzt die französische Ratspräsidentschaft auf Pragmatismus. Premierminister Francois Fillon:

    "Der Ratifikationsprozess wird fortgesetzt. Wir werden in ständigem Kontakt zu Irland stehen. Der Präsident wird noch im Juli dorthin fahren. Natürlich müssen wir uns um die institutionellen Fragen kümmern. Und der Europäische Rat wird im Oktober versuchen einen Ausweg zu finden. In der Zwischenzeit muss Europa jedoch voranschreiten."
    Generell gewinnt die Diskussion um ein Europa unterschiedlicher Intensitäten und Geschwindigkeiten auch in Frankreich wieder an Fahrt. Die Opposition im Land indes reibt sich vor Schadenfreude die Hände, hatte man sich doch ein neues Referendum gewünscht. Die Gegner des Lissabonner Vertrages, vom linken und rechten Politspektrum, sehen nun in den Iren unfreiwillige Helfer in eigener Sache. Das erhöht den Druck auf Präsident Sarkozy.
    Im Elysée denkt man wohl vor allem daran, den Iren den Lissabonner Vertrag schmackhaft zu machen. Etwa durch die Änderung, dass nun doch wieder jedes Land, auch Irland, einen EU-Kommissar bekommen könnte. Eine Maßnahme, die sicher problemlos durchzuboxen wäre. Paris setzt auf den Faktor Zeit und letztendlich auf die Einsicht der Iren, denen man am Ende wohl doch am liebsten den Lissabonner Vertrag - vielleicht mit einigen Retuschen - nochmals zur Abstimmung vorlegen möchte.